Etwas abseits der Landstrasse zwischen Accra und Kumasi – den beiden grössten Städten Ghanas – liegt der kleine Drohnenflugplatz. Inmitten der grünen Buschlandschaft erscheint eine moderne kleine Gebäudeanlage. Vor einem halben Jahr eröffnete ein US-Startup namens Zipline in Omenako sein erstes Logistikzentrum. Heute sind dort 14 Drohnen im Einsatz, mit denen Zipline etwa 150 verschiedene Medikamente in Krankenhäuser im Umkreis von 80 Kilometern liefert – häufig im Notfall.
Bei 32 Grad Aussentemperatur und 80 Prozent Luftfeuchtigkeit herrscht im Medikamentenlager ein angenehm kühles Klima. Es ist das Herzstück des Omenako-Zentrums. Hier arbeitet Nana Akosua Okyere-Avevor. Sie kümmert sich um die Bestellungen der Medikamente und schult die Mitarbeiter der Gesundheitseinrichtungen, welche Zipline beliefert.
Stolz spricht die gelernte Pharmazeutin über einen Notfall in einem Krankenhaus in der Region: Um neun Uhr abends ging ein Notruf ein, bei einer Operation war es zu Komplikationen gekommen. Innerhalb kürzester Zeit schickte das Zipline-Team eine lebensrettende Blutplasmakonserve in das Krankenhaus. Die junge Patientin überlebte. «Unsere Arbeit hilft Leben zu retten. Das treibt mich persönlich an,» sagt die 27-jährige Nana.
Geht eine Bestellung oder ein Notfall per Anruf, SMS oder WhatsApp-Nachricht ein, packt das Zipline-Team das Medikamenten-Paket und lanciert eine Drohne. Mit einer Geschwindigkeit von maximal 110 km/h fliegen die batteriebetriebenen Flugkörper bis zu 160 Kilometer weit. Erreicht die Drohne ihr Ziel, sinkt sie auf 25 Meter über dem Boden und wirft das Paket ab – ein kleiner Papier-Fallschirm sorgt für eine sanfte Landung.
Ambitionierte Pläne
In den meisten Fällen werden Gegengift für Schlangenbisse, Tollwutimpfungen und Infusionen sowie andere Impfstoffe ausgeliefert. Rund 15 Einsätze haben die Helfer täglich, doch noch sind sie am Anfang. Omenako ist eins von zwei Logistikzentren, welche Zipline bereits in Betrieb genommen hat. Zwei weitere werden gerade gebaut und sollen im nächsten Jahr die Arbeit aufnehmen.
Insgesamt sollen dann 200 Mitarbeiter über 400 Gesundheitseinrichtungen des Landes versorgen. Täglich sind 150 Drohneneinsätze geplant. Das US-Startup will in Ghana 12 Millionen Menschen versorgen – fast ein Drittel der Bevölkerung.
Laut Weltbank leben 45 Prozent der Ghanaer auf dem Land. Die gesundheitlichen Gefahren sind weitaus grösser als in den Städten und der Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten ist unzureichend. Denn gerade in ländlichen Gebieten sind viele Strassen nicht asphaltiert und in der Regenzeit überschwemmt. So können Medikamente per Drohne wesentlich schneller geliefert werden, gerade in Notfällen ist die Zeitersparnis ein grosser Vorteil.
Expansion in weitere Länder
In Ruanda betreibt Zipline medizinische Drohnen bereits seit 2016. Dennoch wird Ghana Ziplines grösstes Drohnen-Projekt weltweit sein. Bislang – denn im kommenden Jahr sollen fünf weitere Länder in Afrika hinzukommen. Jüngst haben auch Indien und Äthiopien Interesse bekundet. Das Ziel ist ambitioniert: Innerhalb eines Jahres will Zipline 100 Millionen Menschen versorgen.
Dem Startup aus den USA selbst dient die Erfahrung in Afrika letztendlich dazu, weiter zu expandieren und schliesslich auch in seinem Heimatland medizinische Drohnen einzusetzen. In North Carolina wird bereits getestet.
In Ghana arbeitet Zipline mit der Regierung zusammen: Zwölf Millionen Dollar lässt sich der westafrikanische Staat die Kooperation über vier Jahre kosten, um die Notfallversorgung in schwer zugänglichen Gebieten zu verbessern. Zudem sind die Impfallianz Gavi, UPS und Pfizer am Drohnen-Projekt beteiligt – ebenso wie Novartis. Der finanzielle Umfang des Basler Pharmakonzerns ist jedoch nicht bekannt.
Novartis ist beteiligt
Derzeit lässt Novartis ein Medikament zu Behandlung von Sichelzellenanämie – eine in Afrika weit verbreitete Erbkrankheit – per Drohne ausliefern. Um deren Prävention und Behandlung in dem westafrikanischen Land zu verbessern, ist Novartis Anfang November mit der ghanaischen Regierung eine Partnerschaft eingegangen.
Novartis verkauft das Medikament Hydroxyurea künftig zum halben Preis. Für Betroffene und das ghanaische Gesundheitssystem ist das eine Erleichterung: 15'000 Babys kommen jährlich mit der Krankheit auf die Welt, 90 Prozent sterben vor dem fünften Lebensjahr.
Das Drohnen-Projekt ist jedoch nicht ganz unumstritten. Die Kritik: Statt Geld für diese Art von Technologie auszugeben und westliche Unternehmen zu beauftragen, sollte die Regierung investieren, um die Infrastruktur im Land und damit auch die medizinische Versorgung auf dem Landweg zu verbessern.