Denken Sie an die Anlagerendite, sagt die Finanzberaterin von Stralem & Co. in einem Interview in ihrem New Yorker Apartment, wo sie, umgeben von Gemälden niederländischer Meister, mit ihren Kunden telefoniert. Viele Investoren seien heutzutage besessen von schnellen Gewinnen - dabei sei es besser, mindestens drei Jahre zu warten, besser noch viel länger, bevor man eine Beteiligung in Erwägung ziehe. Doch scheuen Sie sich nicht, Ihre These zu revidieren, sagt sie. Wenn gründliche Recherche für eine Portfolioänderung spricht, seien Sie mutig und nehmen Sie Änderungen vor.

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«Je länger Sie im Geschäft sind, umso pessimistischer werden Sie», sagt Bergman mit sanfter Stimme. Zurzeit halte sie Aktien für zu teuer, merkt sie an. «Ich kann trotzdem bullish werden, weil ich mir, wenn ich eine Aktie anschaue, vorstellen kann, wo sie vor 40 Jahren stand.»

Seltene Einblicke

Als eine der ältesten noch diensttuenden Expertinnen in einer Branche, die von halb so alten Männern dominiert wird, bietet Bergman seltene Einblicke. Sie erinnert sich noch, wie die kleinen Privatunternehmen, gegründet von deutschen Juden im 19. Jahrhundert, das Bild an der Wall Street bestimmten, bevor das Partner-Modell von Börsennotierungen verdrängt wurde und der Ehrenkodex einem immer schärferen Gewinnstreben wich. “Die Art, wie das Geschäft betrieben wird, hat sich verändert”, sagt sie. «Der Wettbewerb ist viel schärfer, das Geschäft viel brutaler geworden.»

Wer Bergman in ihrer Wohnung in Manhattan besucht, bekommt vielleicht einen Wodka angeboten, oder einen Scotch. Man sitzt auf Möbeln, die vor dem Krieg in Europa gefertigt wurden. Die Louis-Quinze-Stühle aber sind tabu.

Vier persönliche Assistenten kümmern sich rund um die Uhr um ihre Wünsche, und wenn sie Research zu bestimmten Wertpapieren braucht, wendet sie sich an Kollegen bei Stralem - auch an Chairman Hirschel Abelson. Bergman hat nie geheiratet und hat keine Kinder, aber sie hat einen Malteserhund namens Fanny.

Mit ihrer Karriere hat sie sich ihren Traum beinahe erfüllt, den sie als Teenager hatte. In einem Aufsatz von damals hatte sie geschrieben, sie wolle ihrem Vater, einem Privatbankier, an die Berliner Börse folgen. Er lasse diese Welt so lebendig erscheinen. Sie wäre die erste Frau auf dieser Position gewesen.

Familie kam 1942 in die USA

Aber die Pläne wurden durchkreuzt, als die Nazis ihre jüdische Familie erst aus Deutschland und dann aus den Niederlanden vertrieben. Die Familie kam 1942 in die USA, und Bergman trat eine Stelle als Sekretärin bei einer Bank an. Fünfzehn Jahre später ging sie zu Hallgarten & Co., einem Mitglied der New York Stock Exchange.

«Frauen waren an der Wall Street nicht sehr beliebt», sagt sie. Sie wechselte zu Loeb Rhoades & Co. und 1973 schließlich zu Stralem, wo sie endlich das Gefühl hatte, dazuzugehören. «Das war die erste Firma, in der ich als gleichwertig behandelt wurde.»

Stralem verwaltet Vermögen von knapp 2 Mrd. Dollar und verfolgt eine Strategie, die sich auf die Identifizierung von «Up-Market»- und «Down-Market»-Aktien konzentriert. Die Firma verwaltet Geld für Institutionen und Privatkunden. Elf davon werden von Bergman betreut. Sie gehört dem Investmentausschuss an.

Hohes Alter wegen guter Gene

Bergman wird im August 100 Jahre alt und geht seit Dezember nicht mehr ins Büro. Ihr hohes Alter führt sie auf gute Gene zurück, nicht auf eine bestimmte Ernährungsweise. Sie sei körperlich fit geblieben, weil sie bis zum Alter von 80 Dressurpferde geritten habe, und im Kopf sei sie klar geblieben, weil sie nicht in Rente gegangen sei. Sie spricht jeden Tag mit Kollegen bei Stralem und mit manchen Kunden jede Woche.

«Sie hat viele Konjunkturzyklen mitgemacht, Aufs und Abs, Rezessionen, Depressionen, und hat ein gutes Gefühl dafür, wohin sich die Dinge entwickeln», sagt George Falk, Arzt in Manhattan. «Sie versteht meine Anforderungen, berücksichtigt meine Interessen und ist nicht in erster Linie daran interessiert, viel Geld mit mir zu verdienen. Ich habe großes Vertrauen zu ihr.» Falk ist 75, und Bergman hat sein Vermögen zu 100 Prozent in US-Staatsanleihen angelegt.

Sicherheit von Geldern hat Priorität

Die Erfahrungen ihrer Familie nach dem Krieg beeinflussen ihre Empfehlungen bis heute. Bergmann brauchte ein ganzes Jahrzehnt, um das Vermögen ihrer Familie zurückzuerhalten, das von amerikanischen und niederländischen Behörden eingefroren worden war. Daher legt sie Wert auf die Sicherheit von Geldern.

Positiv für heutige Investoren sei die Möglichkeit, grosse Aktienpakete schnell zu verkaufen, so Bergman. Früher hätte Stralem Wochen gebraucht, um eine grosse Order auszuführen, heute dauere das nur noch Stunden oder Tage. Zugleich habe das Tempo aber auch ‘«grosse Nachteile», sagt sie. «Es handeln Leute, die das nicht tun sollten, oder sie machen Dinge zu schnell.»

Treue Kunden dank Voraussicht

Ihre Vorsicht habe ihr treue Kunden verschafft, sagt Philippe Labaune, Handelschef bei Stralem. In fast 20 Jahren habe er nie erlebt, dass sie einen Kunden verloren habe. Es seien nur manche Konten geschlossen worden, nachdem ihr Besitzer gestorben war.

«In diesem Geschäft brauchen Sie das Vertrauen Ihrer Kunden», sagt Bergman. «Sie haben Ihre Kunden nicht für drei Wochen, sondern für mindestens drei Jahre. So lange dauert es, um zu wissen, ob Sie einen guten Job machen.»

Bergman erinnert sich an eine Investmentchance, die sie ungenutzt liess: Apple Inc. «Ich habe Apple völlig verpasst», sagt sie. «Apple war einfach zu viel für mich.»

Das nimmt sie zum Anlass für einen weiteren Ratschlag: Treffen Sie ihre eigenen Entscheidungen. «Ich mache immer gerne, was ich wirklich tun will», erklärt sie. «Dann ist es auch mein Fehler. Ich kann keinem anderen die Schuld geben.»

(bloomberg/ccr)