Alle kennen das Narrativ: In der zweiten Säule zahlen die Jungen für die Pensionierten. Die eidgenössische Oberaufsichtskommission zum BVG (OAK-BV) errechnete für 2019 mit einer kalkulatorischen «Umverteilung» von 7 Milliarden Franken von Jung zu Alt. Mit dem raschen Zinsanstieg der SNB, von dem die Pensionskassen stark profitieren, verschwand diese «Umverteilung» 2021 mit 0,2 Milliarden Franken beinahe. Im 2022 war sie gänzlich weg. Damit brach die Hauptbegründung für die Senkung des Umwandlungssatzes in sich zusammen.
Mein Fokus in dieser Kolumne liegt anders. Er zielt auf die hohen strukturellen Verwaltungs- und Vermögensverwaltungskosten der zweiten Säule. In den BVG-Einrichtungen versickern rund 8 Milliarden Rentenfranken pro Jahr in der Banken- und Finanzszene. Dies entspricht fast jedem fünften Renten- und Kapitalleistungsfranken. Dazu herrscht in der BVG-Szene eine Omertà, eine Kultur des Schweigens und Verdrängens.
Ich stütze mich nicht auf jenes journalistische Buch, das einen Rentenklau von 20 Milliarden behauptet. Die folgende Kostenaufstellung für das Jahr 2021 (es gibt keine aktuellere) stammt aus den offiziellen Quellen, nämlich aus der BFS-Pensionskassenstatistik und aus den Erhebungen Pensionpeers.ch, die von der Beratungsfirma C-alm im Auftrag der OAK-BV erstellt worden sind. Sie sind aber nicht für jede Kasse einzeln zugänglich. Hier sind nur die aggregierten Zahlen für 2021:
Der Gastautor
Rudolf Strahm ist ehemaliger Preisüberwacher und Ex-SP-Nationalrat.
Erstens, die eigenen Verwaltungskosten der rund 1400 Vorsorgeeinrichtungen betrugen 981 Millionen Franken (entsprechend 8 Basispunkten oder 172 Franken pro aktiven und pensionierten Versicherten).
Zweitens, die Vermögensverwaltungskosten (autonom und rückgedeckt) wurden insgesamt mit 6457 Millionen Franken ausgewiesen, was im Durchschnitt 48 Basispunkte oder 1130 Franken pro Versicherten ausmachte. Sie versickern bei Vermögensverwaltungen, Banken und Hedgefonds und variieren extrem von Kasse zu Kasse zwischen 20 und 80 Basispunkten. Die Gemeinschaftseinrichtungen und Sammelstiftungen gehören mit 70 bis 80 Basispunkten zu den teuersten.
Drittens, die Kostenprämien, die einzelne Pensionskassen (nur ein Teil von ihnen) an die Gemeinschaftseinrichtungen für die Rückdeckung entrichten müssen, belaufen sich auf weitere 708 Millionen Franken (6 Basispunkte oder 124 Franken pro Kopf).
Zusammengezählt sind 2021 gemäss Pensionpeers.ch/OAK total 8,146 Milliarden Franken in der zweiten Säule versickert. Im Durchschnitt waren es 62 Basispunkte oder 1426 Franken pro PK-Versicherten. Das entsprach fast jedem fünften Renten- und Kapitalleistungsfranken des Jahres 2021!
Wir haben nie eine staatliche Deckelung dieser Einzelkosten gefordert, aber eine Veröffentlichung mit einer vergleichbaren Kennzahl für alle Kassen, wie wir sie bei den KV-Prämien kennen. Eine solche Transparenz würde einen heilsamen Wettbewerbsdruck auf die hohen Sickerkosten, etwa bei Hedgefonds und Vermögensverwaltungen, bewirken, vielleicht leider auch einen Fusionsdruck auf die kleinen Kassen. Als Kennzahl zur Vergleichbarkeit der einzelnen Kassen käme entweder das Kostentotal in Prozent des Gesamtkapitals infrage oder in Prozent der jährlichen Rentenleistungen – oder in Franken pro Versicherten und Jahr.
Es bräuchte keine Gesetzesänderung. Eine Weisung des EDI an das Bundesamt für Statistik würde genügen. Die Pensionskassenszene hat alles getan, dass diese Ziffern im Kleingedruckten der Kassenberichte versteckt bleiben. Doch die Kostenfrage wird nächstes Jahr wohl zum Abstimmungsthema werden.
4 Kommentare
Die 8 Mrd. „versickern“ nicht, sie werfen abgegriffen!
Niemand würde in ein System investieren, das 10-20% (!) des eingesetzten Kapitals verschlingt. Die zweite Säule ist ein Selbstbedienungsparadies für unsere Finanzindustrie. Entsprechend hart wird diese ihre Pfründe verteidigen.
Transparenz für alle, das ist einer der zwei Schlüssel für eine effiziente Lösung. Transparenz ist ein günstiger Schlüssel, der keine Gesetzesänderung oder sonst ein aufwendiges Verfahren benötigt.
Der Gastkommentar von Rudolf Strahm beginnt schon mit einer grossen "Verdrehung". Es ist nicht in der 2ten Säule wo die Jungen für die Alten bezahlen. Diesen Szenario betrifft die AHV. In der 2ten Säule spart jeder für sich. Die linke Seite möchte natürlich gerne eine Einheitskasse, auch für die 2te Säule. Mir ist es lieber etwas mehr Verwaltungskosten zu bezahlen und dafür bei einer privat geführten Vorsorge Kasse der 2ten Säule dabei zu sein. Eine Einheitskasse betreffend der 2ten Säule würde sicher noch höhere Verwaltungskosten verursachen, da ein solcher Apparat so riesengross wäre, dass er gar nicht effizient geführt werden könnte und mit etwas Polemik, schon gar nicht von Staatsdienern. Thomas Huwiler, Etoy