Herr Mauer, in Genf haben Sie eine Kabine mit Rädern vorgestellt namens Sedric – noch Auto oder schon öV?
Michael Mauer*: Hmm ... was auf alle Fälle passiert und hier auch sichtbar wird: Die Grenzen zwischen individuellem und öffentlichem Verkehr verschmelzen, Shared und Owned Mobility nähern sich an. Ich bin zwar überzeugt, dass Besitz weiterhin eine Rolle spielen wird, Sedric ist für uns jedoch eine Keimzelle dieser neuen Mobilität. Dieses Auto kann shared oder owned sein, also auf beiden Seiten funktionieren, ist aber wohl mehr auf der geteilten Seite angesiedelt. Letztlich fangen wir aber erst an, in diese Themen einzusteigen.
Als Porsche-Designchef sind Sie bei Deutschlands emotionalster Marke. Da müssen Mobilitätskonzepte für Sie eher Saure-Gurken-Zeit bedeuten.
Es ist schon etwas anderes, aber das ist der Job eines Designers, mit den gestellten Anforderungen ein attraktives Produkt zu machen. Und mit dem Sedric, glaube ich, konnten wir zeigen, dass diese Fahrzeuge nicht notwendigerweise hässliche Kisten auf Rädern sein müssen. Dass das von unseren heutigen Sehgewohnheiten vollkommen abweicht, ist mir natürlich klar. Aber dieses Auto ist ja auch ein weiter Blick in die Zukunft – das wird nicht heute und nicht morgen auf der Strasse sein.
Wie entwickeln Sie und Ihre Designer Ihr Bild von 2030?
Wir arbeiten in unseren Future Centers intensiv an diesem Thema. Bei einem Vortrag in Paris habe ich mal ein Fahrzeug gezeigt, bei dem der Kindersitz vorne war. Da hagelte es Proteste.
Was antworteten Sie?
Ich musste sagen: Leute, denkt doch mal 20 Jahre weiter! Es wird alles vernetzt sein, theoretisch gibt es überhaupt keine Unfälle mehr, dafür Rückhaltesysteme, Verzögerungssysteme ... Wir denken nicht immer gleich an die Umsetzbarkeit, daraus entstehen vogelwilde Ideen. Dann schauen wir, wie viele davon übrig bleiben.
Sie stellten den Panamera Sport Turismo vor. Eine Art Kombi, der kaum mehr Stauraum als die Limousine hat. Raumgewinn war wohl nicht die Idee.
Porsche wird nie Fahrzeuge vorstellen, die den Anspruch haben, Weltmeister im Raumangebot zu sein. Dennoch ist das Auto viel besser zu beladen als die Limousine, aber vor allem ein Design-Statement; das steht der Marke Porsche gut zu Gesicht. Und der Kunde hat eine Option neben dem «klassischen» Viertürer mehr.
Erinnert Sie das Heck auch
an den Hintern von Kim Kardashian?
Den habe ich jetzt nicht vor Augen.
Gross.
Na ja, ich muss mal schauen. Ich würde eher sagen: attraktiv und sportlich (lacht).
Als Konzern-Chefdesigner wachen Sie auch über die Markendifferenzierung etwa von Audi, VW und Skoda. Wie?
Die Stellenbeschreibung hat sich im Vergleich zu meinem Vorgänger verändert. Bei mir geht es nicht mehr darum, ins operative Geschäft der Marken-Design-Teams einzugreifen.
Wie sieht es jetzt aus?
Mein Job bewegt sich mehr auf der strategischen Ebene: Ich berate unseren CEO Matthias Müller punkto Design, Markendifferenzierung und Positionierung, das macht rund 50 Prozent des Jobs aus. Die anderen 50 Prozent betreffen das Thema von vorhin: weit nach vorne zu schauen in unseren Zukunftslabors, in Zusammenarbeit mit den Digitalisierern – aber ohne den Stress der Serienumsetzung zu haben.
Design und Digitalisierung – wie geht das zusammen?
Ich glaube, dass Designer für den Blick in die Zukunft extrem viel leisten können – und dass wir bisher eher unterschätzt worden sind. Wir sind in den Konzernen eigentlich diejenigen, die am weitesten nach vorne schauen. Apple hat es unter Steve Jobs bewiesen: Ein ganz neues Konzept von Smartphone hat sich durchgesetzt, ausgehend von Design und Bedienung. Insofern bin ich ehrlich begeistert, dass ich mich auf Konzernebene einbringen kann.
*Der 54-Jährige Michael Mauer leitet seit Anfang 2016 das Design aller Marken im VW-Konzern und amtet weiter als Designchef bei Porsche.