BILANZ: Credit Suisse, Deutsche Bank und Citibank unterstützen die Swissair mit Krediten von einer Milliarde Franken. Warum ist UBS nicht dabei in diesem Bankenkonsortium?
Marcel Ospel:
Das liegt an den bestehenden Unklarheiten über die Strategie der Swissair. Wir haben aber den Verantwortlichen bei der Swissair unsere Bereitschaft zum Ausdruck gebracht, dass wir bei der Ausarbeitung von Lösungen zur Wiederherstellung einer genügenden Eigenkapitalbasis mitwirken werden. Sobald wir ein klareres Bild von der Strategie der Swissair haben, könnten wir Neugeldverpflichtungen für das Unternehmen eingehen. Aber das ist bis jetzt nicht der Fall.

Hat Ihr Entscheid nicht auch damit zu tun, dass das langjährige UBS-VR-Mitglied Eric Honegger, bis vor kurzem Präsident der Swissair, die Situation der Swissair zu gut kannte?
Absolut nicht.

In der Schweizer Wirtschaft häufen sich die Pannen, nicht nur bei der Swissair, auch bei andern Firmen wie André, Sulzer oder Vontobel. Liegt dies daran, dass die Schweiz in Sachen Corporate Governance noch immer zurückliegt?
Da kann ich nur für UBS sprechen: Wir wissen, dass gute Governance Werte schafft und leben daher nach den modernsten Erkenntnissen der Praxis.

Sollte man bezüglich Transparenz nicht noch konsequenter sein? Zum Beispiel bei den Managerlöhnen?
Seit 1998 geben wir die Summe der Kompensationen für die oberste Führungsebene bekannt.

Aber nicht jene der einzelnen Mitglieder.
Da gibt es unterschiedliche Ansichten. Ist es nicht genau die Transparenz bei den individuellen Zahlungen, die zur Inflation der Saläre in den USA geführt hat? Falls dies nicht stimmt, wie erklären Sie sich die immensen Unterschiede bei den Löhnen zwischen Europa und den USA?

Im Gegensatz zu Ihrem Kollegen Lukas Mühlemann bekleiden Sie nicht die Doppelfunktion als Konzernchef und VR-Präsident. Hat er sich nun zu viel oder Sie sich zu wenig aufgeladen?
In einer Bank wie der UBS, die völlig integriert geführt wird, ist auch der Verwaltungsrat stärker in die Führung eingebunden. Das wird in Zukunft noch zunehmen. Und wenn man auf allen Posten die besten Talente haben will, dann wird die Doppelfunktion zum Auslaufmodell. Zudem ist UBS im Gegensatz zur Credit Suisse keine Holding.

Und sie hat auch nicht die Absicht, sich im Versicherungsgeschäft zu engagieren?
Gewiss, die Annäherung von Versicherungsgeschäft und Vermögensverwaltung ist eine Realität. Wir sind aber davon überzeugt, dass wir die Bedürfnisse unserer Kunden befriedigen können, ohne eine Versicherungsgesellschaft im Portefeuille zu haben. Ausserdem hat bis heute noch niemand belegen können, dass das Allfinanzkonzept auch wirklich funktioniert. Überzeugend ist nur das französische Beispiel, weil dort Versicherungspolicen am Bankschalter kostengünstiger verkauft werden als über Versicherungsvertreter.

Wo wird UBS in fünf Jahren stehen?
Soweit das in dieser Zeit der schnellen Veränderungen voraussehbar ist, wollen wir in unseren Kerngeschäften weiter wachsen. In der Schweiz wollen wir die führende Bank bleiben. Weltweit, in der Vermögensverwaltung und als Investmentbank, setzen wir vor allem auf internes Wachstum. Es versteht sich von selbst, dass wir kleinere Akquisitionen nicht ausschliessen, um unsere Position in einem bestimmten Land oder einem ausgewählten Geschäftsfeld zu verstärken. Gegenwärtig sind wir mit einem Marktanteil von zwei Prozent Weltmarktleader in der Vermögensverwaltung. In den nächsten drei bis fünf Jahren wollen wir diesen Marktanteil signifikant steigern.

