Die Bitcoin-Technologie dringt langsam auch in das Stromgeschäft vor. Dort verändert sie die Art und Weise, wie Bezahlvorgänge verwaltet werden - jedes Mal wenn irgendwo ein Licht ein- oder ausgeschaltet wird.

Von Wien bis New York übernehmen Wissenschaftler und Versorger das Cloud-basierte Kontensystem, mit dem Bitcoin-Transaktionen aufgezeichnet werden, als Ersatz für langsamere Verwaltungsvorgänge, die ständig menschliche Eingriffe und viele Tabellenkalkulationen benötigen. Einmal eingerichtet erfasst die Datenbank, die als Blockchain bezeichnet wird, automatisch einzelne Vorgänge innerhalb eines Systems, bereitet sie auf und speichert die Ergebnisse in einer gesicherten Online-Liste, die Jedem mit Zugang überall zur Verfügung steht.

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Flinkes und dezentrales Transaktionssystem

Warum gibt es die Notwendigkeit für Schnelligkeit? Versorger bewegen sich von einem Arrangement weg, bei dem sie sowohl beim Angebot als auch beim Vertrieb ein Monopol innehatten. Heute speisen unabhängige Wind- und Solarwerke die Stromnetze, manchmal in unvorhersehbaren Intervallen. Dafür wird ein Transaktionssystem benötigt, das flinker und dezentral ist. Versorger wie RWE und die finnische Fortum setzen auf Blockchain-Technologie, um genau das zu erreichen.

«Beim Geschäftsmodell sind Veränderungen im Gange. Und sie versuchen herauszufinden, wie sie an dieser neuen Welt des Energievertriebs teilnehmen können», sagt Lawrence Orsini, Gründer des New Yorker Blockchain-Entwicklers LO3 Energy. Das Unternehmen wurde nach eigenen Angaben von 26 Versorgern in der Frage kontaktiert, wie sie die Art und Weise ihrer Transaktionen anpassen können.

In vielen Bereichen bereits Thema

In vielen anderen Branchen ist die Blockchain bereits seit längerem ein Thema, etwa bei Banken. Finanzkonzerne wie JPMorgan, Barclays und Wells Fargo schauen sich derzeit an, wie sie die Technologie im Handel nutzen können. Energie ist nun der nächste Sektor, der am Horizont auftaucht.

«Unsere Hypothese ist: Es wird eine Machine-to-Machine-Economy geben, in der Maschinen untereinander Transaktionen durchführen», sagt Carsten Stöcker, der sich bei RWE um Blockchain-Studien kümmert. «Wir glauben, dass dezentrale Internet-Technologien, zu denen auch die Blockchain zählt, das Transaktionslayer sein werden für diese Machine-to-Machine Economy. Deswegen ist die Blockchain für uns auch interessant.»

«Tausch von einer Ware gegen Geld in Echtzeit »

Ähnlich sieht das auch Juliane Schulze von Vattenfall. «Wenn man das ganz plastisch beschreibt, ist das der Tausch von einer Ware gegen Geld in Echtzeit und zudem eindeutig verifiziert», erklärt sie. «Solche Transaktionen haben wir viele bei uns im Unternehmen - nach aussen mit unseren Kunden und auch intern. Diese können theoretisch in Zukunft alle über eine Blockchain abgebildet werden.»

Das Wiener Startup Grid Singularity arbeitet an einer dezentralen digitalen Plattform, auf der Energie gekauft und verkauft werden kann. Es sei wahrscheinlich, dass seine Blockchain bis zum Ende des Jahres mit Kraftwerken getestet wird, sagt Tobias Federico, der bei der Firma das Markt-Design leitet.

«Es wird sich ein paralleler Markt entwickeln, und langsam wird sich dieser Blockchain-basierte Energiemarkt seine Glaubwürdigkeit erarbeiten», meint Federico. «Dann wird man Schritt für Schritt einen Transfer von der alten Welt zur neuen Welt machen.»

Konkrete Blockchain-Testläufe

Einige Versorger bereiten bereits konkrete Blockchain-Testläufe vor. So will beispielsweise Vattenfall die Technologie auf ihrer Powerpeers-Online-Plattform ausprobieren. Dabei handelt es sich um eine Webseite, auf der Kunden Strom kaufen und verkaufen können, ohne über den Versorger zu gehen, wie Claus Wattendrup, Geschäftsführer von Vattenfall Europe Innovation berichtet.

Orsini von LO3 Energy erwägt Projekte mit Versorgern in Europa, den USA, Australien und Afrika. Er sieht grosses Potenzial. «Energie bietet die grösste Anwendung für Blockchain auf dem Planeten - um ein Vielfaches grösser als Finanzdienstleister", sagt er. «Die Welt wird von Energie angetrieben. Sie wird nicht von Geld angetrieben.»

(bloomberg/ccr)