Am nächsten Donnerstag beginnt die Baselworld. Die Uhrenmesse ist deutlich kleiner als noch vor einigen Jahren, weil Aussteller auf eine Teilnahme verzichten. Bleiben Sie der Baselworld treu?
Jean-Claude Biver*: Wir glauben an die Zukunft der Messe, und stellen dort weiter aus. Wenn wichtige Partner nicht mehr kämen, würde die Messe an Bedeutung verlieren. So weit sind wir aber nicht. Solange nur kleine Firmen die Messe verlassen, sind die Konsequenzen nicht schlimm. Aber es ist klar, dass die Messe sich neu erfinden und dem 21. Jahrhundert anpassen muss.
Wie sollte sich die Baselworld aus Ihrer Sicht verändern?
Ich will das der Messe überlassen. Die Baselworld könnte beispielsweise die Eintrittspreise senken, um mehr Besucher anzulocken. Eine Tageskarte kostet 60 Franken pro Person, das ist viel Geld für eine Familie.
Letztes Jahr haben Sie an der Baselworld die zweite Generation Ihrer Smartwatch Tag Heuer «Connected» präsentiert. Wann kommt die dritte Generation auf den Markt?
Sie kommt in ungefähr achtzehn Monaten. Wir sind nicht in Eile.
Werden Sie für die neue Smartwatch weiter mit Intel und Google zusammenarbeiten?
Ja, ich sehe im Moment keinen Grund, nicht mit unseren Partnern weiterzumachen.
Ich frage, weil Intel im vergangenen Sommer seine Abteilung für Wearables, die tragbaren Computersysteme, geschlossen hat...
Ich kann dazu nicht Stellung nehmen. Wir arbeiten momentan weiter mit Intel und Google zusammen, aber es kann sein, dass wir später einen neuen Partner finden. Wir haben immer andere Optionen.
Wer eine «Connected» kauft, kann sie zu einem späteren Zeitpunkt für einen Aufpreis in eine mechanische Uhr umwandeln. Ist diese Option beliebt?
Sehr wenige Kunden haben von dieser Option Gebrauch gemacht, maximal 10 Prozent. Es hat mich zuerst überrascht. Ich gehe davon aus, dass die Kunden kein Interesse daran haben, die «Connected» in eine mechanische Uhr umzuwandeln. Die Kunden sind offensichtlich mit der Uhr zufrieden. Im letzten Jahr war sie das meistverkaufte Modell von Tag Heuer.
Sie wollen künftig gebrauchte Uhren im Internet verkaufen. Wann startet dieses Projekt?
Wir wollen ein spezielles Portal für Uhren aus zweiter Hand gründen. Dort sollen unsere Uhren verkauft werden, die bereits getragen worden sind – revidiert und mit einer Garantie versehen. Der Start ist aber noch nicht in diesem Jahr geplant.
Die Uhrenindustrie müsse Junge begeistern, sagen Sie. Ist die heutige Jugend nicht mehr an Uhren interessiert?
Die «Millenials» tragen nicht viele Uhren. Diese Generation hat andere Werte und Gewohnheiten. Wir müssen etwas dagegen tun, um sie für die Uhr zu begeistern. Wichtig ist, dass sie wieder von einer Uhr träumen, und sie dann später kaufen.
Wie versuchen Sie, Junge als Kunden zu gewinnen?
Ich will meine Pläne nicht verraten, wir haben schon Ideen. Wir sollten aber nicht die einzigen sein, die etwas dagegen tun. Die ganze Industrie sollte mitmachen. Unsere Marken Hublot und Tag Heuer sind heute schon sehr beliebt bei den ganz jungen Leuten.
Wegen Markenbotschaftern wie Jay-Z, der für Hublot wirbt?
Wir sind sehr aktiv auf Social Media und sprechen dieselbe Sprache wie die Jungen. Wir haben beispielsweise auch junge Künstler, etwa Rapper, als Partner.
Wer auf Sozialen Medien wirbt und junge Stars engagiert, erreicht Jugendliche?
Ja, dann hat man eine Chance, dass sich Junge für die Marke und unsere Produkte interessieren.
Ist das fehlende Interesse der Jungen die grössere Gefahr für die Industrie als die Apple Watch?
Die Apple Watch kann uns helfen. Es ist immer einfacher, jemanden eine Schweizer Uhr zu verkaufen, der schon eine Uhr trägt.
Dann teilen Sie die Meinung von Swatch-Chef Nick Hayek, wonach die Schweizer Uhrenindustrie von Smartwatches profitiert?
Absolut. Ich habe immer im Spass gesagt: Eigentlich sollten wir Apple einen Franken Kommission für jede Apple Watch zahlen, die sie verkaufen. Natürlich habe ich mit Tag Heuer auch eine Smartwatch lanciert. Das heisst aber nicht, dass Apple etwas Falsches macht.
Hayek entwickelt mit Swatch auch eine Smartwatch, aber ohne externe Partner. Ist dies das richtige Vorgehen? Sie haben sich gegen den Alleingang entschieden.
Bravo, das finde ich richtig. Er macht es richtig für sich, und ich mache es richtig für mich. 2015 war es für mich keine Option, die «Connected» alleine zu entwickeln.
Sie haben eine eigene Forschungsabteilung für Ihre Uhrenmarken aufgebaut. Was bezwecken Sie damit?
Bei unserem LVMH-Forschungsinstitut arbeiten heute etwa 30 Personen. Es sind Forscher – IT-Experten, aber auch Experten aus anderen Feldern. Bester Kunde des Instituts war bis jetzt Zenith. Die Marke hat viel vom Institut profitiert.
Zenith war das Sorgenkind unter den LVMH-Uhrenmarken. Hat die Marke jetzt wieder Erfolg?
Zenith ist jetzt sehr erfolgreich. Die Marke war zu wenig innovativ, und damals noch stark abhängig von China. Jetzt ist Zenith ein Innovator. Die Abhängigkeit von China besteht immer noch, aber dort läuft das Geschäft wieder gut. Und wir sind auch in anderen Ländern gewachsen, der proportionale Anteil Chinas am Umsatz ist gesunken.
Die ganze Schweizer Uhrenindustrie hat unter dem sinkenden Absatz in China gelitten. Nun hat sich der Markt erholt. Könnte China für die Hersteller wieder zum Problem werden?
Das Geschäft in China wird immer mal besser und mal schlechter laufen. China bietet aber weiterhin unglaublich viel Potential für die Schweizer Uhrenindustrie. Das gilt auch für Indien. Indien wird immer unterschätzt, das Land ist Teil der Zukunft.
Könnte Indien für die Schweizer Uhrenindustrie so bedeutend werden wie die USA und China?
In zwanzig Jahren bestimmt. Auch Lateinamerika oder Indonesien haben viel Potential. Iraner lieben Schweizer Uhren ebenfalls. Alle diese Märkte sind schwierig, aber das macht diese Länder auch attraktiv, die Schwierigkeiten können überwunden werden.