Es ist erstaunlich für einen Konzernchef, derart öffentlich mit einem Abschied von der Börse zu liebäugeln, wie Tesla-Chef Elon Musk dies getan hat. Prompt hat sein Tweet den Jagdeifer der Anleger entfacht und ein Kursfeuerwerk ausgelöst. Steckt hinter dem Twitter-Irrsinn also ein feines Gespür für die Klaviatur der Börsianer? Reine Lust an der Provokation? Oder eine beachtliche Kaltschnäuzigkeit, mit der Musk jeglichen Kurstrubel schlicht in Kauf nimmt?
Ein Freund der Börse jedenfalls war Elon Musk noch nie. Auch wenn er zwei Jahre nach seinem Antritt als Tesla-Chef das Unternehmen zum IPO geführt hat, war ihm dieser Schritt im Grunde zuwider. Er hat in späteren Äusserungen formuliert, das Unternehmen habe keine andere Wahl gehabt. Musk versteht sich selbst als Visionär, der die Technik der Zukunft erschafft. Seine langfristigen Vorhaben passen für sein Verständnis nicht mit der Kurzatmigkeit der Aktienmärkte zusammen. Kein Wunder, empfindet er die Volatilität der Börse als Zwangsjacke – und polterte entsprechend flegelhaft gegen die Fragen der Analysten bei der Präsentation der Tesla-Quartalszahlen im Mai.
Musk riskiert, den Bogen zu überspannen
Doch bei allem Druck, unter dem der Tesla-Chef derzeit steht, und allem inneren Widerwillen zum Trotz: Es ist Zeit für Elon Musk, erwachsen zu werden. Aktienanleger und Mitarbeiter haben ihm lange viel verziehen – weil seine Visionen sie begeistern, weil sie stolz darauf sind, an ihrer Realisierung mitzuwirken. Doch Musk riskiert, den Bogen zu überspannen.
Nicht umsonst wird Musk oft mit Apple-Gründer Steve Jobs verglichen. Die beiden ähneln sich in ihrem rücksichtslosen Zukunftsglauben, ihrem Charisma, und ihrer cholerischen Unberechenbarkeit. Allerdings musste Steve Jobs einen hohen Preis für seine Unbelehrbarkeit bezahlen, schliesslich wurde er trotz aller Genialität Mitte der Achtziger bei Apple unhaltbar. Enge Vertraute schildern, dass Jobs bis zu seiner Rückkehr mehr als zehn Jahre später einen Reifeprozess durchlebt habe – er sei als Chef zugänglicher, menschlicher geworden.
In den vergangenen Monaten hat sich Elon Musk gegenüber seinen Investoren und Anlegern teils aufgeführt wie ein trotziger Teenager. Musk hat eine grosse Erfolgsgeschichte aufzuweisen und hat mit seinem Tweet einen Kurssprung ausgelöst. Doch im Grunde wird er seiner Verantwortung als Firmenchef eines noch dazu börsenkotierten Unternehmens nicht gerecht. Fraglich ist, ob es Musk anders als Jobs gelingt, seinen Reifeprozess zu bewältigen, während er seine Positionen ausübt.