Im Oberengadin herrscht ideales Flugwetter. Seit Wochen sorgen tiefblauer Himmel und beste Fernsicht für aviatische Spektakel über St. Moritz. Alle paar Minuten starten und landen die Privatjets der Reichen und Superreichen auf dem Flughafen Samedan. Das zieht Schaulustige an. Ein Highlight für Flugzeugspotter ist in diesen Tagen eine Bombardier Global 7500, die bis zu 19 Passagiere befördern kann. Laut einschlägigen Datenbanken soll die Maschine dem indischen Milliardär und Stahlmagnaten Lakshmi Mittal (74) gehören.
Im Oberengadin herrscht aber auch dicke Luft wegen des Flughafens. Seit Jahren streiten Tourismusförderer, Lokalpolitiker und Wirtschaftsvertreter über den geplanten Um- und Ausbau des Engadin Airports. Auch in der Bevölkerung brodelt es. Eine Petition für die «Einhaltung des Volkswillens» und gegen «übertriebene Privatisierungsbestrebungen» erreichte über 1000 Unterschriften. «Ich kann mich nicht erinnern, dass es so etwas hier schon einmal gegeben hat», sagt eine St. Moritzerin.
Der zentrale Konfliktpunkt: Der Flughafen der Superreichen, betrieben von der Zürcher Milliardärsfamilie Schwarzenbach und ihrer Engadin Airport AG, soll mit Steuergeldern modernisiert und ausgebaut werden. Ein kurz vor Weihnachten vorgestelltes Projekt sieht Investitionen von insgesamt 68 Millionen Franken vor. Die Finanzierung soll in mehreren Etappen erfolgen, wobei die Kosten die Gemeinden, der Kanton und der Bund tragen. Allein St. Moritz will zusätzlich zum ordentlichen Gemeindeanteil 5 Millionen Franken beisteuern.
Von 22 auf 88 Millionen
Dies ist die jüngste Wendung in einer seit Jahren heftig und emotional geführten Debatte um die Zukunft des Flughafens. Ursprünglich hatte die Bevölkerung in einer Abstimmung maximal 22 Millionen Franken für die Sanierung der Infrastruktur bewilligt. Doch dann kamen neue Pläne auf den Tisch, und die Kosten vervielfachten sich auf 88 Millionen Franken. Plötzlich ging es nicht mehr nur um eine Sanierung, sondern um einen Ausbau des Flughafens – inklusive eines «Landside»-Gebäudekomplexes und eines Hangars, um die Privatmaschinen vor Wind und Wetter zu schützen.
Die Befürworter argumentieren, der Flughafen sei für die Region «systemrelevant». Christian Brantschen, Präsident der Flughafenkonferenz und Gemeindepräsident von Celerina, betonte gegenüber der «Engadiner Post», dass ein moderner, sicherer und effizienter Flughafen für den Tourismus und die Wirtschaft unabdingbar sei. Er verwies auf eine kürzlich veröffentlichte Studie der Universität St. Gallen, die genau dies belege. Gemäss der «Wertschöpfungsstudie» generiert der Flughafen einen Umsatz von rund 200 Millionen Franken. Davon profitierten der Tourismus, die Bauwirtschaft sowie das Gesundheitswesen. Besonders wichtig sei der Flughafen für die Fünf-Sterne-Hotellerie. Direkt und indirekt würden rund 1000 Vollzeitstellen durch den Flughafen geschaffen.
Gegner halten die Studie dagegen für fragwürdig. Erstellt wurde sie vom Center for Aviation and Space Competence (CFAC) der Universität St. Gallen. Pikant daran ist: Der Geschäftsführer des CFAC, Andreas Wittmer, ist gleichzeitig Mitglied der Verwaltungskommission der Infrastrukturunternehmung Regionalflughafen Samedan (Infra) – jenes Unternehmens, das die Studie in Auftrag gegeben hat. Die Infra ist eine öffentlich-rechtliche Anstalt der Oberengadiner Gemeinden und Eigentümerin der Flughafeninfrastruktur.
Diese personelle Verflechtung stiess selbst im traditionell filzfreundlichen Graubünden auf Kritik. In einem Leserbrief in der Lokalpresse ist von einer «neuen Dreistigkeit» die Rede. Kritisiert wird, dass Bereiche wie Sport, Kultur und Unterhaltung in die Berechnungen einbezogen worden seien, die ohnehin unabhängig vom Flughafen existierten.
«Du hast deine Mitarbeiterin nicht im Griff»
Die Vorlage soll im Sommer 2025 zur Abstimmung kommen. Das Forum Engadin, das sich klar gegen die Ausbaupläne positioniert hatte, weiss noch nicht, wie es reagieren wird. Präsidentin Franziska Preisig sagte diese Woche: «Wir haben uns bisher nicht öffentlich dazu geäussert, da wichtige Details zum Projekt noch fehlen.» Für die SP-Grossrätin ist wichtig, dass keine weitere Privatisierung stattfindet und dass die Beteiligung der öffentlichen Hand selbsttragend sein müssen.
Preisig war es auch, die im Grossen Rat die Steuermoral von Urs Schwarzenbach (76) ins Visier nahm. Der Milliardär und Betreiber des Flughafens, der auch das Snow Polo auf dem St. Moritzersee organisiert, war wegen Nachforderungen in die Schlagzeilen geraten. Bei einer spektakulären Razzia im Hotel Dolder in Zürich wurden wertvolle Kunstwerke beschlagnahmt, die laut Ermittlungen illegal ins Land eingeführt worden waren.
Wegen ihrer Kritik am Flughafen musste Preisig um ihren Job fürchten. FDP-Politiker sollen ihr berufliche Konsequenzen angedroht haben, wenn sie «so weitermache» wie bisher. Die Juristin ist Dozentin für Tourismusrecht an der Academia Engiadina. Später tauchte ein E-Mail an die Schulleitung auf. «Du hast deine Mitarbeiterin nicht im Griff», schrieb darin der ehemalige Präsident der Flughafeninfrastrukturgesellschaft. Als Preisig das öffentlich machte, ging ein Aufschrei durchs Tal. Später trat der Mail-Schreiber unter Protest zurück.
Dieser Artikel erschien zuerst bei Blick unter dem Titel «Streit um Ausbau des Flughafens für Superreiche entfacht».