Wohin wollen Sie mit den Ski? Hm. Spontan erst mal weg von den Füssen. Das wird es aber nicht gewesen sein, was der gut gelaunte Boy an der Talstation des Aspen Mountain wissen wollte. Es flitzen noch andere Jungs umher, mit Ski in den Händen, die sie offensichtlich nicht selbst gefahren haben. Der Boy lässt nicht locker: «Highlands, Buttermilk, Snowmass oder nochmals Aspen Mountain, Sir?»
Langsam dämmert es dem Europäer, dass er die Ski nicht zurück in seine Unterkunft schleppen muss, sondern sie am nächsten Morgen wieder in Empfang nehmen kann – an der gewünschten Talstation eines der vier Skiberge von Aspen. Doch woher soll der durchschnittliche Schweizer Tourist auch eine Ahnung haben, was man in den USA kurz und selbstverständlich «Service» nennt – ist er doch zu Hause über das Stadium des Selfservice noch nicht wesentlich herausgekommen. «Der Topservice ist die Geheimwaffe der Amerikaner», sagt Kenny Prevost, Mitinhaber von Knecht Reisen, der sich in den letzten zehn Jahren als Schneespezialist für die USA und Kanada etabliert hat. «Gehört Service in Nordamerika ohnehin zum alltäglichen Geschäft, so wird er in Aspen geradezu zelebriert.»
Der Service beginnt schon mit der Grundausstattung in Sachen Skigebiet. Vier Berge mit über 50 Liften und rund 300 Abfahrten, präpariert, wie es der Skifahrer und Snowboarder eben so braucht. Selbst Cracks können hier tagelang durch die Gegend cruisen, ohne zweimal dieselbe Abfahrt zu benutzen. Ähnliches liesse sich zwar auch über die Skigebiete von Davos, St. Moritz oder der Quatre Vallées sagen. Aber da fangen die Superlative von Aspen eben erst an. Von Anfang Dezember bis Mitte April muss hier niemand um Schnee bangen, acht Meter ist der langjährige Durchschnitt. Der legendäre «Champagne powder» oder «fluffy stuff» ist leichter, pulvriger und trockener als bei uns und staubt einfach davon. Dieser Schnee, der so gar nicht für Schneebälle taugt, weil er partout nicht pappen will, ergibt sich aus der Höhenlage der Skigebiete (2400 bis 3800 Meter), einem Temperaturdurchschnitt unter null und einer durch die Wüs- tennähe äusserst geringen Luftfeuchtigkeit. Dieser ist es zu verdanken, dass die Kälte wesentlich besser zu ertragen ist als in Europa.
Die vier Skigebiete von Aspen sind planmässig durchkonzipiert und angelegt, das heisst, die Liftkapazitäten werden nicht einfach verdoppelt, ohne dass gleichzeitig die Pistenfläche vergrössert würde. Ohnehin sind die Pisten grosszügiger als in den europäischen Alpen und werden von den Pistenraupen bis zur Perfektion bearbeitet. Mit kleinen Rechen rauhen sie den Schnee auf und pumpen Sauerstoff hinein. Ergebnis: Die Pisten sind fest und griffig, ohne beinhart oder gar eisig zu werden.
Da Aspen fernab von grossen Städten liegt und deshalb nur wenig Tagesgäste hat, gibt es auch keine Menschenmassen an den Liften. Man wartet höchstens fünf Minuten; den bei uns üblichen Nahkampf um Zentimeter kennt man hier nicht. Kurz, man fährt pro Tag doppelt so viel auf den Pisten wie in der Schweiz. Dazu kommt der Service des Himmels: Freundlicherweise schneit es in Aspen nämlich bevorzugt nachts, und das nicht zu knapp. Tagsüber scheint die Sonne, an über 300 Tagen im Jahr. Öfter als in Florida. Der Verwöhn-Level auf den Pisten ist ohnehin unerreicht: An den Tal- und Bergstationen werden Sie von «mountain concierges» willkommen geheissen, die Ihnen heissen Cider oder kaltes Wasser ausschenken, Cookies und Snacks anbieten sowie Sonnencrème und Kleenex verteilen. Alles à discrétion und gratis.
