Die Business-Idee
Spracherkennung ist ein Topthema der letzten Jahre. Egal ob Amazons Alexa oder Microsofts Cortana: Wenn die Geräte der grossen Anbieter die Befehle und Sätze ihrer User nicht verstehen, sind sie wertlos. Deshalb investieren die Unternehmen viel, damit etwa auch genuscheltes Englisch von Alexa und Co. sehr gut verstanden wird. Aber wie stellt man sicher, dass auch Dialekte, die von nur wenigen Menschen gesprochen werden, von den Technologien erkannt werden? Wie können regionale Sprachvariationen so erkannt werden, dass die Sprecherinnen und Sprecher nicht in die Standardsprache wechseln müssen?
Mit diesem Projekt befasst sich das Walliser Startup Recapp. Das Unternehmen bietet Spracherkennung bis auf Dialektebene hinunter. So wird etwa Walliserdeutsch von der Swisscom-TV-Box erkannt, weil Recapp jahrelang daran getüftelt hat. Inzwischen hilft Recapp auch vielen kantonalen Parlamenten bei der Transkription von stundenlangen Debatten im Plenum und nimmt damit den bisher dafür Zuständigen viel Arbeit ab.
Die Gründer
David Imseng arbeitet mit acht Personen bei Recapp. «Wir sind ein Familienunternehmen», lacht er. Seine Frau ist im Team und kümmert sich eher um Managementaufgaben, während er aus der wissenschaftlichen Ecke kommt. Imseng studierte an der EPFL in Lausanne und am International Computer Science Institute im amerikanischen Berkeley. Als Postdoktorand am Forschungsinstitut Idiap in Martigny beschäftigte er sich immer stärker mit dem Feld der Spracherkennung und damit zusammenhängend mit künstlicher Intelligenz und Machine Learning.
Einer Software Dialekt beizubringen, sei eine besondere Knacknuss, so Imseng, da es keine standardisierte Schreibform und auch nicht viele Daten etwa zum St. Galler, Schaffhauser oder Glarner Dialekt gibt. Neben der komplexen und oft nicht klar geregelten Grammatik spielt natürlich auch die Aufnahmequalität eine Rolle. Ist das Mikro nahe am Sprecher, ist die Sprachausgabe einfacher, als wenn mehrere Personen sprechen oder es in der Umgebung laut ist. Ein wichtiges Projekt für Recapp und alle anderen Anbieter im Markt: auch bei schlechter Tonqualität möglichst richtige Ergebnisse zu erzielen.
Der Markt
Grosse Player wie Google oder Amazon arbeiten fieberhaft am Thema Spracherkennung. Recapp befindet sich in einer Nische: Die überschaubare Zahl von Sprechenden der Schweizer Dialekte motiviert die Weltkonzerne nicht unbedingt, viel zu investieren. Für Recapp eine grosse Chance, irgendwann zu einem Übernahmekandidaten zu werden.
Unsere Startup-Serie «Upbeat» porträtiert jede Woche ein Schweizer Jungunternehmen multimedial in Print, Audio und Video. Daneben kommen die wichtigsten Investoren und Akteure der Innovationsszene zu Wort. Bleiben Sie dran, im Format Ihrer Wahl: Text, Bild und unterhaltsame Videos finden Sie jede Woche auf handelszeitung.ch/upbeat oder in den sozialen Netzwerken. Den Podcast mit vielen Tipps für Menschen, die selber in der Startup-Welt durchstarten möchten, finden Sie auf Apple Podcasts und Spotify – und überall da, wo Podcasts zu Hause sind.
Imseng sieht aber gerade die Unabhängigkeit von grossen Playern als grösste Stärke und USP der Firma. «Viele Kunden wollen vielleicht nicht, dass ihre Sätze ewig in der Cloud lagern, etwa bei Bankgeschäften.» Hier verspricht die Anwendung des Walliser Jungunternehmens mehr Sicherheit und Nachvollziehbarkeit bei der Datenspeicherung. Die Kundenliste ist inzwischen lang: von vielen kantonalen Parlamenten bis hin zu SRF, Swisscom, SBB oder dem Medienbeobachtungsdienst Argus.
Das Kapital
Bisher konnte die Arbeit der Firma ohne grosse externe Kapitalspritzen finanziert werden. Unterstützt wurde Recapp aber beispielsweise von der Walliser Stiftung The Ark, die die Innovation im Kanton mit Vernetzungsangeboten fördert. Heute hat Recapp aber auch Büros in Bern und in Zürich. Immer wieder erhielt das Unternehmen Auszeichnungen, etwa als es für die Schweizer Top-100-Startup-Liste benannt wurde.
Die Chance
Heute blickt Imseng mit seinem Team in Richtung Ausland. «In Österreich und Deutschland gibt es ja ebenfalls viele sehr dialektgeprägte Regionen.» Hier sieht er Expansionspotenzial. Grosse Stellenaufstockungen erwartet er aber in nächster Zeit nicht, sondern ein organisches Wachstum entlang von Projektaufträgen.