Normalerweise entgeht ihm nichts. Martin Winterkorn hat einen Ruf als technischer Perfektionist, der bei Bedarf auch höchstpersönlich etwa letzte Änderungen bei neuen Automodellen anschiebt. Ausgerechnet der Abgas-Skandal in den USA kostet den VW-Chef nun den Job.
Er ist ein detailverliebter Top-Manager mit einem besondere Faible für Technik - am Ende wurde für Martin Winterkorn das Ausmass des Abgas-Skandals in den USA aber doch zum Verhängnis.
Wichtige Entscheidungen selbst treffen
Der 68-Jährige wollte gewöhnlich jede wichtige Entscheidung selbst treffen. Vor dem Start neuer Modelle schaute «Mr. Qualität» deshalb rund um den Globus auch höchstpersönlich zur Endabnahme vorbei und verlangte dabei nicht selten letzte Änderungen.
Umso mehr traf ihn, dass es bei einem zentralen Technikthema wie der Einhaltung von Umweltstandards Manipulationen bei US-Abgastests gab: Er sei «fassungslos, dass Verfehlungen dieser Tragweite im Volkswagen-Konzern möglich waren», sagte Winterkorn zur Erklärung seines Rücktritts am Mittwoch in Wolfsburg.
So gross die Produktpalette bei VW auch ist: An dem Schwaben, den viele intern nur «Wiko» nannten, ging meist nichts Wichtiges vorbei. Bei den Mitarbeitern weltweit war sein Fachwissen bin hin zur kleinsten Schraube gleichermassen geachtet wie gefürchtet.
Gestandener Auto-Mann
Winterkorn wurde 1947 in Leonberg bei Stuttgart als Sohn eines Arbeiters und einer Hausfrau geboren. Nach dem Studium der Metallphysik und der Promotion begann seine Laufbahn 1977 zunächst bei Bosch. Eine entscheidende Weichenstellung war vier Jahre später der Wechsel in die Audi-Zentrale nach Ingolstadt. 2002 wurde Winterkorn Audi-Chef, 2007 schaffte er es dann an die VW-Spitze.
Auch in Wolfsburg war der zweifache Vater höchst erfolgreich. Er baute den Konzern zu einer Zwölf-Marken-Gruppe aus, fuhr Rekordzahlen ein und war der mit Abstand bestbezahlte Chef eines Unternehmens im deutschen Börsenindex Dax.
Geerdeter und bodenständiger
Weggefährten beschreiben Winterkorn gern als extrem zielorientierten Sacharbeiter, der nur wenig Privates preisgibt. Der wochenlange Machtkampf mit dem inzwischen abgetretenen Ex-VW-Patriarchen Ferdinand Piëch im Frühjahr habe ihn jedoch verändert, Winterkorn sei geerdeter und bodenständiger geworden.
«Das hat mich schon sehr getroffen. Wen würde so etwas nicht berühren?», sagte der Manager. Winterkorns eigener Rücktritt wegen der Diesel-Affäre dürfte nun auch nicht wenige Mitarbeiter in dem riesigen Konzern betroffen machen.
(sda/ccr)