Der Flugverkehr ist nach wie vor eingeschränkt  – und diese Entwicklung gibt der Bahn Aufwind. So setzte Swiss, die Fluggesellschaft, Mitte August auf einen Zubringerzug von Genf zum Flughafen Zürich sowie von Lugano nach Zürich. Man wolle die Zahl der Flüge im Inland reduzieren, erklärte die Airline. Auch Air France bietet in der Corona-Zeit keine Inlandflüge mehr an. Bis nächsten Sommer sollen die Flüge zwischen französischen Städten auf die Hälfte des Vorjahresstandes reduziert werden.

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Sowohl die Viruskrise als auch das Klimaproblem stellen dieselbe Frage in den europäischen Raum: Wo braucht es das Flugzeug überhaupt noch? Und wo kann es weg? Gewisse Strecken lassen sich mit dem Hochgeschwindigkeitszug zurücklegen. Andere Distanzen liessen sich mit dem Nachtzug effizient überbrücken.

Nachtzüge sind «in»

Die Buchungszahlen bei den Nachtzügen seien seit dem Sommer wieder zufriedenstellend, sie lägen jedoch noch unter den Zahlen des Vorjahres, sagt Bernhard Rieder; er ist Sprecher der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) – dem führende Anbieter. Besonders gefragt seien Schlafwagen oder Privatabteile im Liegewagen, so Rieder weiter: «Auf vielen Strecken, wie auch von Zürich nach Wien oder von Wien nach Hamburg, ist gerade der Schlafwagen schon wieder sehr gut gebucht.» Vor allem Familien würden Schlafwagen oder Privatabteile bevorzugen.

Ein Ticket für den Nachtzug der ÖBB von Zürich nach Berlin kostet unter der Woche rund 180 Euro. Ein Flug mit Easyjet kostet rund 150 Euro. Der Unterschied dabei: Easyjet fliegt Berlin von Zürich aus nicht jeden Tag an. Der «Nightjet» – der Nachtzug der ÖBB mit vielsagendem Namen – fährt die Route hingegen täglich.

Mehr Linien zusammen mit der ÖBB

Nun planen die ÖBB und die SBB einen weiteren «Nightjet»-Ausbau: Bis 2024 sollen Nachtzüge von Hamburg bis Barcelona und Rom verkehren, mit Zürich in der Mitte. Die SBB hat in den letzten Tagen kommuniziert, dass sie in den nächsten Jahren zusammen mit den ÖBB das Angebot an Nachtzügen ab der Schweiz von sechs auf zehn Linien ausbauen möchte. 

Nachtzug

So soll das Nachtzug-Netz in Zukunft ausschauen.

Quelle: ZVG

Verbindungen in den Süden sollen ausgebaut werden

Aber die Sache ist auch ein Politikum. Auf einen Ausbau der Nachtzugstrecken drängt beispielsweise die Organisation «Umverkehr»: Sie hat mit einem französischen Kollektiv das Konzept «Oui au train de nuit» erarbeitet. Dabei soll das Nachtzugnetz auch West- und Südeuropa abdecken. «Besonders Frankreich, die Beneluxstaaten, Spanien und Italien sollen mit Destinationen wie Brüssel, Brest, Bordeaux, Nizza, San Sebastian, Neapel und Triest schlafend ab der Deutsch- und Westschweiz erreicht werden können», fordert Andrea von Maltitz von der Alternativ-Verkehrsorganisation.

Das Konzept wurde im Juli den Verantwortlichen der SBB in einem Austausch vorgestellt und im Rahmen der eigenen Planung einbezogen.

Vincent Ducrot, CEO der Schweizerischen Bundesbahnen SBB, portraitiert am 7. Mai 2020 am Hauptsitz der SBB in Bern. (KEYSTONE/Christian Beutler)

SBB-Chef Vincent Ducrot über Nachtzüge: «Die Nachfrage ist tatsächlich stark gestiegen im letzten Jahr.»

Quelle: Keystone

Der SBB-Chef äusserte sich soeben in der «Sonntagszeitung» zum Thema: Er freue sich über den geplanten Ausbau, so Vincent Ducrot – aber er gab auch zu bedenken: «Wir sind gegenüber den Airlines massiv im Nachteil. Ein Nachtzug kostet uns so viel wie ein Airbus.» Der Grund liege auf der Hand: Ein Nachtzug könne nur einmal pro Tag fahren, Easyjet hingegen fünf- bis siebenmal pro Tag eine Destination in Europa anfliegen.

Franzosen schwärmen von Verbindungen in die Schweiz

Der TGV Lyria, der von der Schweiz nach Frankreich fährt, hat 2019 über fünf Millionen Gäste transportiert. Er fährt täglich sechsmal zwischen Zürich, Basel und Paris hin und her. Dabei seien die Züge jeweils voll ausgelastet, sagt Sébastien Bourqui von TGV Lyria. 

Seit gestern hat sich die Zahl der Verbindungen zwischen den beiden Ländern auf elf tägliche Hin- und Rückfahrten eingependelt. Dabei umfasst das Angebot

  • vier Hin- und Rückfahrten von Genf nach Paris;
  • drei Hin- und Rückfahrten von Lausanne nach Paris über Dijon;
  • vier Rundreisen von Zürich über nach Paris.

«Die Krise hat das Bewusstsein der Reisenden für die Auswirkungen ihrer Fahrten auf die Umwelt geschärft», sagt Bourqui. Der Trend sei klar: Die europäischen Eisenbahnstrecken würden weiter ausgebaut. 

Dabei werde auch das Angebot verbessert: Es gibt mehr Komfort in den Zügen, die Fahrpläne seien besser aufeinander abgestimmt, und es würden neue Klassen mit einem besseren Angebot eingeführt. Gleichzeitig würden aber die Preise weiterhin angepasst: Es gibt bereits Tickets für 55 Franken für eine einfach Fahrt nach Frankreich

Eigentlich schneller als das Flugzeug

Was die Geschwindigkeit betreffe, so sei das Stadtzentrum von Basel knapp drei Stunden von der Pariser Innenstadt entfernt, sagt Bourqui. «Wenn man den Zeitverlust auf dem Flughafen und zwischen dem Flughafen und dem Stadtzentrum berücksichtigt, ist der Zug in allen Punkten konkurrenzfähig.»

TGV Lyria verzeichnete im Sommer demnach auch «eine positive Dynamik bei Touristen und Familien», die mit dem Zug nach Frankreich reisen. Trotz dieser Entwicklung müsse Europa noch mehr auf den Ausbau von Schnellstrecken setzen, heisst es bei den Bahnbetreibern unisono. 

Ohne Abgaben geht es kaum

Auch die EU und die Regierung in Berlin wollen den Eisenbahnverkehr zwischen den europäischen Metropolen fördern. Sowohl das Verkehrsministerium in Berlin als auch die EU-Kommission treiben Projekte voran, um das – an sich schon bestehende – Hochgeschwindigkeitsnetz in Europa zu verbinden und zu ergänzen.

Dabei wird allerdings auch das Problem greifbar: Alle Ausbauprojekte sind bislang immer wieder aus Kostengründen gescheitert. Die Zugstrassen erwiesen sich schlicht als eher teuer. Ein Wandel müsste also irgendwie subventioniert werden. Zum Beispiel mit Emissionsabgaben.

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