Wer den Daheimgebliebenen direkt von der Piste schreiben möchte, findet Ansichtskarten und Kugelschreiber bereitgelegt – Frankatur und Versand übernimmt das Resort. Zudem organisieren die Concierges praktisch alles, worum sich die carvenden Gäste auf der Piste nicht auch noch bemühen können: Reser- vationen fürs Abendessen oder die Organisation des Babysitters. Wer zu viele Pullover angezogen hat, kann diese in Obhut geben. Alles ohne Gebühr. Und überall erwartet Sie ein Lächeln und ein «Have a great day!».
«Diese Freundlichkeit und diese Service- standards haben wir einfach noch nicht hin- gekriegt», sagt selbst Hans Peter Danuser, Verkehrsdirektor von St. Moritz. «Obwohl wir Kurse mit unseren Mitarbeitern durchführen, sind uns die Amerikaner mit ihrer ‹Think positive›-Haltung um Lichtjahre voraus. Die Mitarbeiter verdienen nur die Hälfte ihrer Schweizer Kollegen und sind happy, dass sie einen Job in einem angenehmen Umfeld haben und strahlen das auch aus. Da haben wir immer noch einen grossen Nachholbedarf.»
Anders als in der Schweiz, scheint in Amerika das Bewusstsein verankert zu sein, dass die Gäste nicht nur zahlen (eine Tageskarte in Aspen kostet 67 Dollar, fast doppelt so viel wie in St. Moritz), sondern auch eine Gegenleis- tung erwarten. Das heisst: Der Gast muss von morgens bis abends zufrieden sein. Nur so kommt der Gast wieder. «In einer Zeit, in der die meisten Skiorte auf ‹bigger is better› setzen, schlagen wir einen anderen Weg ein; wir sehen unsere Chance nicht in der Expansion, sondern in der ständigen Verbesserung der Infrastruktur sowie in der Perfektionierung des Service», sagt Mike Kaplan, einer von Aspens Chefplanern. «Wir wollen Weltspitze sein im Outdoor-Freizeitbusiness.»
Neben den üblichen Extravaganzen wie Tiefschneefahren mit komfortablen Snowmobilen (Heli-Skiing ist in den USA verboten) zeichnet sich ein neuer Trend ab: Die «Aspe- nites» wollen nicht nur die neuste Skimode ausführen, sondern auch auf der Piste glänzen. So ist die Nachfrage nach privaten Skilektionen enorm gestiegen, einige Skilehrer geniessen den Status von Stars und werden von den Gästen mit unglaublichen Trinkgeldern gepflegt. Ein privater Skilehrer kostet 435 Dollar pro Tag und unterrichtet zu diesem Preis bis fünf Personen. «An einem Sonntag im Februar sind auf unseren Pisten zwischen 500 und 600 private Skilehrer unterwegs», sagt Rich Burk- ley, Direktor der Ski- und Snowboardschule.
