Es gibt nichts umsonst, das weiss jeder. Wir haben uns von der Schönheit des Internet täuschen lassen. Wir glaubten, dass alles für jedermann kostenlos zugänglich sein würde, am liebsten für alle Ewigkeit. Dem ist nicht so.
Um Internettechnologien, Social Media, Websites und Apps zu kreieren, braucht es Fähigkeiten und Ressourcen. Mit der Ausnahme von Services, die ausdrücklich auf Spenden basieren, gibt es lediglich zwei Optionen: Der Kunde bezahlt direkt, oder jemand anderes tut es. Dieser Jemand ist oft ein Werbetreibender, doch der erwartet eine Gegenleistung.
Persönliche Daten sind die neue Währung
Hören wir auf, naiv zu tun und schauen wir der Tatsache, dass unsere Daten die neue Währung sind, ins Gesicht. Internetfirmen benutzen Daten, um ihre Produkte in bare Münze umzusetzen, schlicht und einfach. Wir haben weggeschaut, als die Cloud unsere Daten aufsog, und tun nun schockiert, wenn wir feststellen, dass die Firmen, die für das Speichern unserer Informationen bezahlt haben, diese tatsächlich zu nutzen beginnen. Kann uns das wirklich überraschen?
Googles Datencenter- Hier wohnen Ihre Daten; Quelle: Google
Nachdem wir jahrelang unsere Inhalte über Twitter geteilt haben, ohne einen Rappen zu bezahlen (und ohne einen Gedanken darüber zu verlieren, wie das Unternehmen finanziell überleben kann), beklagen wir uns über nervende Anzeigen in unserem Feed. Erst nachdem die Tatsachen geschaffen sind, beginnen wir uns Sorgen um unsere Privatsphäre zu machen. Twitter hat aus seiner Absicht, Geld zu verdienen, nie ein Geheimnis gemacht. Weder Menschen noch Unternehmen können von der Liebe allein leben.
Seit wann ist ein Franken zu teuer?
Wir haben eine Ahnung davon, was ein Pfund Karotten kostet, aber über den Preis des Internets haben wir noch viel zu lernen. Bis dahin sollte, wer sich um seine Privatsphäre sorgt, jene Firmen unterstützen, die sich um alternative Geschäftsmodelle bemühen, und sich mit dem Gedanken anfreunden, einen Franken oder gar fünf für eine App zu bezahlen.
Wir lieben den Massenexhibitionismus
Im Sinne dieser Anklage sollten wir uns ehrlicherweise schuldig bekennen. Soziale Plattformen wären um ein Vielfaches weniger erfolgreich, wenn unsere Gesellschaft Privatsphäre als schützenswertes Gut betrachten würde. Facebook hätte nicht über eine Milliarde Nutzer, wenn sein Hauptziel nicht darin bestünde, Individuen das Ausspionieren Anderer zu ermöglichen.
In Wahrheit haben wir die Privatsphäre bewusst zur Strecke gebracht, um uns am hochgradigen Online-Exhibitionismus anderer Leute, auch solcher, die wir nicht kennen, zu weiden oder diesem selber zu frönen. Es scheint sich dabei um ein menschliches Bedürfnis zu handeln. Wir sind fasziniert von den Lebensgeschichten Anderer, aber in erster Linie lieben wir das Spiel vom Verstecken und Preisgeben.
Spott ist nicht fatal
Während Selfies im Netz wie Pilze aus dem Boden schiessen, hat das Selfie-App Shots bereits eine Million Nutzer erreicht. Selfies sind überall – sie bringen uns zum Lachen, Weinen oder Schmunzeln – sie schaffen Emotionen und ein soziales Konstrukt, ohne die Gefahr, sich fatalem Hohn auszusetzen. Ja, wir sind öffentlicher denn je, weil das Internet uns den Raum gibt, mit unserer Individualität anzugeben.
Preisgeben und Verbergen
Tatsächlich sind Öffentlichkeit und Privatsphäre Kehrseiten derselben Medaille. Erstere ermöglicht Letzterer zum Trend zu werden. Wir verhängen das Todesurteil über die Privatsphäre, nur um uns dann hinter ihr zu verstecken, wenn „die Cloud“ droht. Wir sollten aufhören, Skandal zu rufen, und uns stärker darum bemühen, uns und folgenden Generationen Optionen zu schaffen, um über das Verhältnis zwischen dem Verbergen und dem Preisgeben von Informationen zu bestimmen.
* Christian Simm ist Gründer und CEO von swissnex San Francisco.
Mitarbeit : Melanie Picard & Ramona Krucker