Mit einem alten VW-Bus wollte Thomas Matter (48) nach Bern. Während der Parlamentswahlen 2011 kurvte der Banker mit seinem 30-jährigen himmelblauen Gefährt durch den Kanton, ein Foto von ihm und dem Matterhorn prangten auf der Flanke. Damals sprach er vom «Projekt 2015». Er hatte einigen Erfolg und rückte von Listenplatz 25 auf 14 vor und damit auf den dritten Ersatzplatz. Nun erreicht er sein Ziel vorzeitig. SVP-Vordenker Christoph Blocher ebnet mit seinem Rücktritt aus der grossen Kammer den Weg. Der Milliardär macht dem Millionär Platz. Der Anfahrtsweg bleibt sich gleich: Goldküste–Bern retour. Matter wohnt in Meilen, Blocher in Herrliberg.
Gerechnet hatte man bereits im März mit Matters Berufung. Damals trat Hans Kaufmann ab. Viele in der Partei sahen in Matter die nächste, finanzkräftige Generation. Doch Gemüsebauer Ernst Schibli, bei der letzten Wahl abgewählt und erster Ersatzmann, löste zum Missfallen vieler seine Option ein.
Der etwas hemdsärmelig wirkende Banker, der lieber Fussball kickt denn Golfbälle durch die Luft drescht, soll in Bern als Finanzfachmann vor allem in Kaufmanns Fussstapfen treten. Denn Blocher wird er politisch nicht ersetzen können. Dafür fehlt ihm das Charisma – ausserdem ist er in der politischen Diskussion zu anständig.
Die Freunde
Matter ist der Fussballer, Philippe Gaydoul der Eishockeyaner. Trotz unterschiedlichen Terrains: Die beiden sind Freunde und Geschäftspartner. Sie halten Kreuzbeteiligungen und sind im Kursaal Arosa investiert. Zusammen retteten sie den Eishockeyclub Kloten Flyers. Matter hat seine Kloten-Aktien mittlerweile an Gaydoul verschenkt. Ein langjähriger Freund aus Swissfirst-Zeiten ist Daniel Hefti, der Matters Neue Helvetische Bank führt. Gut kann er es auch mit Dominik Kaiser, dem Eigentümer des TV-Senders 3+. Der Neo-Nationalrat hält über seine Matter Group sieben Prozent am Privatsender. Im Verwaltungsrat sitzen auch Ex-«SonntagsZeitungs»-Chefredaktor Martin Spieler sowie «FAZ»-Geschäftsführer Tobias Trevisan. Für seine Bankgeheimnis-Initiative erhält Matter von den FDP-Politikern Gabi Huber und Fulvio Pelli Sukkurs. Bis im Sommer sollen die nötigen 100 000 Unterschriften beisammen sein.
Er schätzt auch SP-Ständerätin Pascale Bruderer und CVP-Nationalrat Gerhard Pfister. Einen ungewöhnlichen Draht hat er zu Pepe Lienhard: Der Musiker ist älter, hat aber am selben Tag Geburtstag wie Matter. Als ihre Kinder noch kleiner waren, veranstalteten sie mit Komiker Frank Baumann jeweils ein Pfingstlager unter dem Motto «No woman, no cry», ohne Frauen, aber mit den Kindern. Swiss-Life-Präsident Rolf Dörig sass in Mat- ters Unterstützungskomitee. Matters Bank ist in der Löwenfeld Beteiligungen AG von Ex-UBS-Chef Marcel Rohner investiert, der im VR der Neuen Helvetischen Bank sitzt. Die wichtigen Wirtschaftsleute trifft er im Club zum Rennweg – Matter ist Mitgründer und VR.
Die Gegner
Als nach Hans Kaufmanns Rücktritt aus dem Nationalrat Gemüsebauer Ernst Schibli das Ticket nach Bern löste, sorgte das in der SVP für Unmut. Matter selbst hat keine Probleme mit Schibli. Aus den Wirren der Affäre um die Swissfirst, Matters ehemalige Bank, entstand eine Fehde mit Investor Rumen Hranov. Die beiden haben sich seit Jahren nicht mehr gesehen. Medial losgetreten hatte die Affäre PR-Berater Sacha Wigdorovits. Die beiden können es heute wieder miteinander. Auch mit Anwalt Martin Wagner, früher Swissfirst-Vizepräsident, sei alles bestens. Wagner distanzierte sich damals von Swissfirst.
