Sie wurden vor zwei Jahren einem grossen Publikum bekannt, als Sie in der Vox-Kochshow «Kitchen Impossible» das Kochduell gegen Tim Mälzer gewannen. Ihre neue Sendung heisst nun «essen & trinken – Für jeden Tag».
Krass, oder?
Na ja, wie passt das zu der flippigen Meta Hiltebrand?
Es geht nicht darum, ob es zu der flippigen Meta passt, sondern darum, was Meta gerne macht, und das ist Kochen. Das Format ist zwar im Vergleich zu «Kitchen Impossible» anständig und brav, aber das Coole ist, dass jeder die Rezepte einfach nachkochen kann.
Warum treten Sie überhaupt im Fernsehen auf? Reicht Ihnen Ihr Restaurant Le Chef nicht mehr?
Weil es mir unheimlich viel Spass macht. Zudem bringe ich Leuten gerne etwas bei. Fernsehen heisst für mich, dass ich nicht mehr Kochkurse für sechs bis acht Personen gebe, sondern dass ich plötzlich Tausende damit erreichen kann. Ich habe mir aber nie überlegt, was das bedeutet.
Vielleicht stehen Sie ja gerne im Rampenlicht.
In der Öffentlichkeit bekannt zu sein, ist nicht nur lässig. Sicherlich hat es gewisse Vorteile zum Beispiel im Hinblick auf mein Restaurant: Es kommen mehr Leute, seitdem sie mich aus dem Fernsehen kennen. Aber ich bin ehrlich, direkt, leidenschaftlich, habe eine Meinung und entspreche auch äusserlich nicht dem Mainstream. Je mehr man polarisiert, desto mehr Fans, aber auch Hater bekommt man. Die Hater bei Instagram und Co. sind heftig. Damit kommt nicht jeder klar. Zudem entstehen durch das Fernsehen falsche Erwartungshaltungen.
«In Deutschland rechnen sich die Fernsehjobs, in der Schweiz nicht.»
Inwiefern?
Die Gäste, die mich nicht kennen, erwarten von meinem Restaurant einen Schickimicki-Gourmettempel. Das bin ich aber nicht. Ich bin nicht Andreas Caminada. Ich bin ein Freak. Und so sieht auch mein Restaurant aus.
Wie lukrativ sind die TV-Jobs?
Kommt darauf an.
Worauf?
Auf das Format. Einige sind wahnsinnig gut bezahlt, andere wahnsinnig schlecht.
Geht es etwas konkreter?
In Deutschland rechnen sich die Fernsehjobs, in der Schweiz nicht.
Meta Hiltebrand (35) absolvierte ihre Kochlehre im Zürcher Restaurant Rigihof. Später arbeitete sie unter anderem bei Anton Mosimann und im Zürcher Widder Hotel. 2011 eröffnete sie mit der «Kutscherhalle» ihr erstes Restaurant, 2013 übernahm sie dann das «Le Chef» im Zürcher Kreis 4. Mit «Kochen.tv» bekam sie 2007 ihre erste Kochshow. Es folgten Auftritte bei «Küchenschlacht» oder «Kitchen Impossible». Seit Januar moderiert sie auf RTLplus «essen & trinken – Für jeden Tag».
Sie treten im TV auf, schreiben Kochbücher, sind Markenbotschafterin, machen Caterings, geben Kochkurse. Wie viel Meta steckt noch in Ihrem Restaurant?
100 Prozent. Ich koche zwar nicht mehr jeden Tag, doch das Konzept lebt von mir, «Le Chef» ist Meta. Ich kreiere die Gerichte. Unser Menu ändert alle drei Wochen, dann stehe ich in der Küche und überlege mir, was ich als Nächstes will. Ansonsten bin ich Inhaberin und Geschäftsführerin und habe mein Team und meinen Küchenchef, die sich um alles kümmern. Die sind so aufgestellt, dass sie auch ohne mich arbeiten können. So kann ich Fernsehjobs annehmen und auch mal mehrere Tage für andere Jobs unterwegs sein. Doch auch wenn ich nicht da bin, weiss ich immer, was läuft und wie viel Geld wir verdient haben. Wir kommunizieren sehr viel.
