Die Business-Idee
Stürze sind die häufigsten Unfälle in der Freizeit. Und auch in der Schweiz sind ältere Menschen besonders betroffen. Denn Gleichgewichtssinn und Kraft nehmen ab, und schon beim normalen Gehen werden die eigene geminderte Reaktionsfähigkeit sowie Teppiche und Türschwellen zu gefährlichen Stolperfallen, zu Hause und im Spital. Zahlen des Bundesamtes für Statistik zeigen, dass mehr als jeder oder jede Vierte zwischen 65 und 79 Jahren mindestens einmal im Jahr stürzt. Das Problem: «Ein Sturz hat oft schwerwiegende Folgen bis hin zum Verlust der Selbstständigkeit oder Tod», sagt Cyrill Gyger, Mitgründer und CEO des Digital-Health-Care-Startups Qumea. «Das belastet nicht nur Betroffene und Angehörige, sondern auch die komplette Volkswirtschaft – jeder Sturz kostet etwa 30 000 Franken.» Deshalb hat das Solothurner Jungunternehmen einen 3D-Radar-Sensor entwickelt, der zur Sturzprävention in Spitälern und Heimen beitragen soll. «Unser Sensor erfasst mithilfe von Mikrowellen die genaue Position des Patienten oder der Patientin im Raum und erkennt Bewegungen», sagt Gyger. «Versucht eine Patientin mit hoher Sturzgefahr unbeaufsichtigt aus dem Bett zu steigen, wird eine Pflegeperson alarmiert, die eingreifen kann.»
Die Gründer
Gyger und seine Mitgründer David Meier und Ido Gershoni haben allesamt einen Hintergrund in Sensorik und Engineering. «Der Markt kam sozusagen zu uns», sagt Gyger lachend. «Eine geriatrische Klinik in Basel, die mit Sturzproblemen zu kämpfen hat, suchte eine Lösung.» Gemeinsam mit dem Spital entwickelten die drei ihren Sensor, schauten sich an, was der Markt bereits an Konkurrenzprodukten zu bieten hat und wo die Nachteile liegen, und testeten erste Prototypen in der Praxis. Im Oktober 2019 gründeten sie ihr Startup. «Innerhalb eines Jahres war das Produkt serienreif. Es ist heute bereits in Einrichtungen im Einsatz – und wir sind bereit zum Rollout in weitere Spitäler und Heime», so Gyger.
Der Markt
Die sogenannte Klingelmatte ist bisher das am weitesten verbreitete Hilfsmittel zur Sturzprävention. «Sie ist altbewährt, hat aber klare Nachteile, weil sie zum einen selbst zur Stolperfalle werden kann und zum anderen nur an einer Stelle vor dem Bett liegt und deshalb kreative Bettausstiege nicht erkennt», sagt Gyger. Mit Mikrowellen, die rund hundertmal schwächer sind als Mobilfunk- und WLAN-Strahlen, erfasst der Qumea-Sensor den kompletten Raum, nimmt die genaue Position der Patientin oder des Patienten und auch kleinste Bewegungen wahr. «100 Millionen Bewegungspunkte werden pro Sekunde verarbeitet, ausserdem wird das Raumklima erfasst», so der CEO. «Die gekoppelte künstliche Intelligenz übersetzt die Daten in Handlungsempfehlungen und informiert das Pflegepersonal in Echtzeit.» Die Alarmierung kann auf Wunsch per App oder wie in medizinischen Einrichtungen klassisch über den Lichtruf erfolgen.
Unsere Startup-Serie «Upbeat» porträtiert jede Woche ein Schweizer Jungunternehmen multimedial in Print, Audio und Video. Daneben kommen die wichtigsten Investoren und Akteure der Innovationsszene zu Wort. Bleiben Sie dran, im Format Ihrer Wahl: Text, Bild und unterhaltsame Videos finden Sie jede Woche auf handelszeitung.ch/upbeat oder in den sozialen Netzwerken. Den Podcast mit vielen Tipps für Menschen, die selber in der Startup-Welt durchstarten möchten, finden Sie auf Apple Podcasts und Spotify – und überall da, wo Podcasts zu Hause sind.
Das Kapital
Anfangs war das Jungunternehmen selbstfinanziert. Im April haben die Gründer ihre erste Finanzierungsrunde in Höhe von 1,8 Millionen Franken abgeschlossen. Mit der Finanzspritze soll das internationale Wachstum vorangetrieben und das Team ausgebaut werden. Zudem erhoffen sich die Gründer Weiterentwicklungen im medizinischen Bereich.
Die Chance
«Weitere Einsatzgebiete werden aktuell erforscht, wie etwa das Erkennen von nächtlicher Epilepsie bei Kindern», so Gyger. Zudem wurde ein Innosuisse-Projekt gestartet, das eine Sensorik zur Prävention von Dekubitus, also Wundliegegeschwüren, hervorbringen soll: «Hier stehen Daten über die Lage und Mobilisierung der Patienten im Vordergrund.»