Überhaupt scheint Matter erpicht darauf zu sein, mit seinen Gegnern reinen Tisch zu machen – selbst mit Felix Müller, Chefredaktor der «NZZ am Sonntag», hat er Frieden geschlossen. In dessen Blatt wurde die Affäre lanciert. Matter ist heute Aktionär bei der NZZ. Die Klingen kreuzen wird er mit Peter Hegglin: Der Zuger CVP-Regierungsrat präsidiert die Finanzdirektorenkonferenz und sieht keinen Grund, das Bankgeheimnis im Inland aufrechtzuerhalten, wenn es gegenüber dem Ausland bereits gefallen ist. Matter sieht das anders. Über Kreuz ist er auch mit dem Gewerkschaftsbund-Präsidenten Paul Rechsteiner.
Die SVP-Connection
Matter vertritt klar die SVP-Linie, tritt aber moderater auf als viele Parteikollegen. Wenig hält er etwa von Lukas Reimanns Gold-Initiative, welche die Nationalbank verpflichten will, 20 Prozent ihrer Aktiven in Gold zu halten. Und auch wenn er die Masseneinwanderungs-Initiative unterstützte – gegenüber der schärferen Ecopop-Initiative ist er skeptisch. Nah stehen ihm die Zürcher SVP-Nationalräte Natalie Rickli, Gregor Rutz und Christoph Mörgeli. Ein enger Draht besteht zu Kantonalpräsident Alfred Heer. Für seine unternehmerischen Leistungen schätzt er Ex-SVP-Nationalrat und Zughersteller Peter Spuhler. Mit «Weltwoche»-Verleger Roger Köppel versteht er sich ebenfalls gut. Auch wenn er für Christoph Blocher nachrutscht: Der SVP-Haudegen bleibt die prägende Figur.
Die Karriere
Während sich Thomas Matters Schulkollegen im Gymnasium aufs Studium vorbereiteten, brach der Baselbieter das Gymi ab, verabschiedete sich nach Florida, schloss die Highschool ab, kehrte zurück und machte bei der Schweizerischen Bankgesellschaft (SBG) eine Banklehre. Mit 21 Jahren wurde er der jüngste Schweizer Händler mit Börsenlizenz, mit 28 gründete er die Swissfirst-Gruppe. Zuvor verdiente er sich die Sporen bei Banken im In- und Ausland. Etwa bei Merrill Lynch, wo der heutige UBS-Chef Sergio Ermotti Matters direkter Vorgesetzter war. Die beiden haben heute losen Kontakt. Partner bei der Swissfirst waren die späteren Bank-am-Bellevue-Banker Martin Bisang, Hans-Jörg Graf und Daniel Schlatter. Bisang und Schlatter lernte er über den verstorbenen Financier Ernst Müller-Möhl und Martin Ebners BZ Bank kennen. Bisang und Müller-Möhl wollten ihn überreden, bei der Bank am Bellevue einzusteigen. 2011 kandidierte der politisch engagierte Matter für den Nationalrat.
Die Familie
Matter hat sein Flair für Zahlen von seinem Vater geerbt, der das Handwerk als Chef-Treasurer beim Pharmakonzern Roche erlernte. Aufgewachsen ist der Banker in Sissach BL mit den zwei Brüdern Frank und Samuel. Letzterer führt eine Vermögensverwaltung, die Bruder Thomas bis vor kurzem präsidierte. Frank erhielt 2013 den Basler Filmpreis für die Dokumentation «Von heute auf morgen», in der er den Alltag hochbetagter Menschen zeigt. Matter kann für seine SRG-kritische Partei als Brückenbauer dienen. Radio- und Fernsehdirektor Ruedi Matter ist sein Coucousin. Der passionierte Fussballer Matter – er kickt für die Veteranen des FC Meilen – ist in zweiter Ehe mit Marion verheiratet. Er hat vier Töchter, drei aus erster, eine aus zweiter Ehe. Die Älteste studiert in London.