Taylor Swift ist eine bekannte US-Sängerin und Anhängerin der Demokraten. Welche Wirkung das Wort eines Popstars haben kann, zeigt eine Instagram-Nachricht von Swift, in der sie sich vor den Kongresswahlen am 6. November für die demokratischen Kandidaten für den Gouverneursposten und Senatorensitz im Bundesstaat Tennessee aussprach. Daraufhin gingen bei der Online-Plattform vote.org mehr als 250.000 neue Wähleranmeldungen ein. Auf diese Zahl kommt die Plattform, die US-Bürgern bei der offiziellen Registrierung hilft, sonst nicht einmal in einem ganzen Monat.

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Bei der Facebook-Tochter Instagram folgen der Popsängerin 112,5 Millionen Menschen. Swifts Aufruf, wählen zu gehen, ist ein Beispiel, wie die breite Masse über soziale Medien mobilisiert werden kann. Damit sind aber auch Risiken verbunden, wie spätestens seit den Präsidentschaftswahlen vor zwei Jahren und dem knappen Rennen zwischen dem Republikaner Donald Trump und der Demokratin Hillary Clinton klar ist.

Missbrauch durch Cambridge Analytica

Damals wurden persönliche Daten von bis zu 87 Millionen Facebook-Nutzern durch die britische Firma Cambridge Analytica mutmaßlich missbraucht, um Trump zu unterstützen, in dem die Rivalin mit Falschinformationen in die Defensive gebracht wird. «Per se lassen sich soziale Medien gut für Propaganda und Desinformationskampagnen nutzen», sagt Wissenschaftler Jonas Kaiser vom Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft, der gerade in Harvard zur Rolle von Missinformation in sozialen Netzwerken forscht.

Facebook, Twitter und die Alphabet-Tochter Google stehen nun also unter besonderer Beobachtung. Um einen neuen Reputationsschaden zu vermeiden, haben die Konzerne viel Geld in die Hände genommen, um ihre Sicherheitsvorkehrungen auszubauen. Facebook beschäftigt inzwischen doppelt so viele Mitarbeiter wie noch vor einem Jahr - die meisten davon kontrollieren die auf der Plattform geteilten Inhalte. Unwahre Berichte über Gewalt oder lange Schlangen vor Wahllokalen werden geahndet und die Identitäten von Käufern politischer Werbung überprüft. Aber reicht das?

Mischt Russland mit?

Nach Auffassung der US-Geheimdienste kam es bei den letzten Wahlen zu Manipulationsversuchen seitens Russlands. Aber viele Fragen bleiben. «Wir wissen immer noch nicht genau, was 2016 passiert ist und werden es möglicherweise auch nie wissen», sagt der Leiter der Forschungsgruppe Digitalisierung der Freien Universität Berlin, Curd Knüpfer. «Das liegt auch an der Informationspolitik der Konzerne. Da geht Facebook-Chef Mark Zuckerberg auf Mea-Culpa-Tour und verrät trotzdem kaum etwas», betont der Experte unter Verweis auf die Anhörungen im US-Kongress und vor der EU-Abgeordneten, in denen Zuckerberg Stellung nehmen musste.

Die anerkannte US-Kommunikationsprofessorin Kathleen Hall Jamieson teilt die Meinung der Geheimdienste und ist sich sicher, dass russische Einflussnahme 2016 eine entscheidende Rolle beim knappen Sieg von Trump spielte. In ihrem neuen Buch «Cyberkrieg» erklärt sie, wie russische Saboteure mit Hilfe von Nachrichten unter falschen Identitäten Wählermeinungen - besonders von Kirchgängern und Militärangehörigen - steuerten und beispielsweise Hillary Clinton als verantwortungslos darstellten.

«Man muss befürchten, dass Russland wieder versuchen wird, Einfluss auf die Wahl zu nehmen», sagt auch Experte Knüpfer in Berlin. Erste Hinweise gibt es bereits: Vor wenigen Tagen wurde die erste Russin von der US-Regierung angeklagt, einen «Informationskrieg» gegen die USA geführt und dafür Werbung auf Facebook und Twitter-Konten eingesetzt zu haben.

«Menschen empfänglich für einfache Antworten»

Dennoch: Der Verzicht auf soziale Medien in Wahlkämpfen wäre Experten zufolge falsch. Die Vorteile seien mannigfaltig. «Es lässt sich gut beobachten, was der politische Gegner macht. Themen können gesetzt und mit dem Wähler ein niedrigschwelliger Dialog geführt werden», sagt Politikberater Michael Fuchs. Andreas Wolf vom Verein Mimika, der Präventionsarbeit gegen Falschmeldungen betreibt, zählt Kosteneffizienz, Zielgenauigkeit und die Möglichkeit, anhand von Klickzahlen den Erfolg zu messen, zu den Vorzügen.

Populisten können das natürlich ausnutzen, auch weil viele Nutzer nur eine geringe Medienkompetenz haben, wie Alexander Sängerlaub, Projektleiter «Desinformation in der digitalen Öffentlichkeit» bei der Stiftung Neue Verantwortung, feststellt: «Die zunehmende Ungleichheit macht Menschen empfänglich für einfache Antworten.»

(reuters/mlo)