Das gängige Handwerkszeug von Ökonomen sind eigentlich Umfragen, Makro-Daten und Marktbewegungen, um das Auf und Ab der Wirtschaft zu ermitteln. Mit dem technologischen Wandel kommen aber auch sonst eher spröde Wissenschaftler auf kühne Ideen: Immer mehr Aufmerksamkeit als neue Datenquelle für die Konjunkturanalyse bekommen Satellitenbilder aus dem Weltall. Mithilfe der Beobachtung von nächtlichen Lichtquellen wollen Wissenschaftler nachvollziehen, wie stark ein Land wirtschaftet.
Die grobe Idee dahinter: Die Lichtemission zeigt die Aktivität auf dem Gebiet des beobachteten Landes. Und strahlt die nun heller, könnte das Aufschluss auf mehr Wachstum geben. Die Vorteile von Nachtlichtdaten gegenüber herkömmlichen Makro-Zahlen könnten sein, dass sie geografisch präziser und auch mit weniger Zeitverzögerung erhoben werden können. Sie könnten auch als Frühindikator dienen für Regionen, wenn damit etwa Störungen bei Produktionsketten beobachtet würden.
Noch viel Arbeit
Nachtlichtdaten seien weniger anfällig für Messfehler und Statistiken und müssten seltener korrigiert werden, heisst es in einem neuen wissenschaftlichen Papier der Zürcher Konjunkturforschungsstelle (Kof) der ETH Zürich, das der Ökonom Jaqueson K. Galimberti nun veröffentlicht hat. Er untersuchte, wie nützlich Nachtlichtdaten für eine Prognose des jährlichen Wachstums sind und evaluierte dafür Daten aus 172 Ländern von 1993 bis 2014.
Tatsächlich wartet auf die Wissenschaft noch viel Arbeit. Denn wie Galimberti zeigt, kann die Prognose des Bruttoinlandprodukts mithilfe von Nachtlichtern funktionieren. Doch aussagekräftiger ist die Erhebung heute noch mit Blick auf Regionen denn auf ganze Länder. Die Forschung steht noch weitgehend am Anfang.
Hinter die Kulisse blicken
Tatsächlich arbeiten in der Realität bereits einige Unternehmen mit Satellitenbildern zur Bestimmung der Wirtschaftsleistung. So erstellt die kalifornische Firma Spaceknow den China Satellite Manufacturing Index, der ähnlich wie ein Einkaufsmanagerindex mit einer Skala von 0 bis 100 funktioniert. Notierungen unter 50 Punkten deuten auf einen Rückgang der Geschäfte, Werte über 50 signalisieren Wachstum. Der grosse Unterschied jedoch ist die Methodik.
Werden beim gängigen Einkaufsmanagerindex Wirtschaftskräfte befragt, setzt Spaceknow auf 2,2 Milliarden Satellitenbeobachtungen über einen Zeitraum von 14 Jahren. Lokalisiert werden dabei Veränderungen in chinesischen Industrieanlagen, etwa Anbauten oder sichtbare Inventuren. Damit will das Unternehmen mehr Klarheit über die Wirtschaftsleistung Chinas erlangen: Dem Land wird schon lange nachgesagt, Daten zu beschönigen.
Grosse Pläne
Die Branche selbst erwartet bereits einen Boom: Spaceknow sammelte vor wenigen Monaten rund 4 Millionen Dollar bei Investoren ein und will nicht nur in den USA, sondern auch in Europa und im pazifischen Raum wachsen. Angeblich soll sich der Markt für Weltraumbilder, die zur Datenanalyse auf der Erde verwendet werden, bis zum Jahr 2021 auf über 10 Milliarden Dollar mehr als verdreifachen.