Dominique Strauss-Kahn steht erst am Montag morgen (Ortszeit) in New York vor Gericht. Ursprünglich hatte der Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) am Sonntag vor Gericht erschienen sollen. Bei dem Termin sollte ihm die Anklage verlesen und eventuell auch über eine Kaution entschieden werden sollen. Das teilte der Anwalt Strauss-Kahns, William Taylor, nach Berichten des US-Senders CNN mit.
Sein Mandant habe einer von der Polizei verlangten wissenschaftlichen und forensischen Untersuchung am Abend zugestimmt, sagte Taylor. Angesichts der späten Stunde habe man sich dann entschlossen, den Gerichtstermin zu verschieben. Sein Mandant werde sich vor Gericht nicht schuldig bekennen, hatte er bereits zuvor angekündigt.
Wie die "New York Times" unter Berufung auf nicht näher genannte Polizeiquellen berichtete, wollten die Ermittler zunächst eine gerichtliche Anordnung zur Untersuchung des Verdächtigen erwirken, bei der nach möglichen DNA-Spuren des angeblichen Opfers am Körper Strauss-Kahns gesucht werden sollte, etwa unter seinen Fingernägeln.
Fluchtgefahr
Da sich abgezeichnet habe, dass der IWF-Chef gegen Kaution freikommen könnte, habe man befürchtet, dass er sich mit den möglichen Spuren an seinem Körper ins Ausland absetzen könne, hiess es.
Der Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF), Dominique Strauss-Kahn, war zuvor wegen versuchter Vergewaltigung, sexueller Belästigung und Freiheitsberaubung verhaftet worden. Dem Franzosen wird vorgeworfen, ein Zimmermädchen in einem Hotel angegriffen und bedrängt zu haben.
Der 62-Jährige wurde auf dem New Yorker John-F.-Kennedy-Flughafen wenige Minuten vor dem Abflug nach Paris von US-Beamten aus eine Air-France-Maschine geholt und festgenommen, wie die Polizei mitteilte.
Strauss-Kahns Stellvertreter John Lipsky übernahm vorübergehend dessen IWF-Spitzenposten. Lipsky werde die Mitglieder des Direktoriums über die Entwicklung informieren, sagte ein IWF-Sprecher am Sonntag in Washington. Die stellvertretende geschäftsführende Direktorin Nemat Shafik solle den IWF beim Treffen der Eurogruppe in Brüssel vertreten.
Zimmermädchen: Überfall in Suite
Das 32-jährige Zimmermädchen sagte der Polizei zufolge aus, sie habe gegen 13.00 Uhr Ortszeit die grosse Suite des IWF-Chefs betreten, weil sie zum Saubermachen gerufen worden sei. Der 62-Jährige sei nackt aus dem Badezimmer gekommen, habe sie durch einen Flur verfolgt und in ein Schlafzimmer gezogen. Dort habe Strauss-Kahn sie sexuell bedrängt.
Sie habe sich ihm entwunden, worauf er sie in ein Badezimmer gezerrt und zum Oralsex gezwungen habe. Dabei habe er versucht, ihr die Unterwäsche auszuziehen. Der Frau sei es wieder gelungen, freizukommen und aus der Suite zu fliehen, die 3000 Dollar die Nacht kostet. Sie habe Kollegen von dem Vorfall berichtet und diese hätten die Polizei alarmiert.
Die Beamten seien kurz darauf in dem Hotel eingetroffen, Strauss-Kahn sei aber bereits weg gewesen, sagte der Sprecher der New Yorker Polizei, Paul Browne. Der IWF-Chef habe sein Handy und andere persönliche Dinge im Zimmer zurückgelassen. "Es sah so aus, als ob er es eilig hatte", sagte Browne. Das Dienstmädchen wurde von der Polizei in ein Spital gebracht.
IWF: Wir sind voll handlungsfähig
Strauss-Kahn ist seit November 2007 Direktor der 186 Mitgliedsstaaten zählenden Organisation, die über die Stabilität des internationalen Finanzsystems wacht. Im Bemühen, die Wogen zu glätten, erklärte der IWF, trotz der Vorwürfe gegen Strauss-Kahn bleibe er "vollkommen handlungsfähig".
Der Vorfall könnte auch den Fahrplan für die Eindämmung der Euro-Schuldenkrise durcheinander bringen. "Die Affäre kommt zu einem schlechten Zeitpunkt", sagte ein EU-Diplomat am Sonntag in Brüssel mit Blick auf die Verhandlungen über das Hilfspaket für Portugal und mögliche neue Hilfen für Griechenland, an denen der IWF beteiligt ist.
Strauss-Kahn sollte ursprünglich am Sonntag von der deutschen Kanzlerin Angela Merkel in Berlin empfangen werden. Am Montag sollte er an einem Treffen der Finanzminister der Euro-Gruppe in Brüssel teilnehmen.
Präsidentschaftskandidat in Frankreich
In Frankreich, wo Strauss-Kahn als Kandidat für die Präsidentschaftswahl 2012 gehandelt wird, reagierte die Politik geschockt. Die Chefin der französischen Sozialisten zeigte sich erschüttert von den Vorwürfen gegen Strauss-Kahn. Die Nachricht sei "ein Donnerschlag", sagte Martine Aubry. Sie mahnte, für den IWF-Chef müsse während der Ermittlungen die Unschuldsvermutung gelten.
Die Chefin des rechtspopulistischen Front National, Marine Le Pen, erklärte dagegen, Strauss-Kahn sei mit seiner Anklage "endgültig als Kandidat für das höchste Amt im Staat diskreditiert".
Umfragen zufolge lag "DSK", wie Strauss-Kahn in seiner Heimat genannt wird, in der Wählergunst zuletzt vor dem konservativen Amtsinhaber Nicolas Sarkozy.
Affäre beim IWF
Bereits 2008 hatte Strauss-Kahn wegen einer Affäre mit einer Mitarbeiterin beim IWF Schlagzeilen gemacht. Der Währungsfonds sprach ihn nach einer externen Untersuchung vom Vorwurf frei, Druck auf die Frau ausgeübt zu haben.
Allerdings bezeichnete der IWF-Vorstand sein Verhalten damals als "bedauerlich" und als Ausdruck einer "schweren Fehleinschätzung". Die Mitarbeiterin verliess den IWF und trat eine Stelle bei der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung an. Strauss-Kahn ist in dritter Ehe verheiratet und hat vier Kinder.
(laf/sda/awp)