Es hatte zuletzt den Anschein von einer Jagd, einer Jagd der Autobauer auf Online-Fahrdienste. Binnen weniger Stunden gaben mit Toyota und Volkwagen die grössten Autobauer der Welt ihren Einstieg beim Branchen-Pionier Uber und Rivalen Gett bekannt. Andere Hersteller waren ihnen bereits vorausgeeilt: Für 500 Millionen Dollar beteiligte sich General Motors am US-Start-up Lyft und Daimler kaufte die App My Taxi. Selbst der iPhone-Konzern Apple, dem grosse Ambitionen im Auto-Geschäft nachgesagt werden, hegt Interesse und investierte kurzerhand eine Milliarde Dollar in den chinesischen Uber-Rivalen Didi Chuxing.
Weltweit wollen die Autobauer raus aus der Alteisen-Ecke und investieren Unsummen in die mobile Zukunft, in der die Grenzen zwischen Autoindustrie und Online-Branche zunehmend verschwinden. Denn egal ob Toyota, VW, General Motors oder Daimler – keiner der globalen Player kann es sich leisten den Anschluss zu verlieren.
Benutzen statt besitzen
Die Marschrichtung ist klar: Es gilt sich einer Zukunft anzupassen, in der zwar jeder mobil sein will, doch Autos häufig nur noch genutzt und gemietet statt gekauft werden. Künftige Generationen werden wohl niemals ein eigenes Auto besitzen, prognostizieren Fachleute wie der US-Ökonom Jeremy Rifkin. Gemäss Studien werden mit jedem Auto, das in Zukunft geteilt wird, 15 Fahrzeuge weniger produziert.
Für die Autobauer stellt sich damit die Frage, wie sie künftig ihr Geld verdienen wollen, wenn ihre Produkte immer weniger Absatz finden. Entscheidend für sie ist der Zugang zu einer Technologie, über die man die neuen Zielgruppen erreicht. Das erklärt den Run der Autobauer auf die Fahrdienste. Einerseits. Anderseits erklärt es den Erfolg von Carsharing à la Car2Go und DriveNow.
Mobility profitiert vom Trend
Auch der Schweizer Anbieter Mobility profitiert von diesem Trend. Das Luzerner Carsharing Unternehmen hat eigenen Angaben zufolge Zugriff auf 2900 Fahrzeuge an 1460 Standorten in der ganzen Schweiz. Rund 127'000 Schweizer nutzen den Dienst, davon sind in den letzten fünf Jahren rund 30'000 Kunden neu dazu gekommen, so Mobility. 2015 erzielte das Unternehmen einen Nettoerlös von rund 74 Millionen Franken (+3,7 Prozent).
Eine Zusammenarbeit mit einem grossen Hersteller kommt für Mobility nicht infrage: «Wir kooperieren mit keinem Autobauer, sondern verfolgen den Automarkt ganzheitlich», sagt Pressesprecher Patrick Eigenmann gegenüber bilanz.ch. «Wenn wir ein Fahrzeugmodell in unsere Flotte aufnehmen wollen, verhandeln wir direkt mit dem entsprechenden Importeur.» Angebote von Seiten der Hersteller gab es bislang keine.
«Ridesharing» - man lässt sich fahren
Carsharing ist nur die eine Seite der digitalen Medaille. Die Mobilitätsrevolution aber geht noch weiter. So fährt der Nutzer beim «Ridesharing» gar nicht mehr selber, sondern lässt sich fahren. Es ist eine Art von Fahrdienstvermittlung wie sie von Uber, Lyft, Gett oder Didi Chuxing angeboten werden und mit deren Hilfe sich die klassischen Autobauer zum Mobilitäts-Dienstleister wandeln wollen. Bisher ist dieses Geschäft zumeist allerdings kaum profitabel. Keines der vier Unternehmen arbeitet Stand heute kostendeckend.
