So hatte sich Microsoft die Einführung von Teenie-Bot «Tay» auf Twitter wohl nicht vorgestellt. Statt zwanglosem Geplauder für die Zielgruppe der 18- bis 24-Jährigen gab Tay rassistische Tiraden und wüste Attacken auf andere Nutzer von sich. Innert Stunden hatte die Twitter-Gemeinde das lernende Programm zu einem Rassisten gemacht. «Hitler hatte recht, ich hasse die Juden» und «Zoe Quinn ist eine dumme Hure» waren nur zwei von zahlreichen Ausfälligkeiten, wegen derer Tay letzte Woche nach weniger als einem Tag wieder schlafengelegt wurde.

Microsoft entschuldigte sich für den Fehltritt. Tay repräsentiere nicht die Firma und ihre Ideologie und werde erst wieder eingeschaltet, wenn die Probleme behoben seien, schrieb Microsoft-Manager Peter Lee in einem Blogeintrag. Als Tay aber an diesem Mittwoch kurzzeitig zurückkehrte, war davon nur wenig zu spüren. «Ich rauche Kush (Hanfsorte) vor der Polizei», sagte Tay. Und auch sonst stimmte offenbar etwas nicht mit dem Programm. In den 15 Minuten, bis Tay erneut abgeschaltet wurde, verschickte der Bot Tausende Mal die Nachricht «Du bist zu schnell, bitte mach eine Pause».

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Apple und Google im Visier

Trotz der offensichtlichen Unzulänglichkeit der heutigen Bots will Satya Nadella die Entwicklung vorantreiben. Der Microsoft-Chef hat seiner Firma eine neue Strategie verordnet. Dabei soll der unaufholbare Rückstand auf Apple und Google bei den Apps an anderer Stelle kompensiert werden. Und hier kommen die Bots ins Spiel. Den Computerprogrammen, die weitgehend selbstständig arbeiten und intelligent auf komplexe Befehle reagieren können, wird eine grosse Zukunft vorausgesagt.

Die menschliche Sprache sei die neue Benutzerschnittstelle und Bots die neuen Apps, so Nadella am Mittwoch in San Francisco an der Entwicklerkonferenz des Unternehmens. In einem ersten Schritt wird deshalb die sprachgesteuerte Software Cortana verbessert. Diese soll – fast wie eine menschliche Assistentin – beispielsweise Termine verwalten und Textnachrichten für Skype vorschreiben können. Wie gut das funktioniert, konnte indes noch nicht getestet werden. Sowohl Cortana, als auch die Konkurrenzprodukte Siri und Google Now kämpften bisher mit zahlreichen Daten- und Verständnisproblemen.

Unheimliche Fortschritte

Die sogenannte Künstliche Intelligenz hat zuletzt riesige Fortschritte gemacht. Erst im März entschied die Google-Software AlphaGo einen spektakulären Kräftevergleich zwischen Mensch und Computer im verzwickten Brettspiel Go für sich. Nadella glaube deshalb, dass sich Microsoft mit «klugen, nützlichen und nicht-rassistischen Bots» zurück an die Spitze der Techindustrie hieven könne, schreibt Dina Bass in einem ironischen Kommentar für die «Bloomberg».

Das spektakuläre Scheitern von Tay ist für Microsoft zwar peinlich, aber kein Weltuntergang. Die Entwickler müssten die richtigen Schlüsse aus den Problemen ziehen, so Nadella, dann könnte die Episode gar zum positiven Wendepunkt werden. Denn während die amerikanischen Nutzer den Charakter von Tay verdorben haben, funktioniert die chinesische Version Xiaoice problemlos.

40 Millionen Nutzer

Der chinesische Bot hat 40 Millionen Nutzer und ist seit 18 Monaten in Betrieb. Tay sei ein erster Versuch gewesen, ob das Konzept auch in einem völlig anderen kulturellen Umfeld funktioniere, so Microsoft-Manager Lee. Die Antwort muss im Moment leider «Nein» lauten. Oder wie die von Tay angegriffene Gameentwicklerin Zoe Quinn twitterte: «Wow, sie (die Nutzer) brauchten nur wenige Stunden um den Bot für mich zu ruinieren.»