Grosser Beliebtheit erfreut sich in Aspen auch das Privatklub-Leben. Neben diversen Klubs im Dorfzentrum hat sich der gemütlich-feudale «Aspen Mountain Club» etabliert, der im neuen Sundeck-Building auf 3400 Meter Höhe eingerichtet wurde und laut eigenem Bekunden dem Bedürfnis nach «convenience, ease and attentiveness» Rechnung trägt. Er steht nur zahlenden Mitgliedern (75 000 Dollar Eintrittsgebühr) sowie einer Hand voll er- lesener Schweizer Gäste offen: Mitglieder des Corviglia Club St. Moritz und des Eagle’s Club Gstaad haben kostenlosen Zutritt. Ein passender Ort, um sich über ein Ferienhäuschen in Aspen zu unterhalten. Wo Michael Douglas, Jack Nicholson, Steven Spielberg, Cher, Melanie Griffith und halb Hollywood eine eigene Absteige haben, kann man nicht ganz falsch liegen. Seit ein paar Jahren gehen die Immobilienpreise explosionsartig in die Höhe. Kostete etwa ein durchschnittliches Haus vor sechs Jahren noch zwei Millionen Dollar, sind es heute bereits drei Millionen. Das kleinste Haus im Angebot ist derzeit für eine Million Dollar zu haben, bei einem Vier-Zimmer-Appartment ist man ab einer halben Million dabei.
«Rund 90 Prozent der Immobilien-Deals werden cash erledigt», sagt eine Maklerin. «Wichtigstes Kriterium für den amerikanischen Käufer ist, dass das Haus sofort bezugsbereit ist. Keiner will hier zwei Jahre mit Umbauten verbringen. Wenn ich heute eine Villa für zehn Millionen Dollar auf den Markt bringe, ist sie morgen verkauft, und die neuen Besitzer ziehen in zwei Wochen ein.»
Viele dieser neuen Besitzer kommen aus der New Economy und bringen frischen Wind nach Aspen. Komfort ist ihnen wichtiger als Konformität, Fun liegt ihnen näher als formelles Gehabe. Im 1879 gegründeten Silberminenstädtchen mit den hübschen viktorianischen Häusern und dem Wildwest-Flair herrscht denn auch eine sehr menschliche Atmosphäre. Ein Kleiderzwang wie in den Hotelpalästen in Schweizer Nobelskiorten ist hier undenkbar. Das, was Aspen zu Aspen macht und vom Rest der Winterwelt unterscheidet, ist nach Meinung von Klaus Obermeyer, Begründer des gleichnamigen Skimode-Labels und 80-jährige Aspen-Legende, folgender: «Hier ist die echte Party! Aspen, das ist Kitzbühel plus St. Moritz, das ist Hollywood im Pulverschnee, einfach fantastisch. Und da Aspen überschaubar ist, trifft man abends in den Restaurants und Bars die gleichen Leute, die man tagsüber auf der Piste gesehen hat.»
Obermeyers Euphorie ist ansteckend. Jedes Jahr, sagt man, rauschen drei Viertel aller auf der Welt registrierten Privatjets nach Aspen. Stau gibt es hier nicht auf den Strassen, sondern in der Luft. Viele Gäste beginnen bereits mittags mit dem Après-Ski und dem beliebten People-Watching in der schicken «Ajax Tavern». «Just do the scene», heisst das hier, und mit der untergehenden Sonne steigt die Simmung proportional zum Verlust der Sinne.
Szenenwechsel: Vail, zwei Autostunden östlich von Aspen, mag für den Schweizer Gast weniger einmalig sein, weil der lang gestreckte Ort eine Retortengeburt nach österreichischem Vorbild ist und deshalb in Amerika als «europäischster aller Skiresorts» gilt. Tatsächlich gibt es hier gar viele «Swiss Chalets» und «Austrian Houses», und in zahlreichen Hotels wird man auf Bayrisch oder Züritüütsch begrüsst. Die Pisten allerdings zeigen amerikanische Dimensionen. Die Freunde variantenreicher und endloser Traumpisten verdrehen die Augen vor lauter Vorfreude, wenn sie an die 300 Kilometer Skivergnügen denken. Wer auf zentraleuropäischen Pisten zu Hause ist, fragt sich, wo die anderen Skifahrer sind. Bei diesen Weiten und diesem idealen Pulverschnee kann man sozusagen auf Autopilot schalten und den Dingen freien Lauf lassen.
