Ich bin altmodisch. Ein Auto, das ich fahre, soll eine Gangschaltung haben und der Motor muss röhren. Der Gegenentwurf dazu: der Tesla X mit dezentem Elektroantrieb und Autopiloten. Wo bleibt da der Fahrspass? Ich habe den SUV von Tesla vier Tage lang getestet.

Es ist das erste Mal. Das erste Mal Elektroauto, das erste Mal mit Autopilot, das erste Mal ein Auto im Wert von knapp 110'000 Franken. Als ich kurz nach der Übergabe den Wagen inspiziere, versammeln sich Passanten um das Fahrzeug, fünf, sechs hemdsärmelige Männer. Ob ich nochmal...?

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Mit einem seltsamen Anflug von Stolz führe ich vor, was ich selbst gerade probiert habe. Wie sich die Flügeltüren per Doppelklick öffnen. Wie sie sich nach oben entfalten. Wie ihre Sensoren die Bewegung stoppen, wenn ein Passant zu nahe kommt. Der Tesla X ist begehrt, das zeigen die neuen Absatzzahlen vom Dienstagabend. Allerdings kommt Tesla-Chef Elon Musk – mal wieder – mit der Produktion nicht nach.

Ein SUV im Mantel eines Sportwagens

Der Tesla X ist kein Auto für Schüchterne. Er ist ein Riese, der die Strasse dominiert. 2,5 Tonnen schwer, fünf Meter lang. Beim Parken ragt er rechts eine Handbreit über die Markierung, selbst wenn er links den Bordstein touchiert. Die Silhouette eines Sportwagens, innen ein SUV mit Platz für sieben Erwachsene.

Wer diesen Koloss entert, erwartet Schwerfälligkeit. Doch das nachtschwarze Fahrzeug kurvt agil selbst durch das Zickzack der Zürcher Altstadtgassen, dank der potenten Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in weniger als 3,5 Sekunden. Die Sprachsteuerung aber versteht nur Englisch.

Verbaut ist leider auch der Schulterblick. Unter dem sportlichen Schnitt der Karosserie hat die Grösse des Heckfensters gelitten, die Sicht zurück ist zusätzlich durch den Mittelsitz blockiert.

Der Autopilot checkt die Umgebung ab

Doch ich will ja nicht zurück, ich will vorwärts. Und steuere aus dem Zentrum Zürichs, auf die A1 Richtung Bern. Es wird dunkel, vor mir reihen sich rote Rücklichter. Draussen sinkt die Temperatur auf den Gefrierpunkt. Drinnen entdecke ich den Nachteil des Panoramafensters in der Front – auch bei maximaler Heizung wird’s von vorne kühl.

Erlaubt sind 60, jetzt 80, jetzt 120 Kilometer pro Stunde. Auf meinen Display leuchtet das Symbol eines Lenkrads. Das ist das Zeichen: Hier ist die Fahrt im Autopiloten möglich. Ich atme tief ein und ziehe den Hebel für den Lenkassistenten zweimal kurz zu mir.

Ein leichtes Rucken im Steuer. Der Autopilot scannt die Umgebung. Er registriert den weissen Kombi vor mir und sogar noch dessen Vordermann, bemerkt den Audi A8, der gerade links überholt. Meldet an das Lenkrad, dass die Spur in einer leichten Kurve nach rechts zieht. Weil ausreichend Platz nach vorne ist, beschleunigt das Fahrzeug von selbst. 90, 100, 110. Es drückt mich leicht in meinen Ledersitz.

 

Heiss wurde diskutiert in den vergangenen Monaten, ob der Name «Autopilot» von Tesla irreführend ist. Fahrassistent wäre schliesslich korrekter. Nach dem Tod eines Tesla-Fahrers in Florida musste der Autobauer in China zurückrudern und den Namen ändern, Kunden fühlten sich getäuscht. Einer Tesla-eigenen Umfrage zufolge verstehen zwar 98 Prozent aller Tesla-Besitzer in Deutschland, dass sie jederzeit die Hände am Lenkrad behalten sollen.

