Der amerikanische Traum vom Tellerwäscher zum Millionär hat, so scheint es fast, einen Hamburger Namen. Klaus-Michael Kühne war 26 Jahre alt, als er 1963 Gesellschafter und Teilhaber der Spedition Kühne + Nagel wurde, drei Jahre später war er bereits Vorstandsvorsitzender. Als Erfahrung brachte er damals lediglich eine zweijährige Ausbildung als Bank- und Aussenhandelskaufmann in einem Hamburger Bankhaus ein sowie ein bisschen Berufspraxis bei befreundeten Speditionen, Reedereien und Schiffsmaklern.
Heute ist Kühne + Nagel ein international führender Logistik-Konzern, der in mehr als 100 Ländern an über 200 Unternehmen direkt oder indirekt beteiligt ist und nahezu 79'000 Mitarbeiter beschäftigt. Kühnes Vermögen, das weitgehend in Firmeneigentum gebunden ist, schätzt BILANZ auf 11,5 Milliarden Franken. In der Schweiz rangiert er auf Platz 11 der 300 reichsten Schweizer, und auf der internationalen Forbes-Liste wird er auf Platz 93 geführt.
Der schwerreiche Unternehmer (81) sitzt in der Bibliothek seines neuen Luxushotels «The Fontenay» an der Hamburger Aussenalster und plaudert entspannt über sein Leben, das ganz von seinem Unternehmen bestimmt wurde. «Ich bin da hinein gewachsen», sagt er, «es hat mich von Anfang an fasziniert und gepackt. Und am Ende habe ich ziemlich viel erreicht, ja».
Kühne wirkt mit sich im Reinen, auch wenn es um sein Image in der Öffentlichkeit und sein liebstes Hobby geht – den HSV. Für den hochverschuldeten Fussballklub schlägt sein Fan-Herz, als Anteilseigner sorgt er immer wieder für Schlagzeilen, wenn er die desolate sportliche und finanzielle Entwicklung kommentiert.
Wann haben Sie eigentlich beschlossen, Grossunternehmer und irgendwann mal Milliardär zu werden?
Klaus-Michael Kühne: Das letztere kann man natürlich nicht beschliessen (lacht). Mein Lebensweg war vorgezeichnet. Ich bin eben sehr durch das Elternhaus geprägt. Mein Grossvater hat die Firma gegründet, mein Vater hat sie fast 60 Jahre lang geleitet. Er wollte, dass ich rechtzeitig in seine Fussstapfen trete, das habe ich dann gemacht und ziemlich schnell Blut geleckt, mich mit dem Beruf und dem Unternehmen Identifiziert. Ich war sehr von meinem Vater geprägt hatte immer den Ehrgeiz, alles noch weiter zu entwickeln.
Sind Sie das Paradebeispiel dafür, alles erreichen zu können, wenn man nur will?
Das würde ich nicht sagen. Denn es war ja ein Unternehmen da, das damals schon fast 75 Jahre alte war und eine gute Plattform darstellte. Die Spedition war ein gesundes Geschäft, vielleicht nicht so spektakulär wie heute, wo die Logistik den Welthandel nicht nur unterstützt, sondern treibt und zum Teil erst ermöglicht. Aber ich kam in ein gefestigtes Unternehmen. Es gab auch Rückschläge und auch Kampf, aber ich habe mich durchsetzen können.
Wäre so eine Erfolgsgeschichte heutzutage noch denkbar?
Undenkbar ist sie sicher nicht, aber es ist gewiss nicht der übliche Weg, Ich war ja auch sehr einseitig fokussiert, hatte lange keine Familie, habe alles auf die Arbeit und auf das Unternehmen konzentriert. bin ständig durch die Welt gereist, habe die ganze Auslandsorganisation entwickelt, das war harte Arbeit. Aber sie hat mich immer fasziniert, deshalb habe ich das gar nicht so als Last empfunden. Vielleicht habe ich das von meinem Vater übernommen, für den das Unternehmen immer an erster Stelle stand, gleichwertig mit der Familie. Allerdings hatte er eine Familie, im Gegensatz zu mir.
Haben Sie mal bedauert, dass sie nicht studiert haben und sei es, um sich von den Eltern zu emanzipieren?
Revolutionäre Gedanken hatte ich nie. Natürlich habe ich darüber nachgedacht, aber das hätte viele Jahre in Anspruch genommen. Da stand der Wunsch meines Vaters im Vordergrund, dass ich das Unternehmen übernehme. Er war immer recht krank, obwohl er sehr alt geworden ist. Dadurch fühlte ich mich verpflichtet. Aus heutiger Sicht wäre ein betriebswirtschaftliches Studium wichtig, deswegen habe ich am Anfang natürlich auch Fehler gemacht. Aber ich habe aus Fehlern immer gelernt. Inzwischen fühle ich mich aufgrund meiner Erfahrung längst wie jemand, der studiert hat.