Zu Vail gehören auch die benachbarten Resorts Beaver Creek (mondän-amerikanisch), Breckenridge (sportlich-jung) und Keystone (familiär). Wie in Aspen sieht man den Skibergen ihre 3500 Meter Höhe kaum an. Das hat damit zu tun, dass die Baumgrenze in den südlichen Rocky Mountains bis zu den Gipfeln reicht. So wurden die meisten der 200 Abfahrten in den Wald hineingefräst. Selbst mit Hilfe eines Pistenplans braucht es viel Zeit, um sich in diesem Schneedorado zurechtzufinden. Aber in Vail, das voll auf «snow, service, sun, space and safety» setzt, hilft einem immer und überall ein «Ambassador» weiter – oft engagierte Privatleute und Pensionierte, die dafür einen Saisonpass erhalten. Bei gegenseitiger Sympathie schnallen diese «Botschafter» gleich selbst die Ski an und zeigen dem Neuling ein paar ganz spezielle Abfahrten. Besonders stolz sind die Einheimischen auf das Blue Sky Basin auf der Rückseite des Vail Mountain. Hier wird das Thema Skigebiet völlig neu interpretiert – als ein Stück gezähmte Wildnis für Deep-Powder-Fans; es ermöglicht einen Slalom durch den gelichteten Wald.
«Tree skiing» heisst das im amerikanischen Fachjargon. Hier darf der ökologisch korrekte Europäer tun, was zu Hause streng verboten ist: planlos durchs Gehölz preschen. Hier darf er sich fühlen, als wäre er weit weg von der Zivilisation und zudem in einer Zeit zu Hause, in welcher der Wilde Westen noch ein einziges grosses Abenteuer war. Natürlich bleibt da ein Sturz kaum aus. Kein Problem: Man scheint in eine dicke Daunendecke zu fallen. Nur wenn die Bindung aufgeht, ist neben Juchzern auch mal Fluchen zu hören. Und so mancher wünscht sich eine Art Tiefschneetaucherbrille, um verlorene Ausrüstungsteile zu orten.
Anschliessend dürfen natürlich die steilen «Back Bowls»-Pisten nicht fehlen, die Namen wie «Après vous», «Tourist Trap» und «Rasputin’s Revenge» tragen und dem Normalskifahrer schon beim blossen Anblick eine Gänsehaut einjagen. Die grösste Skischule der Welt (2000 Skilehrer) kann da Abhilfe schaffen; nach einem einschlägigen Kurs wie «Bump Adventure», «Cruise Control» oder «Style Plus» wedelt auch der Schweizer Sonntagsfahrer bald die legendären Buckelhänge herunter. Wer dazu noch neue Ski braucht, kann im Rossignol-Testcenter oben auf dem Berg nach Lust und Laune die neusten Bretter vor Ort ausprobieren.
Nur zwei Dinge vermisst der Schweizer Gast in den US-Skiresorts. Zum einen richtige Charakterberge. Zwischen Aspen und Vail hegt man die Vermutung, es handle sich um schneeüberzogene Schuttberge der einstigen Goldgräber. Wenn der Amerikaner Ski fahren geht, fährt er Ski. Punkt, Schluss. Pausen werden nur so lange ausgedehnt, wie unbedingt nötig. Und wenn, dann gibt es Fastfood und Kantinen-Atmosphäre statt Hüttenzauber. Ansonsten scheint der amerikanische Wintertraum tatsächlich ein einziges Märchen zu sein. Auch einige Luxushotels, allen voran «The Lodge at Vail» und das «St. Regis» in Aspen, sind trotz hartem Dollar die Reise und den Preis wert. Die Hoteliers, und das sei nicht abschätzig gemeint, haben Mut zum Klischee und dekorieren ihre Häuser mit schier atemberaubendem Wildwest-Kitsch. Der Service – müssen wir das noch erwähnen? – geht natürlich auch hier weit über das Übliche hinaus.
Infos: Schweizer Schneespezialist für die USA und Kanada: Knecht Reisen, Aarau, Tel. 062/824 70 54.
