Der alte, schwarze Strassenkreuzer steht kurz vor der Ausmusterung. Nur noch selten fährt Wladimir Putin in seiner 6,33 Meter langen und 3,5 Tonnen schweren Staatskarosse ZIL vor. Es scheint so, als wäre ihm das Relikt aus russischer Automobilproduktion der 70er-Jahre etwas peinlich. Schliesslich ist der klobige Achtzylinder mit 7,7 Liter Hubraum und nur 315 PS angesichts des Gewichts reichlich untermotorisiert und noch mit einem Vergaser ausgestattet.
Auch sind die Verbrauchswerte von 50 Liter Benzin pro 100 Kilometer und mehr wenig zeitgemäss. Meistens wird Putin deshalb in einer importierten S-Klasse von Mercedes zu Terminen und Empfängen chauffiert, einer mit Panzerstahl und schusssicherem Glas ausgerüsteten, gestreckten Limousine des Typs 600 Guard zum Stückpreis von 1,5 Millionen Euro.
Putin als Mercedes-Fahrer
Und manchmal setzt sich der sendungsbewusste Präsident wie bei der Inspektion der olympischen Anlagen in Sotschi im vergangenen Jahr schon mal selbst hinters Steuer seiner S-Klasse.
Doch als strammer Patriot will er auch gern demonstrieren, was die heimische Automobilindustrie zu bieten hat. Vor Jahresfrist liess der Kreml einen Wettbewerb für das Design einer neuen Staatslimousine russischer Provenienz ausschreiben, jetzt wurden die technischen Rahmenbedingungen für das Fahrzeug vorgestellt.
Schon mit Harley-Davidson erfolgreich
Demnach wird das Auto für den Präsidenten von den Herstellern Kamaz, GAZ und ZIL in Kooperation gefertigt. Das Know-how aber steuern Schwaben bei. Die Porsche Engineering Group (PEG), eine Tochter der Porsche AG, wird das prestigeträchtige Projekt «Kortesch», was so viel bedeutet wie Limousinen-Kolonne, leiten und koordinieren.
Die Zusammenarbeit mit dem renommierten Sportwagenbauer kündigte Denis Manturow, der russische Handels- und Industrieminister, auf einer Pressekonferenz an. Erste Arbeitstreffen der künftigen Partner im russischen Automobilwerk in Uljanowsk, knapp 1000 Kilometer östlich von Moskau gelegen, haben bereits stattgefunden.
Brisante Starthilfe
Dass ausgerechnet eine deutsche Traditionsmarke Putin bei dessen patriotischer Automission Starthilfe gibt, ist brisant geworden. Vor dem Hintergrund eines drohenden Wirtschaftsembargos infolge der Krise in der Ukraine ist das Engagement auch gefährdet. Der Porsche AG scheint das Geschäft ihrer GmbH eher unangenehm zu sein.
Ein Sprecher sagte mit Verweis auf Geheimhaltungsklauseln der Gesellschaft: «Wir können das nicht kommentieren.» Die PEG mit Sitz im schwäbischen Weissach und Bietigheim entwickelt neue Sportwagen wie den Porsche 911 und 911 Turbo. Sie arbeitet aber als Ingenieursdienstleister auch für andere Automobilhersteller wie zum Beispiel Opel, Mercedes und die chinesische Marke Brilliance. Vor Jahren brachte PEG die Motoren des angeschlagenen Motorradherstellers Harley-Davidson auf Vordermann und ist seither an der Traditionsmarke beteiligt.
Keine Expertise vorhanden
Mit dem Label «Made in Russland, engineered in Deutschland» könnte nun Putins Limousine versehen werden. Schon beim Design hatte sich der Regierungschef jede Reminiszenz an die Staatskarossen aus der Sowjetära verbeten. Er wolle sich «in jeder Hinsicht» an westlichen Standards orientieren, schrieb das Wirtschaftsblatt «Kommersant» und berief sich auf Kreml-Kreise.
Es war ja auch ein Jammer. Da rollten Jahr für Jahr am 9. Mai, dem Tag des Sieges im Zweiten Weltkrieg, hochmoderne Raketen über den Roten Platz, nur die Karossen, mit denen die Militärparade abgenommen wurde, waren aus der Zeit gefallen (vergangene Woche salutierte Putin seiner Krimflotte auf einem Boot, was ja auch bezeichnend ist).
Der russische Autoexperte Grigori Gomeltschuk vom Fachportal cardesign.ru spricht den russischen Konstrukteuren jede Fähigkeit ab, Premiumfahrzeuge zu bauen. «Sie sind spezialisiert auf Lastwagen und anderes schweres Gefährt.»
Produktionsstart 2016
Da kommt deutsche Ingenieurskunst gerade recht. Die Zusammenarbeit mit dem Porsche-Ableger sieht vor, dass neben einer standesgemässen Präsidentenlimousine eine Reihe von Kompaktwagen, Familienautos, aber auch Luxuslimousinen, Mini-Vans und SUVs aufgelegt werden sollen. Erste Entwürfe sollen Ende des Jahres vorliegen und 2015 Prototypen vorgestellt werden.
Mit der Produktion wird 2016 begonnen. Etwa fünf Prozent der produzierten Fahrzeuge sollen Spezialfahrzeuge sein und den Spitzenbeamten vorbehalten sein, sagte Putins Getreuer Manturow. Für das prestigeträchtige Projekt wird der Staat 250 Millionen Euro investieren.
Auch das Kortesch-Logo gibt es schon, es ist der russische Doppel-Adler aus dem Staatswappen, der prominent in der Mitte des Steuers seine Schwingen ausbreitet; ein krasser Gegensatz zum scheuenden Pferd im Porsche-Emblem.
Dieser Artikel ist zunächst in unserer Schwester-Publikation «Die Welt» erschienen.