Bessere Zutrittskontrollen, weniger Diebstähle und kürzere Warteschlangen vor dem Bierstand. Das Bezahlen ohne Bargeld bringt verschiedene Vorteile für Festival-Organisatoren und Besucher. Für die Veranstalter lohnt sich ein Cashless-System aber auch aus anderen Gründen: Open-Air-Gänger sind konsumfreudiger und nicht alle holen ihr Geld nach dem Festival auch wieder ab.
In der ausgelassenen Stimmung eines Open Airs gibt so mancher Festival-Besucher etwas mehr Geld aus als sonst. Besonders locker sitzt das Portemonnaie, wenn das Geld auf einem kleinen, rechteckigen Chip gespeichert ist und allezeit zum Einsatz bereit um das Handgelenk baumelt.
«Es ist so, dass die Gäste mit dem Cashless-System grosszügiger ihr Geld ausgeben», sagt Catia Tschuor, Sprecherin des Open Airs Lumnezia. Am Festival im Bündner Oberland bezahlen die Besucher dieses Jahr zum ersten Mal ohne Bargeld.
Cashless macht Schule bei Openairs
Ähnlich tönt es auch von anderen Sprechern der Branche: «Gemäss anderen Festivals geben die Leute mehr Geld aus mit einem Cashless-System», sagt etwa Yves Ammann, Sprecher des Open Airs Etziken im Kanton Solothurn, welches ab diesem Jahr ebenfalls auf Bargeld verzichtet. Dies sei aber zu keiner Zeit Ziel der Einführung des Systems gewesen, betonen die Sprecher beider Open Airs.
Immer mehr Schweizer Festivals setzen auf bargeldlose Zahlungssysteme. Zum Beispiel das Summerdays-Festival in Arbon (seit 2014), das Zürich Open Air (seit 2015) oder das Rock Oz'Arènes in Avenches (seit 2016). Am Open Air Frauenfeld wird dieses Jahr noch mit Bargeld bezahlt. In Zukunft wird es aber auch auf Cashless setzen, wie Sprecher Joachim Bodmer sagt.
Das Open Air St.Gallen verzichtet dieses Jahr bereits zum fünften Mal auf Bargeld. Dass die Festival-Besucher so mehr Geld ausgeben, will Sabine Bianchi, Sprecherin des Open Airs St.Gallen, nicht bestätigen: «Unsere Umsätze sind vor allem abhängig von der Anzahl Besucher und vom Wetter», sagt Bianchi.
Ein Prozent bleibt zurück
Mit dem Bändel, der nach dem Festival weggelegt oder entsorgt wird, gerät auch das Restgeld bei einigen Besuchern in Vergessenheit. So auch nach dem Open Air St.Gallen. Zwar haben die Besucher nach dem Open Air jeweils zwei Jahre Zeit, ihr Geld zurückzufordern. Trotzdem bleibe pro Jahr etwa ein Prozent des Geldes zurück, sagt Bianchi.
Für die einzelnen Besucher seien das in der Regel kleine Beträge unter fünf Franken. Wie gross der zurückgebliebene Geldbetrag insgesamt ist, will Bianchi nicht verraten, aber: «Im Schnitt laden die Besucher 80 Franken auf ihren Bändel und das ein bis dreimal.»
Lädt ein Besucher seinen Bändel also zweimal auf, ergäbe das für die jährlich 30'000 Besucher des Open Airs St.Gallen einen Betrag von 4,8 Millionen Franken. Ein Prozent davon entspricht 48'000 Franken, die Besucher jährlich zurückliessen. Nach den letzten vier Jahren wären also rund 190'000 Franken übrig geblieben. Lädt jeder Besucher seinen Bändel dreimal auf, wären es rund 290'000 Franken.
Geld wird ins Cashless-System investiert
Davon können Festivals profitieren. Zwar müsse ein Teil davon aus rechtlichen Gründen für weitere Rückerstattungsforderungen zurückgehalten werden. Der Rest werde aber wieder in das Cashless-System investiert, sagt Bianchi.
Allerdings seien die Kosten für die Installation und den Betrieb dieses Systems bedeutend höher als die ein Prozent, die liegen bleiben würden, relativiert Bianchi: «Für diese Dienstleistung verrechnen wir dem Festivalbesucher nichts, wir tragen sogar die Kredit- und Debitkartengebühren.»
Trotzdem, das Restgeld gehöre den Besuchern und nicht dem Open Air. «Wir fordern unsere Besucher deshalb auch dieses Jahr wieder mehrmals und über verschiedene Wege auf, ihr Geld zurückzuholen», sagt Bianchi.
«Jazz»-Münzen in Montreux bis 2007
Fast 20 Jahre vor anderen Schweizer Festivals hatte das Montreux Jazz Festival sein eigenes Cashless-System. Von 1994 bis 2007 konnten die Festival-Gänger ihr Bargeld gegen sogenannte «Jazz»-Münzen eintauschen und mit diesen bezahlen.
Seither wird am Festival aber wieder mit Bargeld - und dieses Jahr neu auch mit dem Smartphone - bezahlt. «Es ist unvermeidbar, dass Geld von den Besuchern übrig bleibt», sagt Mediensprecher Marc Zendrini. Dieses Geld gehe direkt an die Veranstalter. «Wir verzichten darauf. Das ist fairer für das Publikum», sagt Zendrini.
(sda/ccr)
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