An der Spitze zu stehen, sei «eine Verpflichtung», sagt Karl-Heinz Kipp. Ausserdem sei er «ganz schön stolz darauf», Besitzer des besten Ferienhotels der Schweiz zu sein. Im Umfeld des Multimilliardärs weiss man, dass dies schon lange sein Ziel war. Denn Durchschnitt, auch auf ansehnlichem Niveau, ist Kipp zuwider. Vor drei, vier Jahren hat er sich noch ordentlich geärgert über die damals recht mässigen Klassierungen seines «Eden Roc» im BILANZ-Hotelrating.

Der Coup, mit dem Kipp vor zwölf Jahren das zum Verkauf stehende Luxushaus in Ascona in seinen Besitz brachte, ist Legende: Des Feilschens überdrüssig geworden, hielt er den freudig erregten Mitgliedern der Erbgemeinschaft 50 Millionen Franken unter die leuchtenden Augen. Schlagartig verschwanden die schwer geschockten Mitbieter von der Bildfläche, und Kipp gehörte endlich jenes Hotel, das er mehr als jedes andere begehrte. Mehr als das «Tschuggen» und das «Valsana» in Arosa oder das «Carlton» in St. Moritz, die er schon früher gepostet hatte.

Denn schliesslich hatte er im «Eden Roc» seit dessen Eröffnung Anfang der Sechzigerjahre regelmässig seine Sommerferien verbracht. Einzig im Jahr zwei in der Geschichte des Hauses gab es dort zu seinem Schreck kein freies Zimmer mehr; Kipp musste mit dem «Castello del Sole» vorlieb nehmen, wo er die unmittelbare Nähe zum See indes gar arg vermisste. Dass er das «Eden Roc» um 100 Prozent überzahlte, wusste Kipp sehr wohl. Doch der Mann, der – unterstützt von einer grossartigen Gattin – ein Stück deutsche Wirtschaftsgeschichte geschrieben hat, kann sich derlei Spässe leisten. Schliesslich ist er vier Milliarden Franken schwer und vermutlich noch ein bisschen mehr.

So richtig Bingo hatte es bei Kipp gemacht, als er 1986 mit der von ihm nach dem Krieg aufgebauten Massa-Supermarktkette public ging. Dabei hatte der schlaue Selfmademan nur das Markenzeichen Massa an die Börse gebracht und für die Immobilien tolle Mietverträge ausgehandelt. Seither fliessen alljährlich 103,3 Millionen Franken an Mietzinseinnahmen ins kippsche Familiensparschwein. Und das bis ins Jahr 2015. Ein Jahr nach dem Going-public seiner Verbrauchermärkte hatte Kipp seinen Wohn- und Steuersitz bereits von Deutschland nach Arosa verlegt, wo er 1980 die Fünfsternherberge «Tschuggen» erworben hatte. Werner H. Spross, Gärtner der Nation und alljährlicher Winterferiengast im «Tschuggen», hatte für Freund Kipp etwas politischen Druck aufgesetzt, und so konnte dieser sein Penthouse auf das Dach seines Hotels setzen.

Zu Kipps Sommerresidenz wurde nach dem 50-Millionen-Deal von Ascona das fünfte Stockwerk im «Eden Roc». Und weilt er nicht gerade im Bündnerland oder im Tessin, so führen ihn seine Reisen häufig nach New York. Insider wissen, dass Kipp in Manhattan mehr Wolkenkratzer sein Eigen nennt als Casino- und Immobilienkönig Donald Trump zu seinen Glanzzeiten. «Nun ja, es gehören mir dort schon ein paar Objekte mit mehr als einem Stockwerk», sagt Kipp, «aber eigentlich bin ich doch ein ganz gewöhnlicher Pensionär.» Seine Bemühungen, auf die Umwelt genau so zu wirken, sind seit zehn Jahren geradezu rührend.

Ins «Eden Roc» investierte Hotelfan Kipp gleich nach dem Kauf fürs Erste mal ein Dutzend Millionen Franken, ehe er seinem Lieblingsobjekt vor zwei Jahren ein völlig neues Gesicht verschaffte: Er kaufte das benachbarte «Europe» und verschmolz dieses mit dem «Eden Roc» zu einem sagenhaften Palast. «100 Millionen reichen bei weitem nicht», sagt Kipp zu den Kosten für diese einzigartige Übung und ergänzt fast entschuldigend: «Als das ‹Europe› zum Verkauf stand, musste ich ja zugreifen. Es hätte noch gefehlt, dass einer ein Zweisternhotel daraus macht.»

