US-Präsident Donald Trump hat sich nach dem Geheimdienst nun auch noch mit der unabhängigen Notenbank angelegt. Er hat die Zinserhöhungen der US-Notenbank Federal Reserve kritisiert. «Ich bin nicht begeistert», sagte er dem Fernsehsender CNBC in einem Interview am Donnerstag. Nach jeder Erhöhung wollten die Währungshüter die Zinsen weiter anheben. «Darüber bin ich nicht glücklich», erklärte Trump. «Aber gleichzeitig lasse ich sie machen, was sie für das Beste halten.»
Trumps Aussage sorgte an den Märkten gleich für Reaktionen. Während der Dollarkurs einbrach, sprang der Goldkurs deutlich nach oben. Der Euro legte um fast einen Cent auf 1,1680 Dollar zu.
Die Aussicht auf weiter steigende Zinsen hatte zuletzt den Dollar deutlich nach oben getrieben. Und das wiederum hatte den Goldpreis gedrückt.
Trump will US-Industrie Wettbewerbsvorteile verschaffen
«Es ist nicht das erste Mal, dass sich die Trump-Administration von der Politik des starken Dollar abwendet», sagte Todd Elmer, Währungsstratege der Citi. Bislang habe das Runterreden des Dollar noch nicht wirklich nachhaltig funktioniert.
Tatsächlich versucht der US-Präsident derzeit alles, um der heimischen Industrie auf den Weltmärkten Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Ein billigerer Dollar würde dabei auch helfen, weil dann die amerikanischen Produkte in Europa, Asien oder anderswo billiger wären. Doch die amerikanische Notenbank hat zumindest Trumps Währungsstrategie durchkreuzt.
Die Fed hat dieses Jahr ihre Leitzinsen angesichts des anhaltenden Aufschwungs bereits zwei Mal erhöht – auf die aktuell gültige Spanne von 1,75 bis 2,0 Prozent. Zudem stellte die Notenbank zwei weitere Schritte nach oben für das zweite Halbjahr in Aussicht. Da beispielsweise die Europäische Zentralbank (EZB) frühestens im kommenden Sommer ihre Zinsen anzuheben gedenkt und die japanischen Währungshüter wohl auf absehbare Zeit an ihren Negativzinsen festhalten, bleibt der Dollar unter permanentem Aufwertungsdruck.
Der Leitzins wird von den zuständigen Zentralbanken eines Landes bzw. einer Währungsunion festgelegt und bestimmt die Konditionen, zu denen sich die Geschäftsbanken kurzfristig Geld von ihren Noten- und Zentralbanken beschaffen können.
Leitzinsen stellen das zentrale geldpolitische Instrumentarium dar, denn sie beeinflussen massgeblich die Zinsverhältnisse am Geldmarkt und darüber auch die allgemeine Zinsentwicklung. Mit der Festsetzung verfolgen die Währungshüter das Ziel, Preisstabilität zu gewährleisten und die Inflationsrate möglichst nah an zwei Prozent zu halten.
Die Preise und die Entwicklung der Konjunktur in einem Währungsraum werden von der Höhe der Leitzinsen beeinflusst. Ein niedriger Leitzinssatz bedeutet, dass die Zinsen für Kredite niedriger sind, es sich also eher lohnt einen Kredit aufzunehmen, weil das Geld billig ist. Im Gegenzug müssen die Sparer mit einer niedrigen Guthabenverzinsung rechnen.
Eine Anhebung der Leitzinsen verschiebt in der Tendenz das gesamte Zinsniveau nach oben. Dies wiederum dämpft die Nachfrage der Wirtschaft nach Krediten und damit ganz allgemein die wirtschaftliche Aktivität. Über solch eine «restriktive Geldpolitik» kann die Zentralbank einem inflationären Anstieg des Preisniveaus entgegenwirken.
Unabhängigkeit der US-Zentralbank ist ein Grundprinzip
Das scheint Trump derart frustriert zu haben, dass er nun ein weiteres ungeschriebenes Gesetz überschritten hat. Das sich nämlich kein amerikanischer Präsident in die Politik der unabhängigen Notenbank einmischt. Die politische Unabhängigkeit der US-Zentralbank vor politischer Einflussnahme ist ein Grundprinzip. Trump gab deshalb wohl auch zu, sein Kommentar sei ungewöhnlich – aber das kümmere ihn nicht. Er sage genau das, was er auch als normaler Bürger sagen würde.