Welches ist bei all Ihren Nebentätigkeiten Ihre Haupteinnahmequelle?
Das weiss ich gar nicht, denn Geld interessiert mich nicht. Es ist emotionslos. Ich habe einen Buchhalter, der sich um meine Finanzen kümmert, damit ich mich auf das konzentrieren kann, was ich gut kann. Deswegen bin ich auch erfolgreich, weil ich Dinge, die ich nicht kann, abgebe. Ich will meine Zeit nicht damit verschwenden.
«Das Restaurant würde ohne meine Fernsehjobs nicht funktionieren.»
Sie wissen aber schon, wie viel Sie verdienen?
Klar. Mein Buchhalter überweist mir jeden Monat den gleichen Lohn. Ich bin angestellt bei mir selber.
Warum?
Wenn ich weiss, dass ich jeden Monat den gleichen Betrag zur Verfügung habe, kann ich damit umgehen und mein Leben strukturieren. Wenn ich aber unterschiedlich viel bekäme, hätte ich ein Ungleichgewicht und würde mich immer fragen, ob das Geld reicht. Das würde mich belasten. Und so kann ich mir am Ende des Jahres immer noch etwas leisten, wenn genug da ist. Mein Leben ist finanziert. Mehr brauche ich nicht.
Haben Sie nicht Angst, dass Sie Ihr Buchhalter prellt, wenn Sie keine Kontrolle haben?
Warum sollte er? Wir sind ein gutes Team, ich vertraue ihm.
Selbständige Köche müssen meist knapp kalkulieren, kommen nur selten auf ihre Rechnung. Könnten Sie von Ihrem Restaurant alleine leben?
Meine Rechnung ist eine andere als bei den meisten, denn ich befinde mich in einer privilegierten Situation. Hätte ich nicht meinen Küchenchef, sondern würde den Job selber machen, dann wäre der Betrieb eine Nullnummer. Mit mir habe ich eine Person zu viel angestellt, entsprechend muss mein Lohn von aussen wieder hereinkommen. Das finanziere ich unter anderem mit meinen Fernsehjobs, also von dem, was im Jahr zusätzlich hereinkommt, wird mein Lohn bezahlt. Das Restaurant würde ohne meine Fernsehjobs entsprechend nicht funktionieren. Mit einem Restaurant wird man also garantiert nicht reich. Aber im Gegensatz zu anderen Gastronomen habe ich eine super Ausgangslage. Und natürlich habe ich auch Reserven, um für Eventualitäten gewappnet zu sein.
Wo geht das überschüssige Geld sonst noch hin?
Was für überschüssiges Geld? Das, was ich habe, investiere ich in mein Restaurant.
Wie schafft man es als leidenschaftlicher Koch, das Wirtschaftliche und die fachliche Kompetenz unter einen Hut zu bekommen?
Das ist sehr schwer. Alles, was à la carte ist, ist genau kalkuliert. Dort weiss ich, wie viel ich pro Teller verdiene. Aber unser Menu Surprise beispielsweise ändert sich alle drei Wochen. Dort experimentiere ich und bin sehr leidenschaftlich, sodass ich nicht auf das Betriebswirtschaftliche schaue. Der Gast bekommt da am meisten für sein Geld. Unsere Rechnung geht am Ende des Tages schon auf, nur verdiene ich mal mehr an einem Menu und mal weniger. Mir ist es aber egal, wie teuer Kaninchen ist. Wenn ich Kaninchen will, dann kaufe ich eins. Dafür habe ich meinen Buchhalter, damit ich meine Leidenschaft ausleben kann. Er wird mir dann schon sagen, wenn ich in einem Monat zu viel ausgegeben habe. Dann nehme ich einfach einen Fernsehjob mehr an, und das Geld ist wieder drin.