Wissen Sie eigentlich, wie gross Ihr Vermögen genau ist?
Das kann ich aus dem Aktienkurs von Kühne + Nagel ableiten, der geht rauf und runter, hat sich aber sehr gut entwickelt, dadurch ist das Vermögen in der Tat sehr gross. Aber das steht auf dem Papier. Und ich will keine Aktien verkaufen, insofern ist das für mich kein Geld im eigentlichen Sinne. Das Unternehmen soll in einer Hand gehalten oder zumindest durch einen Mehrheitsaktionär bestimmt werden, um es zusammenzuhalten. Das ist für mich ein etwas anderer Wert.
Wenn man so vermögend ist wie ich, leistet man sich den einen oder anderen Luxus. Auf der anderen Seite bin ich sehr sparsam.
Klaus-Michael Kühne
Was bedeutet Geld für Sie?
Geld ist natürlich wichtig. Wenn man es aufs Unternehmen bezieht ist Betriebskapital erforderlich, man muss flüssig sein und im richtigen Moment investieren können, man muss Engpässe und hohe Schulden vermeiden oder wenn man sie hat, sich gut absichern...
Und im privaten Bereich?
Wenn man so vermögend ist wie ich, leistet man sich den einen oder anderen Luxus. Auf der anderen Seite bin ich sehr sparsam, überlege mir alle Ausgaben sehr genau und versuche das immer auszubalancieren. Ich habe natürlich einige Privathäuser, ich habe auch eine Motorjacht, da hat man Freude dran. Aber man soll es nicht übertreiben und nicht allzu unbescheiden sein.
Bereits 1969 wurde der Firmensitz in die Schweiz verlegt, aus Angst vor dem deutschen Arbeits- und Mitbestimmungsrecht oder war es mehr eine Flucht vor hohen Steuern?
Es war in erster Linie wegen der politischen Situation in Deutschland. Mein Vater war immer sehr konservativ, aber er war auch sehr ängstlich. Als die Ära Willy Brandt begann meinte er, die besten Zeiten für Unternehmer und für Deutschland seien vorbei. Die Sozialbelastungen wären sehr hoch, und die Mitbestimmung mochte er gar nicht. Und dann hatte die Schweiz natürlich auch ihre steuerlichen Vorteile. Aber die waren für uns eher sekundär. Mein Vater war überzeugt, aus der Schweiz raus könnte man freier wirtschaften. Ausserdem liebte er das Land, er hat dort früh seinen Altersruhesitz genommen.
Sie lieben Hamburg, haben aber trotzdem 1975 auch Ihren Wohnsitz in die Schweiz verlegt, warum?
Es war die Idee, die Holding als zentrale Schaltstelle für die Verbreitung des Unternehmens über die ganze Welt, an einer neutralen Stelle anzusiedeln und noch dazu im Herzen Europas. Da war ich als Vorsitzender der Geschäftsleitung praktisch verpflichtet, meine Tätigkeit dort auszuüben. Das fiel mir aber auch nicht schwer, denn damals war in Hamburg noch nicht so viel los.
Ärgert es Sie eigentlich, immer wieder den Vorwurf des Steuerflüchtlings zu hören?
Natürlich hört man das nicht gern. Damals war das anders. Heute sieht man es so, dass wer auch immer in die Schweiz gegangen ist, Steuervorteile wahrgenommen hat. Dabei haben das ja viele Unternehmen gemacht. Wen man da alles trifft, da ist man manchmal selbst erstaunt. Natürlich war das damals ein Steuer-Ventil. Und das ist auch ein Grund, warum ich in Hamburg so viel unterstütze, ich möchte auch was zurückgeben. Denn ich fühle mich als Deutscher, ich bin Hamburg ganz besonders verbunden, ich bin zwar in der Schweiz zuhause, aber nicht in meinem Heimatland.
Sie wohnen in der Schweiz und pendeln zwischen Mallorca und Hamburg, was bedeutet Heimat für Sie?
Zuhause bin ich hier natürlich nicht, aber ich fühle mich hier wohl, ich bin an vielen Dingen, die in Hamburg passieren, interessiert und mit ihnen eng verbunden, ob es die Kultur ist, der Hafen, die Wirtschaft oder der Fussball. Das ist meine Interpretation von Heimat.
