Auch erfolgreiche Köche können aufs Alter hin satt und selbstzufrieden werden. Die tägliche Arbeit am Herd wird zur gepflegten Routine – wenn sie sich denn im Brennpunkt der Küche überhaupt noch zu schaffen machen und diesen Ort der kulinarischen Verwandlung nicht längst jüngeren Kräften überlassen haben.
Anders Horst Petermann: Der 58-jährige gebürtige Hamburger feiert diesen Dezember zusammen mit Gastgeberin Iris Petermann und Partner Rico Zandonella den zwanzigsten Geburtstag seiner Küsnachter «Kunststuben». Er thront seit Jahren im Olymp der Spitzenköche und hat fast alle Trophäen gesammelt, die da zu vergeben sind: 19 «Gault Millau»-Punkte, 2 Sterne im «Guide Michelin», Number 1 of Europe im «Zagat» 2002, dem wichtigsten Restaurantführer der USA. Dabei ist er kein bisschen müde geworden, sondern ehrgeizig, diszipliniert und anspruchsvoll geblieben wie am ersten Tag.
Diese Einsicht beschert einem ein Essen im Spätherbst in den festlich-eleganten «Kunststuben». Es wird ein grosser Abend, der alle Ingredienzen des lukullischen Glücks bereithält. Das Amuse-Bouche zischt raketengleich in den siebten Himmel: ein Spiegelei auf feinstem Rahmspinat, darüber gehobelt erstklassige Alba-Trüffel. Eigentlich bereits eine Vorspeise, wie sie auch Tonino Verro im «Contea» in Neive nicht verführerischer aufträgt. Darauf folgt der dreiteilige Gänselebergang, eine Scheibe Foie gras ruht auf Maismousse im Geflügelgelee, ein Gänseleberpraliné in einem Mantel aus Süssholz auf einem deliziösen Feigenkompott, und ein gebratenes Stück wird von frischen Böhnchen begleitet – ein unerhört aufwändiger Teller von höchster Präzision. Das dazu gereichte Glas edelsüsse Petite Arvine vom Walliser Winzer Benoît Dorsaz setzt den passenden Kontrapunkt.
Der Abend wird fortgesetzt mit einer Trilogie von Krustentieren und Meerfischen. Zunächst der perfekt auf den noch glasigen Punkt gegarte bretonische Hummerschwanz auf einem wunderbar abgeschmeckten Zitronencouscous. Dann das grillierte Nüsschen einer Coquille Saint-Jacques, so frisch wie grad aus dem Salzwasser geholt, auf einem Confit von Brüsseler mit einer anregend säuerlichen Sauce von grünen Äpfeln. Schliesslich das gedämpfte Schnitzel vom Wolfsbarsch, sein Fleisch so weiss wie Schnee, auf wildem Fenchel, wiederum umfächelt von einer morgenländischen Gewürzbrise – Horst Petermann und Rico Zandonella liessen sich in den Ferien beim Flanieren über den Gewürzmarkt in Dubai offensichtlich inspirieren. Die als Begleitung entkorkte Flasche Sauvignon blanc vom Genfer Exzentriker Jean-Michel Novelle erinnert an den Silex, einen Pouilly-Fumé von Serge Daguenau. Sommelière Silvie Kämpf schenkt mit sichtlicher Freude über die raren Schweizer Trouvaillen ein, die seit kurzem in Petermanns Weinkeller schlummern.
Der Hauptgang ist ein handwerkliches und geschmackliches Kunststück: eine Taube, unter der Haut bestrichen mit ihren Innereien. Dazu eine Scheibe vom Artischockenboden mit Kartoffelpüree. Iris Petermannn tranchiert den Vogel mit Geschick. Der Wein diesmal aus der Toscana – ein umwerfend duftiger, kräftiger Cabernet Sauvignon Sassoforte von Senkrechtstarter Enrico Fossi. Der Käsegang spiegelt einen Trend in der hohen Gastronomie: die Abkehr vom opulent bestückten Wagen. Stattdessen eine reduzierte Auswahl von vorzüglich ausgereiften Schweizer Alp- und Bergkäsen, diesmal aus der Käserei des Gstaaders Hans-Peter Reust. Den glanzvollen Schlusspunkt setzt Rico Zandonella mit dem warm-kalten Dessert. Ein Schoggiküchlein, ein Quarksoufflé und ein Passionsfruchtsorbet, arrangiert auf einem Teller, schlicht und schön, von vollkommener Harmonie.
Wie Horst Petermann nach dieser meisterlichen Kür an den Tisch kommt, strahlt er wie ein Schuljunge. Seine Kanten scheinen gerundet. Charme und Lockerheit passen. Und dennoch stehen ihm Willensstärke, Fleiss und Zielstrebigkeit als unsichtbare Begleiter zur Seite. Kochen und die Freude über die Zufriedenheit, ja Begeisterung der Gäste sind seine eigentliche Lebensquelle.
Horst, Iris und Rico kennen keine Motivationsprobleme. Der Pachtvertrag wurde gerade wieder um zehn Jahre verlängert. Solange es nicht den ersehnten und längst verdienten dritten «Michelin»-Stern vom Himmel regnet, heisst die Devise Volleinsatz. Und geht der Wunsch dann endlich in Erfüllung, hängen die drei in vollendeter Manier bestimmt noch viele Ehrenrunden an! Restaurant Kunststuben Horst und Iris Petermann, Rico Zandonella, Seestrasse 160, 8700 Küsnacht ZH, Tel. 01/910 07 15, Fax 01/910 04 95, kunststuben@relaischateaux.com Mittagsmenü. Fr. 78.–, Abendmenü Fr. 135 .– und Fr. 195.– sonntags und montags geschlossen.

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