«Ein Michelin-Stern spiegelt die Meinung einer einzigen Person wider, die kannst du nicht verallgemeinern.»
Gibt es Tage, an denen Sie im Restaurant kein Geld verdienen?
Allerdings.
Ihre Menupreise sind in Anbetracht Ihrer Bekanntheit relativ human. Warum erhöhen Sie nicht einfach die Preise?
Weil ich will, dass jeder bei mir essen kann, auch die Migros-Verkäuferin. Die Leute sollen nicht sparen müssen, um zu Meta zu gehen, dafür bin ich zu wenig besonders.
Sie meinen, weil Sie keinen «Michelin»-Stern haben? Für einen Koch ist das ein Ritterschlag, verbunden mit viel Prestige und Ruhm …
Ich will gar keinen Stern! Ich finde solche Bewertungen das Allerletzte.
Immerhin ist der «Michelin»-Stern eine international anerkannte Auszeichnung und steht für eine hervorragende Küchenleistung.
Es spiegelt die Meinung einer einzigen Person wider, die kannst du nicht verallgemeinern.
Finanziell wäre es schon lukrativ.
Es ist eine Frechheit, dass Restaurants, die einen Stern bekommen haben, das Gefühl haben, einfach ihre Preise erhöhen zu können. Wenn du deine Leistung erhöhst, kannst du deine Preise erhöhen. Wenn aber deine Leistung die gleiche bleibt und du lediglich von einem Kritiker ein Siegel bekommst, bist du immer noch genauso gut wie gestern.
Sterne werden also überbewertet?
Für die meisten Köche sind Sterne schon wichtig, für mich aber nicht.
Warum für Sie nicht?
Für mich sind Bewertungen wie Sterne ein goldener Käfig, sie bedeuten den Verlust von Freiheit. Mich muss man so lassen, wie ich bin, sonst funktioniere ich nicht. Wenn ich einen Stern würde haben wollen, müsste ich einiges ändern, einiges, wozu ich gar nicht bereit wäre. Ich verstehe, dass es für viele Köche sehr wichtig ist, einen Stern zu bekommen. Ich aber habe einfach sehr viel Glück gehabt, dass ich als Koch ohne Stern so eine Karriere machen konnte.
Welche Rolle spielt eigentlich Ihr Äusseres in Ihrer Karriere?
Mit meinen kurzen roten Haaren hat meine Karriere einen ganz anderen Weg genommen. Früher war ich blond. In der Küche war ich immer nur das süsse Mädchen. Seitdem ich kurze Haare habe, muss ich mir vieles erkämpfen, weil ich den Frauenbonus nicht mehr habe, aber ich habe auch nicht mehr den Frauennachteil. Ich wurde ernst genommen, und man gab mir die Möglichkeit, mich zu beweisen.
Auch aus Marketingsicht war es sicher kein schlechter Schachzug.
Dahinter steckte eine klassische Marketingidee. Ich wurde anfangs nicht gesehen, mir fehlte die geile Verpackung. Heute siehst du eine Meta Hiltebrand wegen der orangen Haare, sie polarisiert mit ihrem Aussehen. Das ist Teil meines Erfolges.
Planen Sie eigentlich Ihre Karriere?
Nein. Bei mir hat vieles mit Glück zu tun.
Das heisst, Sie schauen einfach, was kommt?
Momentan habe ich keinen Anlass, irgendetwas zu ändern, weil ich alles habe, was ich immer haben wollte. Und wenn irgendwas doch nicht mehr so funktionieren sollte, dann habe ich immer noch so viele Ideen und Möglichkeiten, auf die ich ausweichen kann. Zur Not würde ich in einem anderem Restaurant Küchenchef – wie geil wäre das!
Dieses Interview erschien in der April-Ausgabe 04/2019 der BILANZ.