Dominique Strauss-Kahn ist am Donnerstag offiziell angeklagt worden - in allen sechs ihm vorgeworfenen Punkten, wie die Staatsanwaltschaft mitteilte. Die Ermittler werfen ihm unter anderem versuchte Vergewaltigung, Freiheitsberaubung sowie einen "kriminellen sexuellen Akt" vor, worunter im US-Strafrecht erzwungener Oral- oder Analverkehr fällt. Die Verlesung der Anklageschrift soll am 6. Juni stattfinden.
Dennoch kommt der Franzose vorerst frei, wie ein New Yorker Gericht entschied. Allerdings unter Auflagen, für die es bislang kein Beispiel gibt. Die von seinen Anwälten angebotene eine Million Dollar Kaution in bar ist nur ein Teil davon.
Frau wirkt tief betroffen
Unmittelbar nach dem Richterspruch musste Strauss-Kahn erst einmal wieder ins Gefängnis zurück. Die Tore öffnen sich erst, wenn die Million da ist. Zudem muss er noch fünf Millionen Dollar bereithalten, die er jedoch in Form von Bankbürgschaften hinterlegen kann.
Und er wird unter Hausarrest gestellt. Eine Sicherheitsfirma ist damit beauftragt, jeden Schritt Strauss-Kahns zu überwachen. Alle Reisedokumente werden einbehalten. Der Richter machte deutlich, dass der Politiker beim geringsten Verstoss wieder ins Gefängnis gehe.
Zu der Verhandlung waren auch Strauss-Kahns Frau und seine Tochter gekommen. Die Frau wirkte tief betroffen, die Tochter stützte sie. Strauss-Kahn selbst sah müde aus. Er lächelte Frau und Tochter zu, als er sich setzte.
Alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe weist der Franzose weiterhin zurück. Strauss-Kahn soll in einem New Yorker Hotel versucht haben, ein Zimmermädchen zum Sex zu zwingen. Seit Montag sitzt er in Untersuchungshaft
Am Donnerstag war Strauss-Kahn als Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückgetreten. Die Aufgabe des Amtes erfülle ihn "mit grosser Traurigkeit", heisst es in Strauss-Kahns Rücktrittschreiben. Er wolle den IWF schützen und seine Kraft dafür verwenden, seine Unschuld zu beweisen, schrieb Strauss-Kahn.
Debatte um Nachfolge
Ausserhalb des Gerichtsaals löste Strauss-Kahn mit seinem Rücktritt vom IWF-Chefposten eine Debatte über seine Nachfolge aus. Die EU machte umgehend deutlich, dass sie wieder einen Europäer an der IWF-Spitze sehen will.
Da die EU-Länder zusammengenommen die grössten Beitragszahler für den IWF sind, sei es "nur natürlich, dass sich die Mitgliedsstaaten jetzt auf einen starken und kompetenten Kandidaten verständigen", sagte EU-Kommissionschef José Manuel Barroso.
Nicht wenige Entwicklungsländer betrachten Europas Festhalten am Posten des IWF-Chefs als realitätsfremd. So ist China mittlerweile zur zweitgrössten Volkswirtschaft in der Welt aufgestiegen. Indien und Brasilien gehören zu den Top Ten.
Der IWF-Chef müsse aufgrund seiner Leistungen ausgesucht werden und nicht weil er Europäer sei, sagte der brasilianische Finanzminister Guido Mantega. Er fordert neue Kriterien für die Führung. "Man kann einen kompetenten Europäer haben, genauso gut kann man aber auch einen Vertreter aus einem sich entwickelnden Land haben, der ebenso kompetent ist."
Ganz ähnlich argumentierte die Sprecherin des chinesischen Aussenministeriums, Jiang Yu. Die Leitung "sollte auf Fairness, Transparenz und Leistung beruhen".
(laf/tno/sda)