Nomen est omen: Der Geschäftsbericht des Schaffhauser Technologieunternehmens Phoenix Mecano verrät nicht, wie lange Ulrich Hocker schon im Verwaltungsrat hockt. Die Nachhaltigkeits-Ratingagentur Inrate weiss es: 30 Jahre.

Der Deutsche führt damit die Rangliste der unabhängigen Verwaltungsräte in börsenkotierten Schweizer Unternehmen an. Ob er nach drei Jahrzehnten im Gremium noch unabhängig ist, darf man ruhig fragen. Bei einem Komponentenhersteller mit 700 Millionen Franken Umsatz werden die meisten Aktionäre noch ein Auge zudrücken. Doch je grösser die Firma, desto höher der Druck auf Sesselkleber.

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Verantwortlich sind die institutionellen Anleger aus den USA und Norwegen. Grossinvestoren wie BlackRock, Vanguard, State Street und der norwegische Staatsfonds. Sie sind bei fast allen Schweizer Unternehmen an der Börse investiert und verlangen ein ausgewogenes Board.

Unabhängig bis zwölf Jahre

Dass die Räte jährlich wiedergewählt werden müssen, ist ein Anfang. Aber es reicht nicht. Mindestens die Hälfte muss unabhängig sein. Und zunehmend bekommt dieses Wort eine engere Definition.

So erkennt BlackRock VR-Mitglieder, die länger als zwölf Jahre im Amt sind, nicht mehr als unabhängig an. Zwar fügt der Anlageriese seiner Definition den Ausdruck «in der Regel» bei, doch immer mehr Unabhängige werden von ihm schlicht nicht mehr gewählt. Das könnte auch der Grund sein, weshalb BlackRock an der letzten Adecco-GV Rolf Dörig die Stimme verweigerte. Dörig sitzt bald seit zwölf Jahren im VR des Stellenvermittlers.

Keine konkreten Regeln

Andere Grossinvestoren definieren Unabhängigkeit weniger eng. Man setzt auf Vielfältigkeit und Diversität in den Verwaltungsräten. Insbesondere in den Ausschüssen dürften keine abhängigen VR-Leute sitzen. Man stimme aber nicht automatisch gegen Mitglieder, die eine bestimmte Amtszeit erreichen, heisst es bei Vanguard, State Street und Norske Bank. Die Aktionärsexperten von Inrate empfehlen teilweise, Verwaltungsräte nicht mehr wiederzuwählen, wenn die Unabhängigkeit ungenügend ist. Konkrete Regeln gebe es aber nicht, sagt Christophe Volonté, Head Corporate Governance bei Inrate.

Auch die SMI-Firmen wollen nicht allzu konkret werden. Einige haben freiwillig eine Zwölf-Jahre-Guillotine für VR-Mitglieder eingeführt, darunter die Finanzhäuser CS und Julius Bär. Allerdings mit viel Interpretationsspielraum.

«In der Regel»

Im Geschäftsbericht der CS liest man: «Bei Vorliegen besonderer Umstände kann der VR die maximale Amtszeit für ein bestimmtes VR-Mitglied um höchstens drei weitere Jahre verlängern.» Julius Bär benutzt bei seinen Amtszeitvorgaben zweimal den Ausdruck «in der Regel». Es heisst, Bär-Präsident Daniel Sauter habe für seinen Board-Kollegen Charles Stonehill eine solche «Ausnahme» im Verwaltungsrat durchgebracht.

Etwas schizophren mutet das Verhalten von Swiss-Re-Präsident Walter Kielholz an. Als Präsident der Credit Suisse (2003 bis 2009) führte er eine Amtszeitbeschränkung von 15 Jahren ein. Doch bei der Swiss Re will er das nicht. Dort amtet er seit 20 Jahren im Verwaltungsrat. Sein CS-Nachfolger Urs Rohner senkte später bei der Grossbank die Limite auf zwölf Jahre. Es ist öffentlich dokumentiert, dass er sich strikt daran halten will.