BILANZ: Herr Beyer, Sie haben auch in den letzten Krisenjahren zweistellige Zuwachsraten verzeichnet. Wie macht man das?
René Beyer: Indem man seiner Sache treu bleibt und guten Service bietet. Für uns waren es keine schlechten Jahre. Wir legten zu und konnten überdies endlich wieder genügend Uhren kaufen, um un sere leer gewordenen Lager aufzustocken.
Wie bitte? Sie haben mehr Uhren gekauft als in den Boomjahren?
Schlechte Zeiten eignen sich, um aufzurüsten. Andere haben Personal abgebaut, wir stocken auf und haben zum Beispiel heute zwölf Uhrmacher und Goldschmiede in unserem Atelier. Das honorieren die Kunden. Wenn sie anderswo ihre Uhr nicht reparieren können, bei uns aber schon, kommen sie und vor allem bleiben sie bei uns. Service und Beratung sind deshalb über den Verkauf hinaus eminent wichtig.
Das sagen alle.
Aber bei uns ist es wirklich so. Wenn ein Kunde nach einem guten koscheren oder indischen Restaurant fragt, können wir ihm einen Tipp geben. Und zwar von einem Restaurant, das wir kennen und selber getestet haben. Oder wir machen es dank unseren Beziehungen möglich, dass jemand an einem Ort essen kann, wo es eigentlich keine freien Plätze mehr gibt. Allein wegen unseres Museums vermitteln wir jährlich 200 Hotelübernachtungen. Und regelmässig helfen wir auch Kunden aus dem Ausland, die hier in Zürich Immobilien kaufen wollen. Das alles gehört zum Service.
Gab es in den letzten Jahren bei den Uhren Gewinnermarken?
Gewinner sind in schwierigen Zeiten immer die traditionellen reinen Uhrenmarken wie Patek Philippe, Jaeger-LeCoultre, Rolex oder Breguet. Das sind auch Marken, die sich als Wertanlage eignen. Sonst ist es bei den Uhren ja wie bei den Autos: Kaum hat man den Zündschlüssel gedreht, sind bei 95 Prozent aller Marken 35 Prozent des Wertes weg. Eine Patek Philippe hingegen ist 20 Jahre nach dem Kauf wohl ihren drei- bis vierfachen Preis wert. Es gibt in der Schweiz etwa 300 Marken, 150 können Sie in Genf kaufen, 60 an der Zürcher Bahnhofstrasse. Ich führe 13 Marken. Und könnte auch gerne auf 9 reduzieren.
Darum führen Sie ja demnächst die Patek-Philippe-Boutique mit nur einer Marke?
Nun, ich bin ja eigentlich kein grosser Freund von Monomarken-Boutiquen: Wer sich zum Beispiel für eine Hublot interessiert, will sie vielleicht neben eine Audemars Piguet legen und auch sonst vergleichen können. Mit Patek Philippe aber haben wir eine über 150-jährige Zusammenarbeit, welche die Boutique rechtfertigt. Und unsere Verkaufsberater werden immer in beiden Geschäften arbeiten.
Wie sehen Sie die mittelfristige Zukunft für die Branche?
Uns macht der starke Franken langsam echt Sorgen. Leute fragen uns, warum die Uhren hier teurer sind als in Deutschland. Und sind zurückhaltend.
Also geben Sie Rabatte?
Rabatte sind ein schlechter Berater. Wenn ich einmal Rabatt gewähre, muss ich immer Rabatt gewähren. Nein, wir geben keine Rabatte. Ich setze auf Social Events, Betriebsbesichtigungen, Konzerteinladungen und professionelle Beratung. Bei uns spricht jeder Verkäufer zwei bis drei Sprachen – es werden im Verkauf elf Sprachen gesprochen.
Wer sind Ihre Kunden?
Ach, das geht quer durch alle Gesellschaftsschichten: Singles, Familienväter, einfache Leute, die lange gespart haben, und immer mehr auch ein Lifestyle-Publikum: Prominente aus Film, Fernsehen und Sport.
Wir hätten gedacht: vor allem Asiaten.
Das mag an Tourismusorten so sein. Bei uns sind 50 Prozent der Kunden Schweizer, dazu haben wir Käufer aus 79 Ländern. Die wichtigste Gruppe sind tatsächlich die Chinesen, früher waren es die Russen, noch früher die Deutschen. Das kann immer wieder wechseln.
Und wie berät man Chinesen?
Indem man drei chinesische Verkäuferinnen hat. Und das Personal für multikulturelle Beziehungen schult. Ein Chinese zahlt Ihnen zum Beispiel für eine Uhr lieber 8888 als 8411 Franken. Acht ist für ihn eine Glückszahl, eins und vier hingegen weniger.
Nehmen wir an, Sie dürfen nur eine einzige Uhr auf eine einsame Insel nehmen. Welche wählen Sie?
Keine. Am wohlsten schläft man ohne Kleider. Auf einer einsamen Insel braucht man keine Uhr. Lieber Holz, damit man ein Feuer machen kann.