Viel Aufwand für wenig Geld und reihenweise Grundsätze, die über Bord geworfen werden. So könnte man zusammenfassen, was im Parlament gerade in Sachen Stahl Gerlafingen läuft. Am Dienstag entschied der Nationalrat mit einer klaren Mehrheit, drei Stahlwerken einen vierjährigen Stromrabatt zu gewähren. Noch ist die Differenzbereinigung der beiden Parlamentskammern im Gang.
Viel Aufwand ist es deshalb, weil das Parlament eine ausserordentliche Strompreissubvention beschliesst, die es so bisher nicht gab. Eine, die einen bürokratischen Kontrollaufwand nach sich ziehen wird. Künftig muss der Bund prüfen, ob der Strompreisrabatt alle Bedingungen erfüllt, die im Gesetz stehen, etwa ob das Stahlwerk seine Produktion umweltschonend saniert und keine Leute entlässt.
Ein sehr grosser Aufwand für wenig Geld
Von wenig Geld darf die Rede sein, weil es laut Schätzungen um 7 bis 15 Millionen Franken Strompreisreduktion im ersten Jahr geht. Danach um noch weniger. Das Geld ist ein heisser Tropfen auf den Stein im Umsatz von Stahl Gerlafingen. Der Verlust wurde zuletzt auf einen hohen zweistelligen Millionenbetrag beziffert. Was diese Subvention bewirken soll, ist betriebswirtschaftlich schleierhaft.
Zudem werden reihenweise Grundsätze über Bord geworfen, weil erstens gegen das Gebot der Gleichbehandlung von Stromkunden verstossen wird: Wenn Stahl Gerlafingen weniger Netzentgelt zahlt, müssen alle anderen das Loch stopfen.
Zweitens gilt das Gebot der Verfassungsmässigkeit: Laut Bundesamt für Justiz hat dieser Strompreisrabatt für drei grosse Stromwerke keine verfassungsmässige Grundlage. Das Parlament würgt eine Gesetzesbestimmung hin, und niemand kontrolliert es.
Und drittens schafft man einen schlechten Präzedenzfall zur Rettung einer notleidenden Grossfirma ohne strategisches, öffentliches Interesse: Gerlafingen ist nicht eine Grossbank, die bei einer Insolvenz einen immensen volkswirtschaftlichen Schaden verursachen könnte. Es handelt sich um ein ersetzbares Schmelzwerk.
Gutes Geld schlechtem Geld nachgeworfen?
Mit etwas Grosszügigkeit könnte man würdigen, dass Stahlrecycling die nächsten vier Jahre in der Schweiz überleben kann, um Recyclingfahrten ins Ausland zu verhindern. Und dass man hoffen darf, dass sich Antonio Beltrames Gerlafinger Stahlwerk mit über hundert Arbeitsplätzen bis dahin aufrappeln wird. Laut dem Stahlmagnat war das Werk bis 2022 rentabel.
Doch ebenso wahrscheinlich ist, dass das Parlament hier gutes Geld schlechtem Geld hinterherwirft. Die Überproduktion von Stahl ist weltweit gross. Wer weiss, ob Beltrame, der italienische Stahlmagnat, es tatsächlich schafft, «grünen» Stahl rentabel zu produzieren.
Wie da die Bürgerlichen – im Nationalrat zwei Drittel der Mitte-Partei inklusive Präsident Gerhard Pfister, ein Viertel der SVP und fünf FDPler – zustimmen konnten, ist rätselhaft. Doch letztlich halfen Albert Rösti und Guy Parmelin hinter den Kulissen mit, damit man Klima- und Umwelthilfen für Stahl Gerlafingen ausschütten kann. Und zwar über den Umweg des Klima-, Energie- und Umweltrechts. Auch hier wurde gegen einen Grundsatz verstossen – indem nämlich Wirtschaftspolitik im Staatssekretariat für Wirtschaft und nicht im Bundesamt für Umwelt gemacht wird.