Alexis Tsipras hat sein Land an den Rand des Abgrunds geführt, um dann in letzter Minute noch eine Kehrtwende zurück zur Sparpolitik zu machen. Seine einzige konkrete Leistung ist das dritte Hilfspaket für Griechenland. Dies ist allerdings mit solchen Lasten verbunden, dass Teile seiner linken Syriza-Partei mit Spaltung drohen. Und trotzdem leitet der Ministerpräsident die Geschicke Griechenlands, ohne dass ein ernstzunehmender Herausforderer in Sicht wäre.

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Während seine Minister öffentlich über vorgezogene Neuwahlen diskutieren, baut Tsipras nach sieben bewegten Monaten im Amt seine Macht gestützt auf seine Popularität weiter aus. Griechen lieben Kämpfernaturen.

Wähler und Parteifreunde bewundern ihn dafür, dass er der Euro-Zone und dem Internationale Währungsfonds die Stirn geboten hat, auch wenn er am Ende verlor. Vor allem sehen sie den charmanten und charismatischen 41-Jährigen als den unbefleckten Führer eines Landes, das ein schlimme Korruptionsgeschichte hat und seit Jahren dicht vor dem Staatsbankrott steht.

Als ehrenvoller Kämpfer sehr beliebt

«Tsipras ist im Moment der populärste Politiker. Er ist jung und unverbraucht. Und er war nie in einen Skandal verwickelt», sagt Ilias Tiganis, ein Kioskbesitzer im Athener Zentrum. «Die Menschen vergessen nicht, dass frühere Regierungen und Oppositionsparteien das Land in die jetzige Lage gebracht haben.» Und auch der Politikwissenschaftler Thomas Gerakis sagt: «Die Syriza-Wähler glauben, dass Tsipras in der Euro-Zone ehrenvoll gekämpft und rausgeholt hat, was möglich war.» Die Wähler machten für den Sparkurs eher die übrige Euro-Zone verantwortlich als Tsipras. Er selbst sagt, mehr sei nicht drin gewesen: «Ich habe ein reines Gewissen.»

Wie beliebt genau Tsipras ist, bleibt unklar. In einer Umfrage vom 24. Juli schätzten mehr als 61 Prozent der Befragten ihn positiv ein. Die Syriza-Partei hätten demnach knapp 34 Prozent gewählt. Sie wäre damit mit Abstand stärkste Kraft geworden, hätte aber wieder einen Koalitionspartner gebraucht. Jüngere Befragungen nach Einigung auf das Hilfspaket gibt es nicht. Die Urlaubszeit macht repräsentative Umfragen kaum möglich.

Harte Massnahmen werden der Beliebtheit schaden

Klar scheint aber, dass die Unterstützung für Tsipras bröckeln wird. «Der wirkliche Test für seine Regierung wird in einigen Monaten kommen, wenn die Menschen die Folgen der Auflagen der Geldgeber spüren», sagt Wahlforscher Gerakis. Dazu gehören etwa Steuererhöhungen. Zudem werden zumindest Teile der Kapitalverkehrskontrollen noch einige Zeit in Kraft bleiben. Diese treffen vor allem die Unternehmen, was deren Entwicklung behindert und die Arbeitslosigkeit treiben könnte. Diese liegt immer noch bei 25 Prozent.

Tsipras braucht eine Mehrheit im Parlament für die einzelnen Reformschritte. Während die Opposition ihn beim Hilfspaket insgesamt noch gestützt hat, gilt dies für die nächsten Gesetzesvorhaben als wenig wahrscheinlich. Einige Minister haben daher bereits eine Vertrauensabstimmung im Parlament gefordert. Sollte Tsipras diese wegen der Abweichler in seiner Syriza-Partei verlieren, wäre der Weg zu Neuwahlen frei.

Frühe Neuwahlen kämen Tsipras zugute

Und je schneller diese kommen, umso besser könnte es für Tsipras auf der jetzigen Welle seiner Popularität sein. Zumal Konkurrenz nicht in Sicht ist. Die sozialistische Pasok-Partei, unter der das erste Hilfspaket 2010 ausgehandelt wurde, hat gerade noch 13 Abgeordnete. Und die konservative Nea Dimokratia hat nur einen kommissarischen Vorsitzenden. Der frühere Ministerpräsident Antonis Samaras war nach der von Tsipras ausgerufenen Volksabstimmung, bei der sich eine grosse Mehrheit gegen ein Rettungspaket gewandt hatte, zurückgetreten.

(reuters/jfr)