Dies ist keine Geschichte, die man gerne erzählt. Thomas Tännler, Schmuckfabrikant und Grosshändler der zweiten Generation, erzählt sie trotzdem – weil er hofft, dass andere daraus lernen. Seine Firma, Tännler of Switzerland, steht vor der Liquidation und ist ein Lehrstück, wie man die Nachfolge nicht regeln sollte.

Er meint es nicht als Vorwurf an den Vater. Aber dass es der Firma so erging, wie es ihr erging, «ist unter anderem die Folge einer zu späten und nicht durchdachten Nachfolgeregelung». Bereits 1989 trat der heute 45-Jährige in den Familienbetrieb ein. Er war damals erst kurz als Rechtsanwalt tätig, doch der Vater bat ihn, in die Firma zu kommen, schliesslich müsse jemand aus der Familie sie später übernehmen. Das hat schon mancher Gründersohn gehört: «Ich habe so viel geopfert für die Firma, jetzt könnt ihr das doch nicht einfach wegschmeissen.»

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So verzichtete der Sohn auf den MBA und stieg völlig unerfahren ins Schmuckgeschäft ein. Das Problem: Es verging Jahr um Jahr, und der Vater verschob die Stabübergabe. Tännler arbeitete im Verkauf, baute das Exportgeschäft auf, doch die Geschäfte leitete der Vater. Leider liefen diese schlechter und schlechter, der Umsatz halbierte sich, die Schulden schwollen an: «Er war nicht mehr so aggressiv wie früher und wollte die Probleme nicht sehen.»

Der Sohn pochte immer wieder darauf, die Nachfolge zu regeln, drohte, den Bettel hinzuschmeissen, und doch: «Ich bin geblieben. Da waren das Pflichtgefühl, die Aussicht auf eine Riesenchance und, je länger es ging, auch die persönliche Abhängigkeit von der Firma.»

Der Vater, eine starke Persönlichkeit, blieb so lange, bis er nicht mehr im Stande war, ein selbstständiges Leben zu führen. Er erkrankte immer schwerer. 1998 musste es dann plötzlich schnell gehen. Der Sohn überzeugte den Vater, einer Notlösung zuzustimmen. Er erbte und übernahm die angeschlagene Firma, die Geschwister liessen einen Teil ihres Erbes als Drittpfand zur Absicherung der Bankschulden für fünf Jahre stehen.

Eine gefährliche Ausgangslage. Das Unternehmen war in einem so schlechten Zustand, dass der Sohn heute glaubt, man hätte eigentlich damals schon teilliquidieren sollen, um aus der Schuldenfalle zu kommen. Das habe er sich aber wegen des Vaters nicht getraut. Der Sohn, der zehn Jahre auf seinen Moment gewartet hatte, kämpfte, doch er kämpfte allein. Einer seiner grössten Fehler, sagt er heute, sei gewesen, dass er seine Geschwister, mit denen er kaum noch Kontakt hatte, nie informiert habe. Denn die Dinge entwickelten sich zunächst zum Besseren. Die Geschäfte zogen an, Kredite wurden beglichen, bis im vergangenen Jahr die Umsätze in der Branche und vor allem bei Tännler einbrachen.

Es war das Jahr, in dem die Ansprüche der Geschwister fällig wurden. Der Vater war inzwischen verstorben, und sie wollten ihr Geld sehen. «Keinen Schmuck, keinen Zahlungsaufschub, sondern das Geld», sagt der Sohn, der das nicht versteht oder nur halb, für sie habe er wohl das Familienvermächtnis in den Sand gesetzt. Das Fass lief über – der einst grösste Schmuckgrosshändler der Schweiz war zahlungsunfähig.

Er erzähle seine Geschichte wirklich nur, sagt der Sohn im wegen des Liquidationsverkaufs bereits teilgeräumten Büro, damit andere nicht die gleichen Fehler machten und ihre Nachfolge besser regelten. Er selber beginnt jetzt von vorn, in der gleichen Branche, mit dem Know-how, das er sich seit seinem Einstieg als Greenhorn aufbauen konnte. Tännler of Switzerland mag Geschichte sein, Thomas Tännler fängt jetzt an.