Aspen Skiing Company, Tel. 001/970/925 12 20, www.aspensnowmass.com.
Vail Resorts, Tel. 001/970/453 32 45, www.snow.com.
Langsam dämmert es dem Europäer, dass er die Ski nicht zurück in seine Unterkunft schleppen muss, sondern sie am nächsten Morgen wieder in Empfang nehmen kann – an der gewünschten Talstation eines der vier Skiberge von Aspen. Doch woher soll der durchschnittliche Schweizer Tourist auch eine Ahnung haben, was man in den USA kurz und selbstverständlich «Service» nennt – ist er doch zu Hause über das Stadium des Selfservice noch nicht wesentlich herausgekommen. «Der Topservice ist die Geheimwaffe der Amerikaner», sagt Kenny Prevost, Mitinhaber von Knecht Reisen, der sich in den letzten zehn Jahren als Schneespezialist für die USA und Kanada etabliert hat. «Gehört Service in Nordamerika ohnehin zum alltäglichen Geschäft, so wird er in Aspen geradezu zelebriert.»
Der Service beginnt schon mit der Grundausstattung in Sachen Skigebiet. Vier Berge mit über 50 Liften und rund 300 Abfahrten, präpariert, wie es der Skifahrer und Snowboarder eben so braucht. Selbst Cracks können hier tagelang durch die Gegend cruisen, ohne zweimal dieselbe Abfahrt zu benutzen. Ähnliches liesse sich zwar auch über die Skigebiete von Davos, St. Moritz oder der Quatre Vallées sagen. Aber da fangen die Superlative von Aspen eben erst an. Von Anfang Dezember bis Mitte April muss hier niemand um Schnee bangen, acht Meter ist der langjährige Durchschnitt. Der legendäre «Champagne powder» oder «fluffy stuff» ist leichter, pulvriger und trockener als bei uns und staubt einfach davon. Dieser Schnee, der so gar nicht für Schneebälle taugt, weil er partout nicht pappen will, ergibt sich aus der Höhenlage der Skigebiete (2400 bis 3800 Meter), einem Temperaturdurchschnitt unter null und einer durch die Wüs- tennähe äusserst geringen Luftfeuchtigkeit. Dieser ist es zu verdanken, dass die Kälte wesentlich besser zu ertragen ist als in Europa.
Die vier Skigebiete von Aspen sind planmässig durchkonzipiert und angelegt, das heisst, die Liftkapazitäten werden nicht einfach verdoppelt, ohne dass gleichzeitig die Pistenfläche vergrössert würde. Ohnehin sind die Pisten grosszügiger als in den europäischen Alpen und werden von den Pistenraupen bis zur Perfektion bearbeitet. Mit kleinen Rechen rauhen sie den Schnee auf und pumpen Sauerstoff hinein. Ergebnis: Die Pisten sind fest und griffig, ohne beinhart oder gar eisig zu werden.
Da Aspen fernab von grossen Städten liegt und deshalb nur wenig Tagesgäste hat, gibt es auch keine Menschenmassen an den Liften. Man wartet höchstens fünf Minuten; den bei uns üblichen Nahkampf um Zentimeter kennt man hier nicht. Kurz, man fährt pro Tag doppelt so viel auf den Pisten wie in der Schweiz. Dazu kommt der Service des Himmels: Freundlicherweise schneit es in Aspen nämlich bevorzugt nachts, und das nicht zu knapp. Tagsüber scheint die Sonne, an über 300 Tagen im Jahr. Öfter als in Florida. Der Verwöhn-Level auf den Pisten ist ohnehin unerreicht: An den Tal- und Bergstationen werden Sie von «mountain concierges» willkommen geheissen, die Ihnen heissen Cider oder kaltes Wasser ausschenken, Cookies und Snacks anbieten sowie Sonnencrème und Kleenex verteilen. Alles à discrétion und gratis.
