Pierin Vincenz ist einer der amtsältesten Bankchefs der Schweiz: Seit 1999 leitet der Bündner mit dem Charakterkopf die Raiffeisen Gruppe. Unter seine Ägide ist die Hypothekenbank nicht nur zur drittgrössten Bank hinter UBS und CS gewachsen, sondern auch in neue Gefilde vorgestossen. Mit dem Kauf der Bank Notenstein ist Raiffeisen seit 2012 auch schwergewichtig im Private Banking tätig – hier ebenfalls mit ehrgeizigen Wachstumsplänen.
Als Knirps nach seinem Traumberuf gefragt, antwortete Vincenz einst: «Showstar.» Auch heute noch geniesst er den grossen Auftritt. Er klopft gerne mal auf den Tisch, mischt sich mit Lust und Verve in finanzpolitische Themen ein und nimmt dabei kein Blatt vor den Mund. Er eckt oft an und liegt doch meist richtig. Etwa bei der Abgeltungssteuer, wo er die offizielle Position der Bankiervereinigung in Frage stellte und mit dem automatischen Informationsaustausch liebäugelte.
Im Branchenverband war man wenig erfreut, ist Vincenz doch als Mitglied des Verwaltungsrats-Ausschusses Teil der Führung. Vincenz musste Anfeindungen hinnehmen, doch nach dem Scheitern der Verhandlungen mit Schlüsselländern wie Deutschland erwies sich die Abgeltungssteuer in der Tat als obsolet.
300 unabhängige Banken
Diesen Herbst hat der 57-Jährige ein Sabbatical genommen, um mit seiner Partnerin für zwei Monate nach Asien zu reisen. Neue Kraft kann er brauchen: Eine grosse Herausforderung für sein Institut werden Regulierungsfragen sein. Nachdem die Nationalbank die Zürcher Kantonalbank, die Nummer vier der Branche, als systemrelevant eingestuft hat, liegt der Fokus nun auch auf Raiffeisen. Man sei mit der Nationalbank in dieser Frage im Gespräch, liess Raiffeisen ausrichten. Immer wieder warnen die Regulatoren die Hypothekenbanken zudem vor dem überhitzten Immobilienmarkt.
Viel Zeit braucht Pierin Vincenz auch dafür, sein grosses Bankenreich zusammenzuhalten. Die Raiffeisen Gruppe besteht aus über 300 unabhängigen Banken. Mit seiner jovialen Art kommt er überall gut an. Er traue sich generell viel zu, sagen Freunde. Auf die Frage, woran er sich bei seinem ersten Bewerbungsgespräch noch erinnere, sagte er einmal: «Die Frage nach meinen Schwächen fand ich seltsam. Und hatte prompt keine Antwort parat.»
Wer sind die Wichtigsten der Schweiz? Die grosse Übersicht der Bilanz zeigt Ihnen, wer wirklich etwas zu sagen hat.