Wie gefällt Ihnen die Entwicklung der Stadt?
Sehr gut, insbesondere in den letzten 20 Jahren hat sich Hamburg stark modernisiert. Die Hafen City ist eine tolle Sache, wir waren die Zweiten, die dort investiert haben. Viele hatten uns gewarnt, das wird nie was. Dann ist alles gewachsen und sehr schön geworden. Die Elbphilharmonie ist eine tolle Sache, ich war von Anfang an als Förderer dabei. Und auch das Kulturleben fasziniert uns, vor allem Musik, auch schon vorher mit der Staatsoper oder der Laeiszhalle. Wir gehen auch zu Festspielen in Europa, aber Hamburg hat was zu bieten. Man kann Hamburg heute ernst nehmen, auch durch die Elbphilharmonie, die hat Hamburg auf der Kulturlandkarte der Welt bekannt gemacht.
Wie sehr belastet Sie die Debatte über die historische Rolle der Spedition Kühne + Nagel während der NS-Zeit?
Wenn man sich nach dem Krieg damit befasst hätte, in den fünfziger sechziger Jahren, hätte ich dafür Verständnis gehabt, aber nachdem so viel Zeit vergangen war, fand ich es überraschend, dass dieses Thema wieder auf den Tisch kam. Andererseits kann man die Dinge nicht ungeschehen machen. Wir müssen uns dazu bekennen. Es hat in der Kriegszeit leider Transporte von Gütern aus jüdischer Eigentümer gegeben, davon können wir uns nicht lossagen.
Ich bin ein rastloser Typ, einer, dem es sonst langweilig wird. Ich will gestalten.
Klaus-Michael Kühne
Warum sind Sie nicht einfach in die Offensive gegangen und haben die Firmenarchive zur Aufarbeitung der Firmengeschichte geöffnet?
Tatsache ist, die uns keiner so richtig glauben will, dass unsere Archive in Bremen und Hamburg, und das waren damals unsere massgeblichen Häuser, beide völlig zerstört worden sind. Wir hatten selbst so gut wie keine Unterlagen aus der NS-Historie, gar keine Unterlagen kann man sagen. Es gab wohl in Staatsarchiven etwas, und daher kam ja auch das Wissen, dass dann an uns herangetragen wurde. Wir konnten es gar nicht von uns aus publizieren. Das wurde dann so verzerrt dargestellt, als wenn wir gemauert hätten und uns der Sache nicht stellen wollten. Das war sehr unerfreulich.
Sie sind inzwischen 81 und immer noch auf Jagd nach neuen Ideen und Herausforderungen, wie zuletzt beim Bau des Hotels «Fontenay» an der Hamburger Außenalster. Was treibt Sie an?
Ich liebe die Bewegung und die Herausforderung, mich mit neuen Dingen zu beschäftigen. Ich bin ein rastloser Typ, einer, dem es sonst langweilig wird. Ich will gestalten. Ich habe mir allerdings nicht vorstellen können, dass zuletzt die beiden Hotelbauten auf Mallorca und in Hamburg solche Dimensionen und auch solche Komplexitäten annehmen würden. Ich habe auch gelernt, und meine Frau predigt mir das jeden Tag, nicht immer wieder neue Sachen anzufangen und ein bisschen kürzer zu treten.
Beschäftigt Sie das Thema Tod?
(Lange Pause) Naja, nicht so, dass ich das Thema ständig vor Augen habe und darüber grübele. Aber natürlich beschäftigt man sich damit und je älter man wird sagt man sich, da kann auch schnell mal etwas passieren, deshalb muss man sein Haus bestellen. Andererseits fühle ich mich noch sehr fit und beschäftige mich mit so vielen Dingen. Es ist eher ein nachrangiges Thema.
In der öffentlichen Debatte über neue Hamburger Ehrenbürger fällt immer wieder auch Ihr Name. Ehrt Sie das?
An der Diskussion bin ich nun völlig unbeteiligt, ich bin da sehr uneitel. Das ist sicher eine tolle Sache, aber dafür müsste man in Hamburg leben, die Voraussetzungen erfülle ich nicht, deshalb kann ich gar kein ernsthafter Kandidat sein in meinen Augen. Es sei denn, ich würde eines Tages meinen Wohnsitz zurückverlegen, was nicht meine Absicht ist, aber man soll nie «nie» sagen. Dann könnte es vielleicht passen, nach all dem was ich für Hamburg getan habe. Aber ich würde nie aus solchen Überlegungen heraus handeln.