Wer den Daheimgebliebenen direkt von der Piste schreiben möchte, findet Ansichtskarten und Kugelschreiber bereitgelegt – Frankatur und Versand übernimmt das Resort. Zudem organisieren die Concierges praktisch alles, worum sich die carvenden Gäste auf der Piste nicht auch noch bemühen können: Reser- vationen fürs Abendessen oder die Organisation des Babysitters. Wer zu viele Pullover angezogen hat, kann diese in Obhut geben. Alles ohne Gebühr. Und überall erwartet Sie ein Lächeln und ein «Have a great day!».
«Diese Freundlichkeit und diese Service- standards haben wir einfach noch nicht hin- gekriegt», sagt selbst Hans Peter Danuser, Verkehrsdirektor von St. Moritz. «Obwohl wir Kurse mit unseren Mitarbeitern durchführen, sind uns die Amerikaner mit ihrer ‹Think positive›-Haltung um Lichtjahre voraus. Die Mitarbeiter verdienen nur die Hälfte ihrer Schweizer Kollegen und sind happy, dass sie einen Job in einem angenehmen Umfeld haben und strahlen das auch aus. Da haben wir immer noch einen grossen Nachholbedarf.»
Anders als in der Schweiz, scheint in Amerika das Bewusstsein verankert zu sein, dass die Gäste nicht nur zahlen (eine Tageskarte in Aspen kostet 67 Dollar, fast doppelt so viel wie in St. Moritz), sondern auch eine Gegenleis- tung erwarten. Das heisst: Der Gast muss von morgens bis abends zufrieden sein. Nur so kommt der Gast wieder. «In einer Zeit, in der die meisten Skiorte auf ‹bigger is better› setzen, schlagen wir einen anderen Weg ein; wir sehen unsere Chance nicht in der Expansion, sondern in der ständigen Verbesserung der Infrastruktur sowie in der Perfektionierung des Service», sagt Mike Kaplan, einer von Aspens Chefplanern. «Wir wollen Weltspitze sein im Outdoor-Freizeitbusiness.»
Neben den üblichen Extravaganzen wie Tiefschneefahren mit komfortablen Snowmobilen (Heli-Skiing ist in den USA verboten) zeichnet sich ein neuer Trend ab: Die «Aspe- nites» wollen nicht nur die neuste Skimode ausführen, sondern auch auf der Piste glänzen. So ist die Nachfrage nach privaten Skilektionen enorm gestiegen, einige Skilehrer geniessen den Status von Stars und werden von den Gästen mit unglaublichen Trinkgeldern gepflegt. Ein privater Skilehrer kostet 435 Dollar pro Tag und unterrichtet zu diesem Preis bis fünf Personen. «An einem Sonntag im Februar sind auf unseren Pisten zwischen 500 und 600 private Skilehrer unterwegs», sagt Rich Burk- ley, Direktor der Ski- und Snowboardschule.
Grosser Beliebtheit erfreut sich in Aspen auch das Privatklub-Leben. Neben diversen Klubs im Dorfzentrum hat sich der gemütlich-feudale «Aspen Mountain Club» etabliert, der im neuen Sundeck-Building auf 3400 Meter Höhe eingerichtet wurde und laut eigenem Bekunden dem Bedürfnis nach «convenience, ease and attentiveness» Rechnung trägt. Er steht nur zahlenden Mitgliedern (75 000 Dollar Eintrittsgebühr) sowie einer Hand voll er- lesener Schweizer Gäste offen: Mitglieder des Corviglia Club St. Moritz und des Eagle’s Club Gstaad haben kostenlosen Zutritt. Ein passender Ort, um sich über ein Ferienhäuschen in Aspen zu unterhalten. Wo Michael Douglas, Jack Nicholson, Steven Spielberg, Cher, Melanie Griffith und halb Hollywood eine eigene Absteige haben, kann man nicht ganz falsch liegen. Seit ein paar Jahren gehen die Immobilienpreise explosionsartig in die Höhe. Kostete etwa ein durchschnittliches Haus vor sechs Jahren noch zwei Millionen Dollar, sind es heute bereits drei Millionen. Das kleinste Haus im Angebot ist derzeit für eine Million Dollar zu haben, bei einem Vier-Zimmer-Appartment ist man ab einer halben Million dabei.