Bei Tempo 120 auf der Autobahn hatte ich ohnehin nicht vor, freihändig zu fahren. Meine Befürchtung war eher, dass das Fahren im Autopiloten schnell langweilig wird.

Tatsächlich ist es vor allem angenehm, dass der Autopilot im zähfliessenden Verkehr zwischen Zürich und Bern am dunklen Winterabend allein die Spur hält. Im Bordmonitor bildet das Fahrzeug die Umgebung ab, bremst sanft, wenn ich meinem Vordermann zu nahe komme. Der Abstand kann je nach Verkehrslage angepasst werden.

Manuelles Blicken gibt das Kommando

Meine Aufmerksamkeit als Fahrer wird beim Spurwechsel benötigt. Den Blinker muss ich manuell setzen, um ein Überholmanöver zu initiieren. Auch eine veränderte Geschwindigkeitsvorgabe muss ich manuell anpassen. So bleibt etwas für mich zu tun. Dennoch bezweifle ich, dass ich nach Stunden im Autopiloten noch im Sekundenbruchteil reagieren könnte – das komfortable Fahrgefühl senkt die Wachsamkeit. Ein Problem dabei: Der Tesla kalkuliert ausgehend vom Fahrzeug vor mir, überholt verkehrswidrig rechts.

Etwas nervig ausserdem: Nicht nur muss ich meine Hände am Lenkrad halten. Ich muss dabei gezielt die zwei eingebauten Sensoren berühren. Sonst warnt das Fahrzeug nach kurzer Zeit und – erzieherische Massnahme, wenn die Reaktion ausbleibt – verbietet den Autopiloten bis zum Ende der Fahrt.

Auch den übernächsten Vordermann auf dem Radar

Mein Vordermann wechselt in die Ausfahrt. Plötzlich ist meine Spur frei. Erlaubt sind hier 120, der Wagen vor mir hatte auf 90 gebremst. Der Tesla reagiert sofort und beschleunigt. Ungünstig, wir erreichen jetzt die Höhe der Auffahrt, von rechts schert ein roter Golf knapp vor uns auf die Spur. Da verlässt mich das Vertrauen – ich bewege das Lenkrad leicht und bremse. Jetzt steuere ich wieder selbst. In einer ähnlichen Situation später lasse ich dem Autopiloten die Kontrolle – es funktioniert.

Wie viele Tesla-Funktionen wird der Autopilot per Update verbessert. Seit dem Herbst fahren die bisher verkauften Fahrzeuge mit der Version 8.0. Die Autos scannen seitdem nicht länger nur mit vier Kameras, sondern auch mit Radar. So erkennt das Fahrzeug die Bewegungen auch des übernächsten Vordermanns, warnt deutlicher und überholt stabiler.

Acht Kameras für komplette Autonomie

Dennoch, der jetzige Autopilot von Tesla hat nicht den Anspruch, vollständig autonom zu fahren. Anders dagegen die nächste Generation. Seit Oktober werden in den Tesla-Werken Autopiloten mit acht Kameras verbaut. Das System soll das erste sein, das technisch komplett alleine fahren könnte. Die Hände am Steuer seien dann nur noch ein rechtliches Problem, so Tesla.

Fazit: Der Tesla ist ein Fahrzeug der Luxusklasse – klar macht es Spass, ihn zu fahren. Im zähen Feierabendverkehr auf der Autobahn ist der Autopilot eine echte Entlastung. Den röhrenden Motor habe ich nicht vermisst, dafür macht die Beschleunigung zu viel Spass.

Was zurück bleibt, ist ein Bedauern über den Abschied vom Autofahren als Sinnbild der Freiheit. Der Google-Effekt für das Steuern eines Fahrzeugs ist absehbar. Warum etwas wissen, wenn wir es jederzeit bequem nachschlagen können? Warum ein Auto steuern, wenn es selbstständig viel stabiler kurvt und bremst? Autonomes Fahren ist eigentlich das Gegenteil: Es ist ein weiterer Bereich, in dem der Mensch Autonomie gegen Komfort tauscht.