Sind Ihre Spenden und Finanzhilfen über die Kühne-Stiftung auch Ausdruck schlechten Gewissens?
Keinesfalls. Entstanden ist die Stiftung aus der Überlegung, dass wenn ich keine natürlichen Erben hinterlasse, sie als Auffangbecken für die Firmenanteile dienen soll. Etwa zehn Jahre nach ihrer Gründung beschloss ich, die Stiftung zu meinen Lebzeiten zu entwickeln und den philanthropischen Zielsetzungen zu entsprechen. Für meinen Vater stand immer die Aus- und Weiterbildung von jungen Menschen im Mittelpunkt. Er hat sich viel damit beschäftigt, Nachwuchskräfte auszubilden und heranzuführen. Das ist meines Erachtens eines der grössten Erfolgsrezepte von Kühne + Nagel....
Und der Ausganspunkt für die Errichtung einer eigenen Logistik-Hochschule?
Wir haben zunächst Logistikstudien gefördert, Forschungs- und Bildungsprojekte zur Logistik in Kooperation mit wissenschaftlichen Partnern. Die Idee einer eigenen Universität war dann eine logische Entwicklung. Wir sind sehr stolz auf unsere Kühne Logistic University in der Hafen City, sie ist praktisch ein Unikat, eine Logistik Hochschule in dieser reinen Form gibt nirgendwo anders. Privat-Unis finanzieren sich nicht selbst. Sie muss ständig von der Stiftung alimentiert werden. Aber es ist eine große Herausforderung, eine Elite mit internationaler Ausrichtung für die ganze Branche heranzubilden.
In der Medizin kümmert sich Ihre Stiftung um Allergien, Forschung und Erziehung, wie kommt es zu dieser zumindest ungewöhnlichen Kombination?
Durch meine Frau, die in ihrer Familie Fälle von Neurodermitis hat. Die Erforschung und Behandlung von Allergiekrankheiten werden allgemein nicht so stark gefördert wie zum Beispiel Herz- und Kreislauferkrankungen oder Krebs. Wir haben mit einer Beratungsstelle in einem Kinderspital in Zürich begonnen, daraus ist ein Allergie-Campus in Davos entstanden, in der schönen Höhenluft. Auf dem Campus sind Forschung, Therapie sowie die Aufklärung von Hausärzten und Patienten angesiedelt.
Natürlich kann man sagen, da ich so ein profitables Unternehmen habe, kann ich es mir leisten in Bereiche hineinzugehen, wo nicht das Geldverdienen im Vordergrund steht aber man etwas gestalten kann. Beim HSV ist das nun total in die Hose gegangen. Da waren alle Versuche umsonst.
Klaus-Michael Kühne
Zu ihren weniger erfolgreichen Engagements gehört die Beteiligung am HSV, man kommt um dieses Thema nicht herum. Kommt es für Sie dabei auf Geld nicht so an?
Natürlich kann man sagen, da ich so ein profitables Unternehmen habe, kann ich es mir leisten in Bereiche hineinzugehen, wo nicht das Geldverdienen im Vordergrund steht aber man etwas gestalten kann. Bei der Reederei Hapag Lloyd ist das gelungen, obwohl ich zehn Jahre lang noch kein Geld gesehen und Kapital sogar aufgestockt habe, und erst vor wenigen Tagen die erste Dividende beschlossen wurde. Aber es hat sich gelohnt das Unternehmen retten, für Hamburg und für Deutschland. Das erfüllt mich schon mit Stolz. Beim HSV ist das nun total in die Hose gegangen, das muss man klar sagen. Da waren alle Versuche umsonst.
Haben Sie die Hoffnung verloren?
Ganz so düster wie es immer dargestellt wird, ist es natürlich nicht. Meine rund 20-prozentige Beteiligung an der AG ist nicht gerad besonders stabil, aber der HSV ist eine Institution, die wird nicht vergehen und die wird auch wieder bessere Zeiten erleben. Der führende Hamburger Fussballklub - das muss ja à la longue mal wieder etwas was werden. Daran eine nicht unmassgebliche Beteiligung zu besitzen hat schon seinen Wert.
Was war Ihnen der Spass denn bislang wert?
Die Grössenordnung von 100 Millionen, die immer kolportiert wird, ist etwas übertrieben, es gab ja auch mal Rückflüsse, aber sie ist auch nicht ganz falsch. Davon sind 60 Millionen Anteile im Verein so wie er heute bewertet wird mit 300 Millionen, in sofern bin ich so unglücklich nun auch wieder nicht. Allerdings habe ich immer versucht, durch zahllose Gespräche mit ständig wechselnden Partnern dazu beiztragen, dass es wieder besser wird und man eine stabile und in der Bundesliga gut etablierte Mannschaft zustande bringt. Ich gebe zu, das ist schiefgelaufen und daher enttäuschend.