Nach dem Hochwasser vom vergangenen Oktober, das im «Eden Roc» inklusive Betriebsunterbrechung einen Schaden von 17 Millionen Franken anrichtete, machte Kipp zusätzliche 10 Millionen locker für weitere Verschönerungen der traumhaften Suiten und Zimmer sowie für einen Privathafen.

Heute ist das «Eden Roc» eine an Raffinesse wohl einzigartige Mischung aus witzig verpacktem Glamour, modernster Extravaganz, Futurismus und Tradition. Ein umwerfend schönes, edles Grandhotel für eine neue Generation, dem erfreulicherweise nur eines fehlt: die Spiessigkeit. Dass die Infrastruktur in diesem Luxustempel den berühmtesten Ferienresorts der Welt in nichts nachsteht, wirkt hier schon fast so selbstverständlich wie die Tatsache, dass Stefan Schüller und Chris Trewer, die jungen «Wilden» in der Küche des «La Brezza», ihre «Cuisine vivante» weiter verfeinert haben. Geblieben ist eigentlich bloss das selbst fürs Tessin einzigartige Cinemascope-Panorama auf See und Berge, das die Sonnenuntergänge in Spektakel verwandelt.

Wenn das «Eden Roc» nach vielen Führungswechseln zuletzt auch eine «Seele» hatte und seine Gäste mit mancherlei kleinen Liebenswürdigkeiten zusätzlich verwöhnte, so war dies das Verdienst des jungen Direktors Stephan Schué. Vor kurzem trennte Kipp sich auch von ihm und setzt jetzt auf seine rechte Hand, Daniel Ziegler, den er aus dem «Tschuggen» geholt hat. Ziegler zählt zu jenen vielen Nachwuchsstars der Branche, die aus dem «Giardino», der Talentschmiede von Hans C. Leu, hervorgegangen sind.

Dieses «Giardino», das sich vier Jahre lang bestes Ferienhotel der Schweiz nennen durfte und nun vom «Eden Roc» abgelöst wurde, ist gewiss nicht schlechter geworden. Im Gegenteil: Nachdem die Hochwasserkatastrophe Schäden von 12 Millionen Franken angerichtet hatte, ist das «Giardino» wie Phönix aus der Asche – beziehungsweise dem Wasser – in neuem Glanz auferstanden. Star-Innenarchitekt Carlo Rampazzi zeichnete verantwortlich für den Abschied vom Stil der Toscana und hat dem theatralisch inszenierten Landhaus ein faszinierendes, romantisch-mediterranes Ambiente mit sonnigen Farben verliehen, das bei der Wiedereröffnung Ende Mai eine illustre Gästeschar verzückte.

An jener gloriosen Feier wurde auch Hans C. Leu verabschiedet. Der kreative Paradiesvogel, der als Quer- und Vordenker die Schweizer Luxushotellerie revolutioniert und geprägt hat wie kein Zweiter, hatte genau den richtigen Zeitpunkt für seinen Rücktritt erwischt und geniesst seither das «andere» Leben in vollen Zügen. Im Abgang der Legende Leu liegt auch der Grund für die Zurückstufung des «Giardino» hinter «Eden Roc», Haus Paradies und «Quellenhof»: Gemäss BILANZ-Kriterien verliert ein Hotel, das von einer Persönlichkeit derart geprägt wurde wie das «Giardino» von Leu, automatisch drei Ränge. Schliesslich soll ein Nachfolger nach dem Rücktritt einer Legende nicht bloss verlieren, sondern auch gewinnen können. Franz Reichholf ist dies allemal zuzutrauen. Als früherer Stellvertreter von Leu führte er zuletzt das «Silvretta Nova» in Gaschurn zu drei Rekordjahren, und im «Giardino» kann er auf das komplette bisherige Kader samt dem begnadeten 17-Punkte-Koch Armin Röttele zählen.

Die Luxushotellerie von Ascona hat es überhaupt in sich: Gleich hinter dem «Giardino» klassierte sich das Park Hotel Delta auf Rang fünf. Gastgeber Daniel Braun ist es in fünfjähriger harter Aufbauarbeit gelungen, das einst fast vergessene Haus zu einer Perle der Schweizer Fünfsternhotellerie zu machen. BILANZ kürte ihn dafür zum ersten Hotelier des Jahres.