«Rund 90 Prozent der Immobilien-Deals werden cash erledigt», sagt eine Maklerin. «Wichtigstes Kriterium für den amerikanischen Käufer ist, dass das Haus sofort bezugsbereit ist. Keiner will hier zwei Jahre mit Umbauten verbringen. Wenn ich heute eine Villa für zehn Millionen Dollar auf den Markt bringe, ist sie morgen verkauft, und die neuen Besitzer ziehen in zwei Wochen ein.»
Viele dieser neuen Besitzer kommen aus der New Economy und bringen frischen Wind nach Aspen. Komfort ist ihnen wichtiger als Konformität, Fun liegt ihnen näher als formelles Gehabe. Im 1879 gegründeten Silberminenstädtchen mit den hübschen viktorianischen Häusern und dem Wildwest-Flair herrscht denn auch eine sehr menschliche Atmosphäre. Ein Kleiderzwang wie in den Hotelpalästen in Schweizer Nobelskiorten ist hier undenkbar. Das, was Aspen zu Aspen macht und vom Rest der Winterwelt unterscheidet, ist nach Meinung von Klaus Obermeyer, Begründer des gleichnamigen Skimode-Labels und 80-jährige Aspen-Legende, folgender: «Hier ist die echte Party! Aspen, das ist Kitzbühel plus St. Moritz, das ist Hollywood im Pulverschnee, einfach fantastisch. Und da Aspen überschaubar ist, trifft man abends in den Restaurants und Bars die gleichen Leute, die man tagsüber auf der Piste gesehen hat.»
Obermeyers Euphorie ist ansteckend. Jedes Jahr, sagt man, rauschen drei Viertel aller auf der Welt registrierten Privatjets nach Aspen. Stau gibt es hier nicht auf den Strassen, sondern in der Luft. Viele Gäste beginnen bereits mittags mit dem Après-Ski und dem beliebten People-Watching in der schicken «Ajax Tavern». «Just do the scene», heisst das hier, und mit der untergehenden Sonne steigt die Simmung proportional zum Verlust der Sinne.
Szenenwechsel: Vail, zwei Autostunden östlich von Aspen, mag für den Schweizer Gast weniger einmalig sein, weil der lang gestreckte Ort eine Retortengeburt nach österreichischem Vorbild ist und deshalb in Amerika als «europäischster aller Skiresorts» gilt. Tatsächlich gibt es hier gar viele «Swiss Chalets» und «Austrian Houses», und in zahlreichen Hotels wird man auf Bayrisch oder Züritüütsch begrüsst. Die Pisten allerdings zeigen amerikanische Dimensionen. Die Freunde variantenreicher und endloser Traumpisten verdrehen die Augen vor lauter Vorfreude, wenn sie an die 300 Kilometer Skivergnügen denken. Wer auf zentraleuropäischen Pisten zu Hause ist, fragt sich, wo die anderen Skifahrer sind. Bei diesen Weiten und diesem idealen Pulverschnee kann man sozusagen auf Autopilot schalten und den Dingen freien Lauf lassen.