«Es gefällt mir nicht, dass wir all die Arbeit in die Wirtschaft stecken und dann sehen, wie die Zinsen steigen.» Er sei besorgt, dass der Zeitpunkt schlecht gewählt sei und die USA jetzt im Nachteil seien, weil die EZB und die Bank von Japan weiter an ihrer Politik niedriger Leitzinsen festhielten. Tiefe Zinssätze können etwa für günstigere Kredite von Geschäftsbanken sorgen und so über leichtere Investitionen die Wirtschaft ankurbeln.
«US-Präsident Donald Trump respektiert die Unabhängigkeit der Fed»
Das Weisse Haus sah sich gezwungen ein eigenes Statement herauszugeben, um Teile des Interview wieder einzufangen. «US-Präsident Donald Trump respektiert die Unabhängigkeit der Fed», so das Statement. Trump würde keineswegs versuchen, in die Fed-Entscheidungen einzugreifen. «Die Ansichten des Präsidenten zu Zinsen sind bekannt und sein heutiger Kommentar war lediglich eine Wiederholung seiner Überzeugungen.»
Nach dem Statement gewann der Dollar wieder leicht an Wert, fand jedoch nicht zu alter Stärke zurück. Nach Ansicht von Experten hat die US-Devise einen gewissen Vertrauensschaden erlitten.
Offene Attacken erinnern eher an Entwicklungsstaaten
Der aktuelle Fed-Chef Jerome Powell ist von Trump in diesem Jahr nominiert worden. Seine Amtszeit läuft noch bis 2022. Möglicherweise erwartet sich Trump nun von Powell eine Gegenleistung. Das würde zumindest seinem Naturell des Immobilien-Moguls entsprechen, bei dem eine Hand die andere wäscht.
In den Industriestaaten geniessen die Notenbanken eine Unabhängigkeit. Solche offenen Attacken erinnern eher an Entwicklungsstaaten mit einem weniger stark ausgeprägten Rechtsbewusstsein. So hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan seine Notenbank offen wegen zu hoher Zinsen kritisiert.
Auch der ehemalige US-Finanzminister und Weltbank-Cehfökonom Lawrence Summers kritisierte Trump für dessen Aussagen. Auf Twitter schrieb er, dass Trumps Attacke ein weiterer Schritt in Richtung «Bananenrepublik» sei.
Zinserhöhungen stossen auch bei Bankern nicht nur auf Gegenliebe
Am Mittwoch erklärte die Fed in ihrem Konjunkturbericht «Beige Book», dass in den US-Unternehmen die Sorge vor negativen Folgen von Trumps Zollpolitik wächst.
Die Zinserhöhungen stossen auch bei Bankern nicht nur auf Gegenliebe. Ein führender US-Notenbanker sprach sich jüngst für eine Pause beim Zinserhöhungskurs aus. Grund sei die Verringerung der Differenz zwischen den Renditen langfristiger und kurzfristiger Staatsanleihen auf etwas mehr als das Äquivalent einer Zinserhöhung von 25 Basispunkten, erklärte der Chef des Fed-Ablegers von Minneapolis, Neel Kashkari, am Montag in einem Blogbeitrag.
Dies deutet darauf hin, dass es wenig Grund gebe, die Zinsen viel weiter anzuheben, die Zinsstrukturkurve umzukehren, die Wirtschaft zu bremsen und zu riskieren, dass es zu einer Rezession komme. «Wenn die Inflationserwartungen oder die realen Wachstumsaussichten steigen, kann die Fed die Zinsen immer noch erhöhen.»
Kashkari mit seiner Meinung weitgehend allein
Der Abstand zwischen den Renditen der zehnjährigen und zweijährigen US-Staatsanleihen fiel am Montag auf ein neues Elf-Jahres-Tief. Eine Zinsstrukturkurve kehrt sich um, wenn die Renditen für kurzfristige Staatsanleihen die Renditen für Langläufer übersteigen.
Untersuchungen zeigen, dass eine Rezession fast immer auf solche Inversionen folgt – jedoch ist der genaue Zeitpunkt unklar. Kashkari steht mit seiner Sicht eines Warnsignals in der abflachenden Zinsstrukturkurve in der Federal Reserve allerdings weitgehend allein. Die meisten seiner Kollegen verweisen darauf, dass der Markt mit Kurzläufern derzeit kein besonders erhöhtes Rezessionsrisiko aufweist. Sie warnen stattdessen vor einem grösseren Risiko, die Zinsen so langsam anzuheben, dass die Inflation ausser Kontrolle gerate.
Die Fed hat die Zinsen in diesem Jahr bereits zweimal angehoben und im vergangenen Monat zwei weitere Schritte nach oben signalisiert.
Dieser Artikel erschien zuerst bei der «Welt» unter dem Titel «Schon wieder bricht Trump ein ungeschriebenes Gesetz».