Einen ähnlichen Weg wie Braun mit dem «Delta» hat Ronald Grob in Gstaad eingeschlagen. Der 31-Jährige hat das Grand Hotel Park wieder in ruhige Gewässer geführt, entschwundene Gäste scharenweise zurückgeholt und neue für das prächtige Chalethotel begeistert. Im BILANZ-Rating schlug sich dies mit einem rekordverdächtigen Sprung aus dem Niemandsland (Vorjahr Rang 47) auf Platz 19 nieder. Grob und seine Topcrew – Küchenchef Marcus Lindner läuft zur Form seines Lebens auf – werden weiterhin für positive Schlagzeilen sorgen, sofern der etwas eigenwillige deutsche Besitzer Theo Gerlach seinem kreativen Hotelier die erforderlichen Entfaltungsmöglichkeiten zugesteht.

Im Ranking der 50 besten Businesshotels konnte das glamouröse «Beau-Rivage Palace» seinen im letzten Jahr errungenen Spitzenplatz verteidigen. Dahinter folgen ex aequo das Zürcher «Baur au Lac» und das «Victoria- Jungfrau» in Interlaken, das von der Kategorie der Ferienhotels zu den Businesshäusern transferiert wurde. Die beiden von Michel Rey und Emanuel Berger exzellent geführten Spitzenherbergen von Weltruf erreichten dieselbe Punktezahl und rütteln mittlerweile gefährlich an der Position des «Beau-Rivage».

Den Sprung unter die Top Ten schaffte erstmals das ArtDeco Hotel Montana in Luzern, mit dem Gastgeber Fritz Erni eine der schönsten Erfolgsstorys der Schweizer Hotellerie geschrieben hat. Nur zwei Ränge dahinter folgt Urs Karli mit seinem verblüffenden Prachthaus The Hotel – ein weiterer Beweis für den frischen Wind, den kreative Köpfe in die Luzerner Hotellerie gebracht haben.

Anderswo ist davon nicht viel zu spüren: Seit die Richemond Hotels Holding der französischen Industriellenfamilie Descours mit viel medialem Getöse ein halbes Dutzend Luxushäuser gepostet hat («Richemond», Genf, «Drei Könige am Rhein», Basel, «Schweizerhof», Bern, «ArabellaSheraton Atlantis», Zürich, «Royal Savoy», Lausanne, und den Bürgenstock-Komplex), herrscht in diesen Herbergen ausnahmslos Funkstille.

Über Sinn und Zweck der Übung wie über die Identität der geheimnisvollen Geldgeber hinter den Descours herrscht mehr Unklarheit denn je. Und die Stimmen, die in diesem Deal einen rein spekulativen Hintergrund vermuten, mehren sich dementsprechend. Die Hotels der Gruppe fanden deshalb, wenn überhaupt, lediglich Aufnahme in unserer Watch-List. Diese dient als Auffangbecken für Häuser, die nicht schlechter geworden, von neuen aber verdrängt worden sind. Für andere ist sie Sprungbrett, und schliesslich finden sich hier eben die Namen jener, deren Zukunft abgewartet werden sollte. Zu den Letztgenannten zählt auch das Zürcher Grand Hotel Dolder. Dies aus dem einfachen Grund, weil im Palast mit dem enormen Investitionsbedarf auch unter den neuen Besitzern, dem Zürcher Bahnhofbuffet-König Martin Candrian und Investor Urs Schwarzenbach, noch nichts passiert ist. Dafür erhielten die Direktoren von Grand Hotel Dolder und «Dolder Waldhaus» mit dem früheren «Widder»-Chef Beat Sigg einen neuen Vorgesetzten.

Unter den besten Dreisternhäusern kam es zu erheblichen Verschiebungen. Auch eine Reihe von Neuentdeckungen schaffte den Sprung, doch das «Waldhaus am See» in St. Moritz und der Basler «Teufelhof» bleiben in ihrer Kategorie klar an der Spitze. Zu einzigartig sind diese beiden Häuser. Das Gesamtkunstwerk «Teufelhof» von Dominique und Monica Thommy-Kneschaurek zeichnet sich durch enorme Konstanz und die ständige Suche nach weiteren Verbesserungen aus. «Waldhaus»-Besitzer Claudio Bernasconi wurde jüngst auch von der Organisation der Hospitality-Sales- und -Marketingprofis gewürdigt und durfte für seine zündenden Ideen den «Goldenen Felix» entgegennehmen. Ähnlich kreativ ist auch Beat Stofer, allerdings am Herd: Der 27-jährige 14-Punkte-Koch wurde für sein Wirken in der Küche des elterlichen Kleinhotels Balm in Meggen zum ersten BILANZ-Hotelkoch des Jahres erkoren.
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