Fast hundert Jahre lang galt eines der letzten von Gustav Klimt geschaffenen Werke als verschollen. Nun ist das «Bildnis Fräulein Lieser» wieder aufgetaucht – und kommt am 24. April im Wiener Auktionshaus «im Kinsky» unter den Hammer.
Gemäss dem Auktionshaus befand sich das bedeutende Kunstwerk der Malerikone Klimt viele Jahrzehnte lang in österreichischem Privatbesitz. Das Bild zeigt ein nicht genau zu eruierendes Mitglied der österreichischen Industriedynastie Lieser in einem leuchtend blauen Umhang mit orange-, rosafarbenen und gelben Blumenverzierungen. Nun wollen die Eigentümer das Frauenporträt zu Geld machen. Auf sie wartet eine stolze Summe. Der Wert des «Bildnis Fräulein Lieser» wird auf 30 bis 50 Millionen Euro geschätzt, wobei bei der Versteigerung durchaus ein höherer Wert herausspringen könnte, der in Richtung eines dreistelligen Millionenbetrags geht.
So stellte das Werk «Dame mit Fächer», das wie das «Bildnis Fräulein Lieser» aus dem Jahr 1917 stammt, im letzten Jahr einen neuen Auktionsrekord für ein Klimt-Gemälde auf. An einer Versteigerung des Hauses Sotheby’s in London ging das Porträt für 109 Millionen Dollar weg. 2006 spielte Klimts «Porträt von Adele Bloch-Bauer II» (1912) bei einer Auktion von Christie’s in New York 88 Millionen Dollar ein.
Klimt-Damenporträts geniessen hohe Anerkennung
Dass das wieder aufgetauchte Gemälde einen neuen Rekordpreis aufstellen könnte, dafür sprechen mehrere Komponenten. Klimts Bildnisse von erfolgreichen Frauen aus dem Grossbürgertum der Jahrhundertwende geniessen auf dem internationalen Kunstmarkt höchste Anerkennung. Zudem stellen seine Damenporträts bei Auktionen eine grosse Rarität dar. Nur selten kommen solche Werke unter den Hammer, insbesondere solche mit der Bedeutung, wie sie das «Bildnis Fräulein Lieser» hat.
Nur schon die Wiederentdeckung des Werks gilt als Sensation, zählt es doch zu den schönsten Bildnissen der letzten Schaffensperiode Klimts. «Seit Jahrzehnten konnte der Kunstmarkt in Mitteleuropa kein Gemälde präsentieren, das in Seltenheit, künstlerischem Rang und Wert vergleichbar gewesen wäre», heisst es vonseiten des Auktionshauses aus Wien.
Keine Beweise für Naziraub
Dass es sich um das echte «Bildnis Fräulein Lieser» handelt, nachdem es so lange im Verborgenen geblieben ist, beweist eine 1925 entstandene Fotografie des Werks. Das einzige bisher bekannte Foto des Bildes wird im Archiv der Österreichischen Nationalbibliothek verwahrt. Recherchen legen nahe, dass der Maler sein Gemälde – in geringen Teilen unvollendet – in seinem Atelier zurückliess, als er am 6. Februar 1918 an den Folgen eines Schlaganfalls starb. Das Bild ging nach Klimts Tod an den Auftraggeber oder die Auftraggeberin aus der jüdischen Familie Lieser, die in der Österreichisch-Ungarischen Monarchie zum Kreis der vermögenden, grossbürgerlichen Wiener Gesellschaft gehörte.
Das genaue Schicksal des Bildes nach 1925 ist ungeklärt. Es gibt keine Beweise dafür, dass das Werk unter der Naziherrschaft geraubt oder illegal beschlagnahmt wurde. Klar ist: Das «Bildnis Fräulein Lieser» wurde 1960 rechtmässig von Vorfahren des aktuellen Privatbesitzers erworben.
Bevor das «Bildnis Fräulein Lieser» in knapp drei Monaten in der Sonderauktion versteigert wird, tritt es noch eine Reise um die Welt an: Dank einer Kooperation der LGT Bank bekommt auch das interessierte Schweizer Publikum das Gemälde noch präsentiert. So sind bei der Tour unter anderem Stationen in der Schweiz, in Deutschland, Grossbritannien und Hongkong geplant.
(mth)