Die Business-Idee
Rund 745’000 Personen in der Schweiz waren laut Bundesamt für Statistik 2021 von Armut betroffen. Das Startup Materiabona möchte genau diesen Menschen helfen: «Wir vermitteln überschüssige Konsumgüter an soziale Organisationen, die dann die Waren an Bedürftige verteilen», sagt Mitgründer Bjarne Bäth-Albertini und fügt hinzu: «Das ist nicht nur ein soziales Thema, sondern auch ein Thema der Nachhaltigkeit.» Denn ob Duschgels, Babywindeln, Nuggis, Handcremes oder Zahnpasta – das alles werde regelmässig überproduziert oder könne wegen kleiner Mängel wie Fehldrucken oder Fehlbefüllungen nicht mehr im freien Handel verkauft werden.
Das Startup bringt Angebot und Nachfrage zusammen, nimmt Unternehmen und NGOs die administrative Arbeit ab und führt so die fabrikneuen Waren wieder ihrem ursprünglichen Zweck zu.
Die Gründer
Auf die Idee kam Beatriz Schreib während ihrer sechsjährigen Tätigkeit als Präsidentin des Gönnervereins der Schweizer Tafel. Dort knüpfte sie nicht nur jede Menge Business- und Spender-Kontakte, sondern lernte auch Bäth-Albertini kennen, in welchem sie einen Mitstreiter fand. Bäth-Albertini bringt Wissen in Logistik, Finanzen und Unternehmertum mit.
Im Sommer 2021 gründeten sie gemeinsam die gemeinnützige GmbH in Erlenbach ZH. Die Logistikfirma Holenstein aus dem Kanton St. Gallen ist der Lager- und Transportpartner von Materiabona. Eingebettet ist die GmbH in das internationale Netzwerk «In Kind Direct International», das etwa in Grossbritannien, Deutschland und Frankreich für die Umverteilung überschüssiger Waren sorgt. «Diese Anbindung und der Austausch sind uns wichtig, um als vertrauenswürdiger Partner beider Seiten ernst genommen zu werden», betont Bjarne Bäth-Albertini.
Der Markt
McKinsey & Company hat für Materiabona ehrenamtlich eine Studie durchgeführt und kam zu dem Ergebnis, dass in der Schweiz pro Jahr Konsumgüter wie Hygieneartikel, Pullover oder Putzmittel mit einem Marktwert von rund einer Milliarde Franken überschüssig sind. Neben Produktionsfehlern seien auch eine überschätzte Nachfrage, die bewusste Wahl hoher Stückzahlen, um Kosten zu sparen, die Aussortierung von Saisonware und Standortschliessungen potenzielle Ursachen.
Neben den grossen multinationalen Konzernen sei das auch ein Problem von mittelständischen Firmen. «Wir wollen nicht mit erhobenem Zeigefinder auftreten, sondern sehen uns als Partner», sagt Bäth-Albertini. Die Gründer gehen seit 2022 proaktiv auf Unternehmen zu und fragen nach Überschussware. «Weil das Thema Nachhaltigkeit den allermeisten mittlerweile sehr bewusst ist, stossen wir auf offene Ohren», sagt Bäth-Albertini. Immer häufiger würden sich auch Unternehmen direkt melden.
Auf Materiabona.org können offiziell anerkannte soziale Organisationen dann den Lagerkatalog durchstöbern und für rund einen Drittel des üblichen Marktpreises zugreifen. Aktuell sind rund siebzig NGOs registriert, über die rund 70’000 Bedürftige erreicht werden könnten.
Das Kapital
Schreib ist zu 80 Prozent im Einsatz und mit Familienvermögen investiert, Bäth-Albertini widmet sich mit 20 Prozent seiner Zeit und seines Geldes der Idee. Unterstützung bekommen die beiden aus Spenden- und Stiftungsgeldern.
Die Chance
Die gemeinnützige GmbH ist nach eigenen Angaben nicht auf Profit ausgerichtet. «Wir haben bereits längere Zeit mit der Steuerbehörde des Kantons Zürich gekämpft, um eine Steuerbefreiung zu erhalten, sind aber gescheitert – das ist sehr schade», so der Gründer. In einem NZZ-Interview betonte Beatriz Schreib, dass sie sich alternativ im Kanton St. Gallen anmelden könnten, wo sich die Logistikzentrale befindet. Hier könnte man sich immerhin einen Lohn auszahlen, um sich am Ende des Monats ein paar Schuhe zu kaufen. «Aber das fühlt sich unehrlich an», so Schreib.
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