Drei Jahre vor seinem Waterloo als Turnaround-Manager bei der nationalen Fluggesellschaft liess der Spitzendiplomat Mario Corti staatspolitischen Weitblick erkennen. Im September 1998 brachte Corti anlässlich einer Abendveranstaltung in Bern die Schaffung eines so genannten Think-Tank aufs Tapet: Eine dem marktwirtschaftlichen Gedankengut verpflichtete Denkfabrik, wähnte der seinerzeitige Nestlé-Finanzchef und heutige Swissair-Nachlassmanager, fülle hier zu Lande eine Lücke und könne einen wichtigen intellektuellen Beitrag zur liberalen Erneuerung der Schweiz leisten. Kann sie das wirklich? «Der Think-Tank geht davon aus, dass in der Regel den Marktkräften ein möglichst weiter Spielraum eingeräumt werden sollte und dass die anstehenden Probleme nicht in erster Linie vom Staat zu lösen sind», lautet das zentrale ordnungspolitische Kredo von Avenir Suisse, wie sich die Anfang 2001 formierte Denkfabrik nennt. Angesichts der katastrophalen Lage, in die liberale Lichtgestalten vom Kaliber eines Lukas Mühlemann die nationale Airline der Schweiz mit verfehlten Strategieentscheiden geritten haben, werden bezüglich der angepeilten Aufgabenteilung gegenwärtig berechtigte Zweifel laut.

Natürlich bedauert auch der Direktor von Avenir Suisse, der 55-jährige Soziologe Thomas Held, die mit dem Niedergang der Swissair einhergehende Delegitimation helvetischer Wirtschaftsführer. Nur: Dieselben Leute sind seine Brötchengeber, und sie legen – gegen teures Geld – im Endeffekt auch die Themenschwerpunkte für seine Denkfabrik fest. Statutengemäss setzt sich der 15-köpfige Stiftungsrat, dem unter anderem auch die Wahl des Direktors obliegt, aus den CEOs der beteiligten Geldgeberfirmen zusammen. Nicht nur die beiden Grossbanken sind in diesem Gremium mit ihren obersten Repräsentanten vertreten. Auch der unlängst als Privatbankier in den Ausstand getretene VR-Vizepräsident der SAirGroup, Bénédict Hentsch, Unternehmensberater Thomas Knecht von McKinsey Schweiz und der als Swissair-Sanierer gescheiterte Mario Corti prägen das nicht eben euphorisierende Bild, das sich die Schweizer Bevölkerung von ihrer Zukunftsstiftung macht. Vordenker Held tröstet sich derweilen damit, dass sich die Bosse derzeit in schnellerer Kadenz ablösen als auch schon. Vielleicht dürften in seinem Stiftungsrat deshalb auch Mühlemann & Co. schon bald ersetzt sein.
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