Heliane Canepa lacht. «Sehen Sie, ich bin total unverdorben», sagt die 56-jährige Topmanagerin. Eine Managementschule habe sie nie besucht, und trotzdem leitet sie heute einen Konzern mit 1300 Angestellten. Die schwedisch-schweizerische Nobel Biocare ist die weltweite Nummer eins für Zahnimplantate. In dieser Welt könne man alles lernen, erklärt Canepa. Was es zur Karriere brauche, seien Durchsetzungsvermögen und Drive. Den Frauen, die ebenfalls eine Führungsposition erreichen wollen, rät sie: ehrgeizig sein und die angeborenen Selbstzweifel ablegen.

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Immer mehr Frauen denken und handeln wie Heliane Canepa. Zu diesem Schluss kommt unter dem Titel «Die Zukunft der Frau» eine umfassende Studie des Gottlieb Duttweiler Instituts (GDI, www.gdi.ch/studien). Heute streben Frauen viel ungezwungener nach Macht, Einfluss und Erfolg. «Typisch männliches Verhalten wird nicht mehr kritisiert, sondern bewusst imitiert», sagt Karin Frick, Autorin der Studie und Leiterin der Abteilung Trendforschung beim GDI. Die Männer sollen mit ihren eigenen Waffen geschlagen werden.

Doch Frick geht noch einen Schritt weiter: «Die starke, unabhängige Frau ist die Leitfigur des 21. Jahrhunderts», lautet die Kernaussage der Studie. Eine gewagte These angesichts der nach wie vor krassen Untervertretung des weiblichen Geschlechts in den Topetagen der Wirtschaft. Laut einer Untersuchung der Universität Zürich vom letzten Dezember sitzen in den Verwaltungsräten der 265 börsenkotierten Unternehmen in der Schweiz gerade mal vier Prozent Frauen. Bei den Geschäftsleitungsmitgliedern liegt der Anteil bei drei Prozent. Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) in Genf hat berechnet, dass es bis zur vollständigen Gleichberechtigung der Geschlechter noch 962 Jahre dauern würde, wenn die Frauenförderung im bisherigen Tempo weiterginge.

Karin Frick bestreitet nicht, dass Frauen hart kämpfen müssen, um in die Spitzenpositionen zu gelangen. Sie spricht gar von einer neuen Frauenfeindlichkeit, die Einzug gehalten habe.

Die Schonzeit sei vorbei, der Frauenbonus existiere nicht mehr. «Mit dem Erfolg der Frauen wächst auch der Neid der Männer.» Wenn nun eine Welle des Frauen-Bashings eingesetzt habe, so sei dies jedoch als Beleg für den unaufhaltsamen Aufstieg zu werten. «Frauen lernen schnell», meint Frick, «noch funktionieren die männlichen Seilschaften besser. Aber ich sehe bereits den Tag kommen, an dem die Männer nach Quoten verlangen.»

Noch zählt Heliane Canepa zu den ganz wenigen Vorreiterinnen. Kaum im Amt, hat sie ihrem Konzern gegen interne Widerstände eine Fitnesskur verordnet. Das Produktesortiment strich sie radikal zusammen. Doch die Managerin kann nicht nur hart durchgreifen, sondern verströmt gleichzeitig auch eine charmante Nonchalance, die sich wohltuend vom verbissenen Kämpfer-tum vieler männlicher Kollegen abhebt. Canepa lacht nicht nur laut und häufig, sie besitzt zudem eine gehörige Portion Selbstironie.

Hier hakt die GDI-Studie ein: Wenn es den Managerinnen gelinge, die männlichen Spielregeln erfolgreich zu adaptieren, so bleibe ihnen als zusätzlicher Vorteil die Weiblichkeit.

Dazu zählen laut Studie nicht nur Qualitäten wie Einfühlungsvermögen oder kommunikative Kompetenz, sondern auch das Äussere und das Auftreten. Canepas knallrot gefärbte Haare zählen längst zu ihrem persönlichen Markenzeichen. Und als Carly Fiorina im Juli 1999 die Führung des Computerkonzerns Hewlett-Packard übernahm, wurde sie in der Presse innerhalb dreier Monate so häufig porträtiert wie ihr Vorgänger Lew Platt in eineinhalb Jahren.

Autorin Frick nennt einen weiteren Vorteil: «Für die neuen Powerfrauen gibt es kein Verfallsdatum mehr.» Stars wie Madonna oder Tina Turner haben das Bild der reifen Frau in der Öffentlichkeit geändert. Studien belegen, dass viele ihre besten Jahre im Alter nach 50 erleben.

Heliane Canepa begann mit 51, regelmässig Sport zu treiben. Drei Jahre später schaffte sie den Halbmarathon bereits in kaum mehr als zwei Stunden, ohne deswegen auf das Rauchen zu verzichten.

Das starke Geschlecht seien schon heute die Frauen, sagt Karin Frick, nicht primär dank Förderungsprogrammen, sondern dank dem Markt, der die weibliche Arbeits- und Kaufkraft brauche. «Zwar sind sich die Männer dessen noch nicht bewusst, doch ihr Besitzstand ist ernsthaft in Gefahr.» So gesehen dürfen sich die Männer also ruhig noch ein wenig in falscher Sicherheit wiegen. Schon manche Revolution hat sich zunächst nur auf leisen Sohlen angekündigt.