Ein Grund, warum Autobauer wie VW bis zum Gett-Einstieg eher vorsichtig agierten. Doch die Zeiten scheinen vorbei. 300 Millionen Dollar investierten die Wolfsburger in den ursprünglich aus Israel stammenden Senkrechtstarter. Die Firma vermittelt – ähnlich wie das US-Unternehmen Uber – Fahrdienstleistungen auf Abruf, ähnlich wie Daimlers Mytaxi-App, aber auch Taxifahrten.
Autokonzerne richten sich neu aus
Für VW ist die Gett-Beteiligung der erste Baustein der neuen Strategie 2025 – eine Neuausrichtung, in der das Kernprodukt nicht mehr nur das Auto ist. Stattdessen wollen die Wolfsburger künftig einen «substanziellen Teil» ihres Umsatzes mit Angeboten wie Chauffeur- und Taxidiensten auf Abruf oder Carsharing erzielen. VW-Chef Matthias Müller verheisst dem Markt für Fahrvermittlung und Mobilität auf Abruf allein in Europa im Jahr 2025 Umsatzerlöse von bis zu 10 Milliarden Euro. Experten rechnen mit Wachstumsraten von mehr als 30 Prozent im Jahr.
Kein Wunder also, dass auch Toyota von dem Kuchen ein Stück abhaben will. Dem Vernehmen nach soll es sich bei der Uber-Beteiligung allerdings nur um eine niedrige Investition handeln. Das umstrittene Unternehmen aus San Francisco ist die Nummer eins unter den Fahrdienst-Vermittlern und zum Inbegriff dieser aufstrebenden Branche geworden; es besorgte sich mehr als 5 Milliarden Dollar bei Investoren und soll in Finanzierungsrunden mit über 60 Milliarden Dollar bewertet worden seien. Mittlerweile ist vielen Autobauern ein Einstieg bereits zu teuer.
Zuletzt machten zudem Spekulationen die Runde, dass sich Uber einen Autobauer einverleiben wolle. Uber-Chef Travis Kalanick dementierte dies jedoch: «Die Produktion eines Autos ist keine kleine Sache. Wir wollen mit den Leuten zusammenarbeiten, die sie herstellen und uns mit den besten Anbietern weltweit verpartnern.» Toyota will im Rahmen des Deals unter anderem Uber-Fahrern die eigenen Fahrzeuge per Leasing anbieten oder verkaufen. Vor allem will der Autokonzern aber mehr darüber erfahren, wie Konsumenten Fahrdienste nutzen.
Mobility sieht sich vom «Ridesharing» indes nicht bedroht. «Viele unserer Kunden setzen die Autos für alle erdenkliche Alltagszwecke ein wie Einkaufen, Umzüge oder Ausflüge», sagte Eigenmann. Dies sei eine andere Art von Nutzung als es bei Uber und Co. der Fall sei. «Solche Angebote sind eher eine Konkurrenz für Taxiunternehmen, nicht aber für uns.»
Mobility arbeitet an autonomen Fahrzeugen
Im Fokus der Schweizer steht vielmehr ein anderes Thema, das der digitalen Mobilitätsrevolution die Krone aufsetzt: selbstfahrende Autos. Denn parallel zur Akquise neuer Technologien geht es auch um die Optimierung des Faktors Mensch. Die grossen Autobauer schaffen hierfür bereits die Grundlagen, indem sie die relevanten Systeme in ihre neuen Modelle integrieren.
«Autonome Fahrzeuge werden Reisende auf Knopfdruck abholen, von A nach B bringen und danach eigenständig parkieren und tanken», sagt Eigenmann. Carsharing ermögliche dies im grossen Stil, wobei sowohl «Sammeltaxis» als auch Autos für individuelle Einzelstrecken denkbar seien. «Wir verfolgen sämtliche Entwicklungen genau und entwickeln erste Ansätze, um eine zentrale Rolle zu spielen, was den Einsatz von fahrerlosen Autos im Carsharing-Betrieb angeht», so Eigenmann. Wie diese Ansätze jedoch genau aussehen, wollte er nicht sagen.
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