Wie verstehen Sie sich selbst: Als Investor, Mäzen, Förderer, Fan, Unterstützer?
Ich sehe mich in erster Linie als Hobby-Fan, der versucht hat, dem Verein Unterstützung zu geben, damit er die richtigen Spieler kauft und die Finanzen besser geordnet wurden. Letzteres scheint bis zu einem gewissen Grad der Fall zu sein. Der Verein kann sich immer noch keine grossen Sprünge leisten, aber nach dem ich beschlossen habe, die weitere Förderung einzustellen, kommen sie ja offensichtlich auch alleine klar, eine Mannschaft für die zweite Liga zu formen.
Fühlen Sie sich gerecht behandelt von Fans und Medien?
Nein, es gab immer wieder wüste Dinge zu hören und zu lesen, vor allem dass ich sehr viel Einfluss genommen hätte. Das habe ich nie gemacht, das kann ich gar nicht, weil es die Satzung nicht zulässt, das will ich auch gar nicht. Wenn ich da mal ab und an mitreden könnte, wäre es gut. Aber praktisch ist das nicht drin, das ist ein Klüngel, der sehr stark durch den Verein und die vielen Mitglieder bestimmt wird. Mir lag immer viel daran, dass die richtigen Leute an der Spitze stehen. Ob ich im Aufsichtsrat einen Sitz habe ist für mich nicht entscheidend. Der Aufsichtsrat muss in seiner Ganzheit aus überzeugenden Persönlichkeiten bestehen, die von der Sache etwas verstehen und gute Arbeit leisten, auf jeden Fall wesentlich besser als ihre Vorgänger. Ob das jetzt der Fall ist, da möchte ich mich mal der Stimme enthalten. Ich sehe es nicht als hoffnungslos an, aber es ist noch nichts gefestigt.
Wenn Sie könnten wie sie wollten, was würden sie als erstes ändern?
Die handelnden Personen müssen Fussballsachverstand haben, aber auch kommerziellen Sachverstand, der Aufsichtsrat muss eine gute Mischung sein, auch mit Führungserfahrung. Es muss ein Team sein, es darf keinen Alleinunterhalter geben. Dazu muss man das richtige Management auswählen, Vorstandsvorsitzender, Sportchef und Finanzchef sind jetzt das Triumvirat an der Spitze, das halte ich von der Struktur her für richtig....
Von den Personen her nicht?
...zu Personen äussere ich mich jetzt nicht (lacht). Dann muss man den richtigen Trainer auswählen, da hat es ja zahllose verunglückte Versuche gegeben. Ich glaube an den derzeitigen Trainer, ich wünsche ihm viel Glück und auch Zeit, denn natürlich steht er noch ganz am Anfang. Im Fussball geht es immer wieder auf und ab, beim HSV ist das sehr ausgeprägt. Da muss Kontinuität eintreten, das kann nur im Laufe der Zeit reifen. Wenn es gelingt, sich in der Zweiten Liga gut zu behaupten und den Aufstieg in einem, spätesten aber in zwei Jahren zu schaffen, war der Weg vielleicht gar nicht so falsch.
Herbert Wehner hat mal gesagt, wer rausgeht muss auch wieder reinkommen. Wenn wieder mal Not am Mann ist beim HSV, kommen Sie dann wieder rein?
(Lacht herzlich) Ich habe mich ja positioniert, ich halte die Sperrklausel für Beteiligungen für unnötig, aber ich sage jetzt auch nicht, ich bleibe lebenslänglich bei meiner Position. Erst einmal bleibe ich Fan, sehe alle Spiele im Fernsehen an und zittere mit, auch in der Zweiten Liga, und auch wenn das jetzt viel mühsamer wird wegen der Anstosszeiten. Ich habe mich sogar verpflichtet, eine Sperrminorität nicht auszunutzen, sondern immer mit dem Verein zu stimmen. Ich habe mich bereit erklärt, meine Anteile zurückzugeben, wenn der Verein sie zurückkaufen will oder einen Dritten hat, zu den gleichen Konditionen, ich will nichts daran verdienen. Das zeigt doch, dass ich den Verein nur unterstützen will.
Dieses Interview erschien zuerst beim «Pinneberger Tageblatt» unter dem Titel «Ich will gestalten, beim HSV ist das in die Hose gegangen».