US-Präsident Donald Trump hat überraschend den umstrittenen FBI-Chef James Comey entlassen und damit einen politischen Proteststurm entfacht. Das Präsidialamt begründete am Dienstag den Schritt mit Comeys Vorgehen in der E-Mail-Affäre um Hillary Clinton unmittelbar vor der Präsidentenwahl. Hochrangige Demokraten verwiesen jedoch darauf, dass Comey eine von mehreren Ermittlungen wegen der mutmasslichen russischen Einflussnahme auf die Wahl leite. Während einige Republikaner den Schritt lobten, zeigten sich andere verstört. Kritiker zogen Parallelen zum Vorgehen von Präsident Richard Nixon in der Watergate-Affäre.
Das Präsidialamt veröffentlichte einen Brief Trumps an Comey, in dem es hiess, der Direktor könne seine Behörde «nicht mehr effektiv führen». Es sei «zwingend notwendig», einen neuen Chef zu finden, um das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Bundespolizei wiederherzustellen. Unter Berufung auf eine Beurteilung des Justizministeriums hiess es, Comey hätte seine Schlussfolgerungen in der E-Mail-Affäre nicht Ende Oktober - der heissen Phase des Wahlkampfs - veröffentlichen dürfen. Es sei unverständlich, warum Comey sich der Einsicht verschliesse, dass diese Entscheidung «nach fast einhelliger Einschätzung falsch» gewesen sei. Das FBI untersteht dem US-Justizministerium.
Demokrat Conyers: «Riecht nach einer Vertuschung»
Die Entlassung «riecht nach einer Vertuschung» und sei Teil eines Versuches, die Russland-Untersuchungen zu behindern, sagte der ranghöchste Demokrat im Justizausschuss des Repräsentantenhauses, John Conyers. Die USA stünden am Rande einer Verfassungskrise. Der Minderheitsführer im Senat, Chuck Schumer, sagte, er habe Trump in einem Gespräch vorgeworfen, «einen sehr grossen Fehler» gemacht zu haben. In einem nächtlichen Tweet erklärte Trump seinerseits, Schumer habe Comey jüngst selbst kritisiert.
Cryin' Chuck Schumer stated recently, "I do not have confidence in him (James Comey) any longer." Then acts so indignant. #draintheswamp
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) 10. Mai 2017
Die republikanischen Senatoren Lindsey Graham und Roy Blunt lobten Trumps Entscheidung als Chance für einen Neuanfang bei den Russland-Ermittlungen. Dagegen sagte der republikanische Vorsitzende des zuständigen Ermittlungskomitees im Senat, Richard Burr, «Zeitpunkt und Begründung» der Entlassung seien aus seiner Sicht verstörend. Mehrere Demokraten, aber auch der einflussreiche republikanische Senator John McCain, forderten einen Sonderermittler oder -ausschuss, um den Russland-Vorwürfen auf den Grund zu gehen.
Kritiker: «Nixonischer» Vorgang
Gleich mehrere Demokraten zogen bei ihrer Kritik Parallelen zum «Saturday Night Massacre» 1973, als Nixon in der Watergate-Affäre einen unabhängigen Sonderermittler entliess. Die Senatoren Patrick Leahy und Bob Casey beschrieben Trumps Vorgehen als «Nixonian» (dt. etwa «nixonisch»). Auch die «New York Times» verwies in einem Hindergrundstück auf die Vorgänge von 1973. Gegen Nixon wurde ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet, er gab sein Amt 1974 auf.
In den USA laufen mehrere Ermittlungen wegen einer möglichen Einflussnahme Russlands insbesondere auf die Wahl sowie unzulässiger Verbindungen zur Trump-Regierung. Allerdings ist die Untersuchung im Repräsentantenhaus wegen des Streits zwischen den Parteien blockiert und auch der Senat kommt kaum voran. In beiden Kammern halten Trumps Republikaner eine Mehrheit. Die Regierung in Moskau und der US-Präsident weisen alle Vorwürfe zurück. Aus US-Kreisen wurde in der Nacht bekannt, Trump werde sich am Mittwoch mit dem russischen Aussenminister Sergej Lawrow treffen.
FBI-Kreise: Keine Vorwarnung
Beim FBI wurde einem Insider zufolge eine Dringlichkeitssitzung des Personals einberufen. Selbst hochrangige Mitarbeiter seien von dem Schritt völlig überrascht worden, hiess es. Die Behörde mit 56 Vertretungen in den USA und mehr als 30'000 Mitarbeitern dürfte zunächst von Vize-Chef Andrew McCabe geleitet werden. Der neue Direktor muss von Trump nominiert und vom Senat bestätigt werden. Comey war von Präsident Barack Obama eingesetzt worden, seine Amtszeit lief eigentlich bis 2023.
Comey hatte elf Tage vor der Wahl bekanntgegeben, dass neue E-Mails aufgetaucht seien, die im Fall Clinton möglicherweise relevant seien. Zwei Tage vor der Abstimmung sagte er dann, es gebe keine Anhaltspunkte für eine Anklage. Die Demokraten haben sein Vorgehen scharf kritisiert und machen es für Clintons Niederlage mitverantwortlich. Trump hatte zunächst die Einstellung der Untersuchung kritisiert, später dann Comey gelobt. Vor einigen Tagen verteidigte dieser sein Vorgehen vor einem Kongressausschuss. Ihm sei «etwas übel» bei dem Gedanken, dass er damit vielleicht die Wahl beeinflusst habe. Trotzdem habe er richtig gehandelt.
(reuters/ccr)
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