In die Stichwahl um das Präsidentenamt in Frankreich gehen der europafreundliche Ex-Wirtschaftsminister Emmanuel Macron und die Chefin des rechtsextremen Front National, Marine Le Pen.
Die beiden lieferten sich am Sonntag im ersten Wahlgang lange ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Gegen Ende wurde der Vorsprung des Linksliberalen Macron dann deutlicher: Nach endgültigen Angaben des Innenministeriums vom frühen Montag lag Macron mit 23,8 Prozent vorne vor Le Pen, auf die 21,5 Prozent entfielen.
Anstehende Premiere
Damit scheiterten die Kandidaten von Konservativen und Sozialisten, aus deren Reihen in den vergangenen Jahrzehnten alle Staatsoberhäupter stammten. Für die zweite Runde am 7. Mai sagten die noch am Abend veröffentlichten Umfragen dem unabhängigen Macron fast eine Zwei-Drittel-Mehrheit vorher. Macron kündigte an, er wolle das europäische Projekt erneuern und sich rasch eine Mehrheit im Parlament verschaffen.
Beachtenswerte Erfolge konnten aber die Kandidaten vom rechten und linken Rand des politischen Spektrums verbuchen. Etwa vierzig Prozent der Wähler stimmten entweder für Marine Le Pen oder den Altlinken Jean-Luc Mélenchon. Und das bei einer hohen Wahlbeteiligung von um die 80 Prozent.
Vier Gründe, die sowohl der Front-National-Chefin als auch dem linken Volkstribun Stimmen brachten:
Brüssel ist schuld
Für die EU-Feindin Le Pen ist die Sache klar. Neben der «massiven Einwanderung» sind auch die «Technokraten» aus Brüssel schuld an Frankreichs Problemen. Nur ein wenig freundlicher schaut Mélenchon auf Brüssel. Er stört sich an den Sparvorgaben und wollte deshalb die europäischen Verträge neu verhandeln. Und wie anderswo in Europa widerstehen auch Politiker etablierter Parteien nicht immer der Versuchung, unangenehme Entwicklungen der Einfachheit halber der EU anzulasten.
Schwächelnde Wirtschaft
Die hohe Arbeitslosenquote von 10 Prozent ist eines der grössten Probleme Frankreichs. Bei jungen Leuten liegt die Quote sogar bei 23,6 Prozent. Die Konjunktur schwächelt. Soziale Ungleichheit treibt vor allem Mélenchons Anhänger und die Unterstützer des abgeschlagenen Sozialisten Benoît Hamon um.
Mitte enttäuscht
Sozialisten und Konservative, die sich bislang im Élyséepalast die Klinke in die Hand gaben, wurden von den Wählern abgestraft wie nie zuvor. Beide sind in der Stichwahl nicht dabei. Das dürfte auch als Rechnung für den als schwach geltenden, scheidenden Präsidenten François Hollande zu verstehen sein. Verachtung für den selbsterklärten konservativen Saubermann François Fillon, der dann aber teure Anzüge annahm und seine Frau scheinbeschäftigt haben soll, dürfte auch eine Rolle gespielt haben.
Wut über Eliten
Le Pens scharfe Attacken auf «die Kaste» fallen in Frankreich vielleicht auch deshalb auf fruchtbaren Boden, weil das System der Elitehochschulen lebenslange Seilschaften fördert. Zahlreiche Politik- und Wirtschaftsführer kommen etwa von der Verwaltungshochschule ENA – bis hin zu Staatschef Hollande.
(sda/reuters/jfr)