Zu Vail gehören auch die benachbarten Resorts Beaver Creek (mondän-amerikanisch), Breckenridge (sportlich-jung) und Keystone (familiär). Wie in Aspen sieht man den Skibergen ihre 3500 Meter Höhe kaum an. Das hat damit zu tun, dass die Baumgrenze in den südlichen Rocky Mountains bis zu den Gipfeln reicht. So wurden die meisten der 200 Abfahrten in den Wald hineingefräst. Selbst mit Hilfe eines Pistenplans braucht es viel Zeit, um sich in diesem Schneedorado zurechtzufinden. Aber in Vail, das voll auf «snow, service, sun, space and safety» setzt, hilft einem immer und überall ein «Ambassador» weiter – oft engagierte Privatleute und Pensionierte, die dafür einen Saisonpass erhalten. Bei gegenseitiger Sympathie schnallen diese «Botschafter» gleich selbst die Ski an und zeigen dem Neuling ein paar ganz spezielle Abfahrten. Besonders stolz sind die Einheimischen auf das Blue Sky Basin auf der Rückseite des Vail Mountain. Hier wird das Thema Skigebiet völlig neu interpretiert – als ein Stück gezähmte Wildnis für Deep-Powder-Fans; es ermöglicht einen Slalom durch den gelichteten Wald.
«Tree skiing» heisst das im amerikanischen Fachjargon. Hier darf der ökologisch korrekte Europäer tun, was zu Hause streng verboten ist: planlos durchs Gehölz preschen. Hier darf er sich fühlen, als wäre er weit weg von der Zivilisation und zudem in einer Zeit zu Hause, in welcher der Wilde Westen noch ein einziges grosses Abenteuer war. Natürlich bleibt da ein Sturz kaum aus. Kein Problem: Man scheint in eine dicke Daunendecke zu fallen. Nur wenn die Bindung aufgeht, ist neben Juchzern auch mal Fluchen zu hören. Und so mancher wünscht sich eine Art Tiefschneetaucherbrille, um verlorene Ausrüstungsteile zu orten.
Anschliessend dürfen natürlich die steilen «Back Bowls»-Pisten nicht fehlen, die Namen wie «Après vous», «Tourist Trap» und «Rasputin’s Revenge» tragen und dem Normalskifahrer schon beim blossen Anblick eine Gänsehaut einjagen. Die grösste Skischule der Welt (2000 Skilehrer) kann da Abhilfe schaffen; nach einem einschlägigen Kurs wie «Bump Adventure», «Cruise Control» oder «Style Plus» wedelt auch der Schweizer Sonntagsfahrer bald die legendären Buckelhänge herunter. Wer dazu noch neue Ski braucht, kann im Rossignol-Testcenter oben auf dem Berg nach Lust und Laune die neusten Bretter vor Ort ausprobieren.
Nur zwei Dinge vermisst der Schweizer Gast in den US-Skiresorts. Zum einen richtige Charakterberge. Zwischen Aspen und Vail hegt man die Vermutung, es handle sich um schneeüberzogene Schuttberge der einstigen Goldgräber. Wenn der Amerikaner Ski fahren geht, fährt er Ski. Punkt, Schluss. Pausen werden nur so lange ausgedehnt, wie unbedingt nötig. Und wenn, dann gibt es Fastfood und Kantinen-Atmosphäre statt Hüttenzauber. Ansonsten scheint der amerikanische Wintertraum tatsächlich ein einziges Märchen zu sein. Auch einige Luxushotels, allen voran «The Lodge at Vail» und das «St. Regis» in Aspen, sind trotz hartem Dollar die Reise und den Preis wert. Die Hoteliers, und das sei nicht abschätzig gemeint, haben Mut zum Klischee und dekorieren ihre Häuser mit schier atemberaubendem Wildwest-Kitsch. Der Service – müssen wir das noch erwähnen? – geht natürlich auch hier weit über das Übliche hinaus.
Infos: Schweizer Schneespezialist für die USA und Kanada: Knecht Reisen, Aarau, Tel. 062/824 70 54.
Aspen Skiing Company, Tel. 001/970/925 12 20, www.aspensnowmass.com.
Vail Resorts, Tel. 001/970/453 32 45, www.snow.com.
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