Was haben die Chefs Jean-Frédéric Dufour (Zenith), Walter von Kaenel (Longines), Georges Kern (IWC), Jerôme Lambert (Jaeger-LeCoultre), Peter Stas (Frédérique Constant) und Thierry Stern (Patek Philippe) am Ende des Jahres 2011 gemeinsam? Die Antwort ist der boomenden Situation in der internationalen Uhrenszene geschuldet. Sie lautet schlicht: Lieferrückstände. Wochen, Monate mitunter sogar Jahre für ganz Exklusives müssen kaufwillige Kunden auf ihre neuen Begleiterinnen fürs Handgelenk warten.

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Frisch ist diese Entwicklung nicht, nur hat sie sich in letzter Zeit wieder akzentuiert. Die Nachfrage übersteigt in vielen Fällen das verfügbare Angebot. Denn Armbanduhren sind und bleiben in. Und natürlich sind Uhren letztlich auch ein attraktives Investitionsobjekt in unsicheren Zeiten, da schliesslich niemand so richtig weiss, welche Kapriolen die Finanzmärkte in nächster Zeit schlagen werden.

Gold in seiner schönsten Form

Gold als Anlage ist schön und gut. Aber von einem goldenen Zeitmesser haben Frau und Mann ganz einfach mehr. Die Uhr ist immer dabei, präsentiert sich bei jedem Ablesen der Zeit von ihrer gleichermassen schönen wie präzisen Seite. Einst lukrative Staatsanleihen, namentlich solche aus Griechenland oder Italien, hingegen haben an Wert verloren. Andere wackeln. Und selbst das wegen seiner vermeintlich soliden Finanzpolitik und beträchtlicher Währungsreserven hoch gelobte China muss sich plötzlich mit faulen Krediten mancher Kommunen und unseriös agierender Banken herumschlagen.

Gut, dass es für die gut Betuchten feine Uhren als Investment gibt. Von zu viel Barem oder Festgeld auf der Bank wird da und dort abgeraten. Hinzu kommt, dass vielerorts nach wie vor die Boni fliessen, als hätte es die Krise 2008/2009 niemals gegeben. Die Gehälter der Gutverdienenden steigen in nennenswerten Grössenordnungen. Reiche werden damit immer reicher. Die Lust auf tickenden Luxus wächst somit rund um den Erdball.

Schwindelerregendes Wachstum

Nach Russland entdeckt auch das aufstrebende China den Luxus. Indien, Brasilien und andere Schwellenländer werden alsbald nicht mehr hintanstehen wollen. Es scheint, als ob die Sonne über dem chronometrischen Globus nicht mehr untergeht. Vorläufig wenigstens ...

Die Exportstatistik der eidgenössischen Uhrenindustrie lässt diesbezüglich an Klarheit nichts zu wünschen übrig. Von Januar bis September 2011 – noch aktuellere Zahlen kommen Ende dieser Woche – klettert die Ausfuhr mechanischer Uhrwerke von 799148 Exemplaren im Wert von 76,2 Millionen Franken auf 872582 Stück; die Erlöse hierfür liegen bei 85,1 Millionen Franken. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Fertiguhren mit mechanischem Innenleben. Hier liegt das Stückzahlresultat 2011 mit 4,3 Millionen um 910721 Exemplare höher als 2010. Der Umsatz 2011 beträgt in den ersten neun Monaten 9,2 Milliarden Franken gegenüber 7,6 Milliarden im Jahr 2010.

Die deutlich höhere Wertschöpfung gegenüber elektronischen Zeitmessern geht aus dem Gesamtresultat für die Monate Januar bis September hervor. 2011 spülen 21,5 Millionen Fertiguhren (Mechanik und Quarz) 12,6 Milliarden Franken in die Kassen. Im Vorjahreszeitraum verzeichnete die Statistik 18,1 Millionen Uhren im Wert von 10,5 Milliarden Franken.

Tempomacher sind auch 2011 die Asiaten. Die Verkäufe nach Hongkong legen im Vorjahresvergleich um nicht weniger als 28,9 Prozent zu, jene nach China gar um 48,0 Prozent (siehe Kasten). Nicht überraschend hingegen auch die Minuspositionen: Griechenland kauft für 7,2 (48,3) und Portugal für 11,8 Prozent (78,3 Millionen Franken) weniger Schweizer Uhren. Negativ ist neuerdings auch Israel.

Gesamthaft liegen alle Exporte der Uhrenindustrie in den ersten neun Monaten mit 13,46 Milliarden Franken um nicht weniger als 19,5 Prozent über Vorjahr. Das deutet darauf hin, dass Ende Jahr die 17-Milliarden-Franken-Marke übertroffen und ein neuer Export-Umsatzrekord geschrieben werden kann.

Der harte Franken und seine Folgen

Alles paletti also? Nein! Besonders mechanische Uhren werden tendenziell teurer und teurer. Nicht selten übertreffen die Preissteigerungen die Einkommenszuwächse. Die Gefahr ist damit nicht auszuschliessen, dass weltweit Normalverdiener irgendwann passen müssen, denn schon jetzt heisst es, deutlich länger für das Objekt der Begierde sparen. Der starke Franken trägt seinen Teil zu dieser unliebsamen Entwicklung bei. Die Intervention der Schweizerischen Nationalbank (SNB) und ihre Ankündigung, den Wechselkurs zum kriselnden Euro bei 1.20 Franken unter allen Umständen halten zu wollen, bringt zwar eine gewisse Linderung, aber keine finale Lösung des Problems. Hinzu gesellen sich steigende Edelmetallpreise, Löhne und sonstige Kosten. Und nicht vergessen gehen darf, dass die Uhrenindustrie auch intern ein grosses Problem zu bewältigen hat. An allen Ecken und Enden mangelt es an mechanischen Uhrwerken (siehe Kommentar unten).

Insofern erinnert die gegenwärtige Situation an den berühmten Tanz auf dem Vulkan. Mit Blick auf die Entwicklungen in der Uhrenindustrie und die momentan reichlich volatile Situation an den internationalen Finanzmärkten kann man nur hoffen, dass sich am Ende alles weiterhin positiv gestaltet. Die Uhrenindustrie hat 2008/2009 letztmals den unangenehmen Krisengeruch gespürt. Sie braucht ihn nicht schon wieder.

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