Nur wenige Tage hat Premierministerin Theresa May Zeit für die komplizierte Aufgabe, ein Bündnis mit der nordirischen DUP zu zimmern. Alternativen? Keine. Liberale Briten erschaudern beim Gedanken an die Partei, die plötzlich so wichtig wird in Westminster.

Es ist keine Verbindung aus Liebe, nicht mal aus echter Zuneigung. May hat schlicht keine andere Wahl, als sich künftig von der erzkonservativen DUP dulden zu lassen. «Freunde und Alliierte» nennt sie die nordirischen Protestanten. Und muss nun hoffen, dass diese Freunde für ihre Unterstützung einer May'schen Minderheitsregierung keine allzu teure Rechnung präsentieren.

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«Die DUP muss weg»

Während die Gespräche über den «Deal» in Belfast schon laufen, sammeln sich vor dem Londoner Parlament ein paar Hundert Demonstranten. «Rassistisch, sexistisch, homophob - die DUP muss weg», rufen sie und tanzen zu lauter Musik in der Sommersonne.

Mit ihrer Sorge sind sie nicht alleine. «Wahlprogramm DUP» gehört am Wochenende zu den meistgegoogelten Begriffen in Grossbritannien. Die Menschen wollen wissen, wer ihre Premierministerin im Amt halten soll. Mays Konservative stehen nach der Neuwahl ohne eigene Mehrheit im Unterhaus da.

Heikler Frieden in Nordirland

Was also steht im Programm? Die Democratic Unionist Party will in Gesundheit und Bildung investieren und Terrorismus härter bekämpfen. Sie will aber auch, dass der Staat nicht allzu genau die Rolle britischer Soldaten und Polizisten im blutigen Nordirland-Konflikt untersucht. Die Nordiren sollen öffentlich ihr «Britisch-Sein» mit Paraden und Union-Jack-Fahnen feiern dürfen - auch wenn es pro-irische Republikaner provoziert.

Seit der protestantische Pfarrer und politische Hardliner Ian Paisley sie 1971 gründete, hat die Partei eine Mission: Nordirland im Vereinigten Königreich zu halten. Die «Irish News» titelt nun: «Sorge vor Zugeständnissen an Unionismus wegen Mays DUP-Deal».

Das politische Gleichgewicht ist in Nordirland im Karfreitagsabkommen von 1998 geregelt und eine äusserst heikle Angelegenheit - zurzeit gibt es keine Regierung in Belfast, die Verhandlungen darüber ziehen sich. Wie soll Mays Regierung in Belfast noch neutral vermitteln, wenn sie sich in London auf die pro-britische Seite stützen muss?

Klimawandel ist «Schwindel»

Anderen Briten dagegen sorgen sich um DUP-Positionen, die nicht im Programm stehen. Die Partei verhindert seit Langem die Einführung der Homo-Ehe in Nordirland, die sonst im gesamten Vereinigten Königreich erlaubt ist. Sie weigert sich, eines der strengsten Abtreibungsverbote in Europa zu lockern.

Sie erwähnt Umwelt und Klima im Wahlprogramm mit keinem Wort und stellte von 2008 bis 2009 einen Umweltminister namens Sammy Wilson, der den menschengemachten Klimawandel als «Schwindel» abtat - er ist bei Weitem nicht der einzige in seiner Partei, der das so sieht. Auch einige Kreationisten sind dabei, die nicht an die Evolution glauben.

Unterschiedliche «Brexit»-Vorstellungen

Theresa May dürfte aber vor allem mit der Haltung der Nordiren zum Brexit ringen. Die DUP wollte die EU verlassen, besteht jedoch auf dem Erhalt einer offenen Grenze zu Irland. Gleichzeitig will sie auf keinen Fall einen Sonderstatus für Nordirland nach dem EU-Austritt.

Für May und vor allem den starken rechten Flügel ihrer Tories ist dagegen Grenzkontrolle das Wichtigste an den Verhandlungen. Sie wollen dafür auf wirtschaftliche Vorteile verzichten.

Für die meisten Nordiren sind undurchlässige Grenzen nach Irland eine Horrorvorstellung, da sie nicht nur der Wirtschaft enorm schaden, sondern Familien trennen und vielleicht sogar den Konflikt wieder anfeuern würden. Experten gehen davon aus, dass die DUP in diesem Punkt Zugeständnisse fordern wird - und ansonsten vor allem Geld für Nordirland will.

Eine denkbar schwierige Gemengelage also für die Premierministerin, deren Ansehen und Autorität die Wahlniederlage ordentlich zusetzt. Aber mit Labour, den Liberaldemokraten oder gar der schottischen Nationalpartei SNP wäre ein «Deal» in Brexit-Zeiten nun mal undenkbar.

Die Zeit drängt: Schon am 19. Juni sollen die Verhandlungen mit der EU beginnen, am selben Tag soll die Queen das neue Regierungsprogramm mit allem britischen Pomp verlesen. May hat harte Tage vor sich.

(sda/ccr)