Seit einem halben Jahrhundert versucht die bürgerliche Ratsseite, den Eigenmietwert auf selbstbewohntem Eigentum abzuschaffen. Von Pensionierten mit knappen Renten und Eigentümerfamilien mit tiefen Schulden wird dieses Naturaleinkommen als höchst unfair empfunden. Man zahlt auf etwas Einkommenssteuern, das man nicht eingenommen hat. Das führt bei Pensionierten zur paradoxen Situation, dass sie Vorsorgeguthaben verkaufen müssen, um jährlich die Steuern begleichen zu können.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Diesen Herbst hat sich das Parlament in zwei Beschlüssen dazu durchgerungen, eine Lösung zu finden, die den Eigenmietwert abschafft. Die Lösung ist ein fast vollständiger Systemwechsel: kein fiktives Einkommen mehr, aber dafür auch keine Zins- und Unterhaltsabzüge mehr auf das selbstbewohnte Eigentum. Damit wären die Betroffenen steuerlich der Mieterschaft gleichgestellt.

Die SP und die Grünen haben gute Gründe, die jetzige Vorlage nicht mehr zu bekämpfen, wie sie es in den vergangenen 25 Jahren in vier Volksabstimmungen getan haben. SP-Vizepräsidentin Jacqueline Badran unterstützt zu Recht die vorliegende Lösung. Ihre Parteigenossinnen und -genossen sollten ihren Überlegungen folgen und auf ein Referendum dagegen verzichten.

Bürgerliche, auf die Zähne beissen!

Nicht nur im linken Spektrum könnte ein Referendum lanciert und zum Risiko werden. Auch Bürgerliche und Kantone spielen mit dieser Idee. Gewisse Hauseigentümerkreise sind nicht zufrieden. Sie würden am liebsten den Eigenmietwert abschaffen, aber all die Steuerabzüge, die mit selbstbewohntem Eigentum heute möglich sind, beibehalten. Dies würde zu einer deutlichen Rechtsungleichheit bei der Besteuerung führen. Linke Politkreise hätten ein leichtes Spiel, solche unausgewogenen Vorlagen an der Urne – erneut – zum Scheitern zu bringen.

Es gäbe ein paar sachliche Argumente für die Beibehaltung des heutigen Systems. Etwa dass ein Systemwechsel die Lage für Neuerwerber mit hohen Hypothekarschulden verschärft. Eine Wohnimmobilie zu kaufen, wird finanziell noch schwieriger werden als bisher. Dies ist ein Problem. Dafür sollte das Parlament noch Lösungen finden.

Ein anderer Grund für die Beibehaltung ist der Anreiz, zu sanieren: Heute werden Renovationen durch Unterhaltsabzüge steuerlich gefördert. Verbietet man sie, dürften selbstbewohnte Immobilien eher verlottern als bisher. Doch da gibt es bereits Alternativen: Energetische Sanierungen werden heute mit Subventionen gefördert. Abzüge für solche Umbauten könnten vom Parlament noch erwogen werden, steuertechnisch schenken sie aber kaum ein. Die bürgerliche Ratsseite tut gut daran, der Vorlage zuzustimmen und keine Sonderrechte zu verlangen, die die Abschaffung an der Urne gefährden könnten. Diese Vorlage ist ein Kompromiss. Aber für einmal ein Kompromiss mit Chancen.