Gerade in den USA liegt UBS Warburg weit hinter Merrill Lynch, Salomon Smith Barney, Morgan Stanley Dean Witter, Goldman Sachs und CS First Boston zurück.
In den USA sind wir eher in den Top Ten als in den Top Five. Was hingegen das Umsatzvolumen im Wertschriftenbereich angeht, so sind wir an der New-Yorker Börse die Nummer drei. Wir sind entschlossen, unsere Position insgesamt auszubauen, und wir können das auch schaffen. Unser Ziel ist, uns innerhalb von drei Jahren auch in den USA unter den ersten fünf zu etablieren.

Sie gelten als Meister der Akquisition und des «cultural reversed take-over». Haben Sie für die Zukunft dieser Methode abgeschworen?
In der Vermögensverwaltung ist das immer noch aktuell. Im Investmentbanking hingegen ermöglicht unsere neue Struktur ein organisches Wachstum, auch in den USA. Obwohl PaineWebber in erster Linie im Privatkundengeschäft stark ist, hat sie uns, vor allem UBS Warburg, mit ihrer Platzierungskraft, ihrem Research und Aktiengeschäft zu neuem Charisma verholfen. Ausserdem sind wir durch die neue Stellung in der Lage, in den USA leichter erstklassige Mitarbeiter, so genannte «A-People», zu gewinnen. Ich bin überzeugt, dass wir aus eigener Kraft wachsen können. Dennoch wäre es möglich, eine kleinere Boutique zu kaufen, die auf einem speziellen Gebiet besondere Stärken hat. Aber eine grosse Akquisition im Investmentbanking ist zurzeit nicht zu erwarten.

Mit der Fusion mit PaineWebber trafen zwei sehr verschiedene Kulturen aufeinander. Wer dominiert wen?
Niemand dominiert. Wir nutzen die Rezepte, die PaineWebber erfolgreich gemacht haben, und transferieren das Know-how nach Europa. Umgekehrt hat PaineWebber sofort nach der Fusion in den Vereinigten Staaten Produkte von UBS Warburg lanciert, die in Europa seit Jahren ein Erfolg, in den USA hingegen eine Neuheit sind. Es handelt sich also nicht um eine Einbahnstrasse. Für UBS ist es heute charakteristisch, dass sie erfolgreich eine Vielzahl von Kulturen so orchestriert, dass diese sich gegenseitig bereichern. Wir sind ein junges Team und ein junger Konzern. Erst seit einem Jahr können wir wirklich eine Strategie der Dynamik verfolgen. Vorher lagen unsere Prioritäten anders.

Die japanischen Banken befinden sich in einer schwierigen Phase. Wäre das für UBS nicht die Gelegenheit zu einer bedeutenden Akquisition?
Für den Moment schliesse ich das aus. Wir verfügen in Japan über eine starke Organisation im Investmentbanking, und PaineWebber verhalf uns zu einer Zusammenarbeit mit der Versicherungsgesellschaft Yasuda.

Ihr Engagement in Asien, besonders in Singapur und Hongkong, verunsichert manche Privatbanken. Sie ziehen in Zweifel, ob UBS das schweizerische Bankgeheimnis mit Klauen und Zähnen verteidigen wird.
Diese Bemerkung erstaunt mich. Ich habe noch nie divergierende Meinungen in dieser Frage festgestellt. Wir haben das Bankkundengeheimnis immer verteidigt und werden das auch in Zukunft tun. Schliesslich gehört es zu den Grundrechten, wie dies die EU und andere Staaten bestätigen. Es ist wichtig, dass wir uns gemeinsam für einen sauberen Finanzplatz einsetzen. Die Schweiz hat gegen die Geldwäscherei Gesetze erlassen, die weltweit vorbildlich sind. Was die EU-Zinsenbesteuerung betrifft, könnte unser Land mit der EU eine Vereinbarung abschliessen, um eine Zahlstellensteuer einzuführen. Damit würde das Bankkundengeheimnis gewahrt und verteidigt. Umso mehr, als der grösste Teil der Kritik nicht aus dem Ausland, sondern aus dem Inland kommt. Die Angriffe aus dem Ausland haben oft andere Gründe als vorgegeben: Manchmal habe ich den Eindruck, dahinter steckten wettbewerbspolitische Absichten.
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