Ich kenne Frauen, die mit 100 Kilometern pro Stunde den Bobrun von St. Moritz hinunterbrausten. Ich kenne Frauen, die am Pokertisch in Las Vegas kalt lächelnd eine Million Dollar in die Tasche steckten. Ich kenne Frauen, die vor Grand Cayman einen hundertpfündigen Schwertfisch drillten. Vielleicht verkehre ich in den falschen Kreisen, aber ich kenne keine Frau, die Snooker spielt.
Es ist Winter, und wenn wir nicht gerade in Südafrika auf Safari oder in Südtirol beim Snowboarden sind, ist es für uns in dieser Jahreszeit nicht einfach, uns etwas Sinnvolles an sportlicher Bewegung einfallen zu lassen. Darum reden wir in unserem Brevier der Männersportarten heute über einen typisch winterlichen Zeitvertreib. Snooker.
Ich weiss, Snooker ist für diese Kolumne ein schwieriges Thema, weil diese interessanteste Form des Billards bei uns noch wenig populär ist und bei weitem nicht an die Beliebtheit der führenden Wintersportarten wie unmässiges Zigarrenrauchen, unmässiges Kartenspielen oder unmässiges Biertrinken herankommt – aber keine Sorge, zumindest auf das Biertrinken kommen wir noch zurück.
Wir packen das Thema Snooker historisch an und beginnen mit der Nacht auf den 29. April 1985, der Nacht des Black Ball Final, an die sich jeder Brite bis heute erinnert. Es war 0.33 Uhr, und 18,5 Millionen Briten schauten am TV zu, als der Nordire Dennis Taylor die schwarze Kugel in der Ecktasche versenkte und Weltmeister wurde. Seine schwarze Kugel war die letzte der insgesamt 1200 versenkten Kugeln in diesem Match, und die letzte entschied über alles.
Das ganze Königreich blieb wach. Die britischen Wasserwerke verzeichneten den höchsten Verbrauch der Geschichte. Die BBC meldete die höchste bei einem Sportereignis je verzeichnete Einschaltquote, bis heute unübertroffen.
Snooker, gespielt mit 22 Kugeln auf einem filzbezogenen 12-Fuss-Tisch, ist die Königsdisziplin des Billards. Es ist technisch ungleich anspruchsvoller als das proletarische Poolbillard, das bei kettenrauchenden Teenagern beliebt ist. Es ist taktisch ungleich anforderungsreicher als das einfältige Karambole- oder Dreibandenbillard, das heute fast nur noch von sterilen Rentnern gespielt wird.
Snooker ist ein klassischer Gentleman Sport, erfunden 1875 von den Offizieren Ihrer Majestät im indischen Jubbulpore. Wie bei allen Offizierssportarten sind Etikette, Stil und Contenance ein absolutes Must. An Turnieren würde es auch heute niemandem einfallen, ohne Gilet und Fliege am Hals zu spielen. Auch wir Amateure spielen nicht in Jeans. Und nach einem Glückstreffer, wie er manchmal vorkommt, entschuldigt man sich.
Wie bei allen anderen Officer and Gentleman Sports – wir denken an Jagen, Polo, Fechten, Sportwagenrennen, Cricket oder Fliegenfischen – sind wir Männer bis heute unter uns geblieben. Es muss etwas mit der grossartigen Geschichte dieser Sportarten zu tun haben, die so etwas wie natürliche Geschlechterschranken errichtet hat.
Wir wollen uns nicht lange mit den Regeln aufhalten, nur so viel: Man spielt mit einem weissen Spielball, 15 roten Kugeln und je einer Kugel in den Farben Gelb, Grün, Braun, Blau, Pink und Schwarz, denen unterschiedliche Punktwerte zugeordnet sind. Abwechslungsweise versenken wir eine rote und eine farbige Kugel in den Taschen des Tisches.
Interessanter sind Taktik und Psychologie. Oft dauert das Spiel minutenlang, ohne dass einer der beiden Spieler eine Kugel zu versenken versucht. Stattdessen versucht er den Gegner zu «snookern», wie man dem sagt, den Spielball so trickreich zu platzieren, dass dem Gegenspieler keine Möglichkeit zu einem erfolgreichen Stoss bleibt. Am schönsten ist Snooker in englischer Ambiance. Auch bei uns stellen zum Glück immer mehr Pubs ein, zwei Snookertische ins Nebenzimmer.
Und damit kämen wir zum Bier. Während des Snookerns trinken wir Bier, viel Bier. Wir trinken Guinness, Carling, Tetley’s, Young’s, Newcastle Brown, Fuller’s, Strong Suffolk, Tennent’s, Morrell’s, Kingstone, Samuel Smith’s, Whitbread und Bass.
Da wir unter Männern sind, zum Schluss ein praktischer Hinweis. Meist spielt beim Snooker ein Spieler drei, vier Minuten lang, bis ihm ein Fehler unterläuft und der Gegenspieler an den Tisch geht. Auch in diesem Punkt ist Snooker ideal. Die drei, vier Minuten sind genau der rechte Break, um das viele Bier auch wieder zu rezyklieren.