Steuern: Joe Biden will zurück ins Mittelfeld

In vielen Punkten will Joe Biden den Rechtsdrall der letzten vier Jahre radikal zurückdrehen – zurück zur Ära Barack Obama. Dazu gehört wohl eine Reaktivierung von Gesetzen im Energie- und Umweltbereich, die Donald Trump inzwischen kassiert hat. Vor allem aber gehört dazu der Rückbau von Trumps Steuergesetzgebung. Das Schlüsselwort lautet TCJA, Tax Cuts and Jobs Act, das Trump 2017 durchsetzte – und das ihm den Support von Wall Street und der Aktionäre eintrug.

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Denn der 45. Präsident senkte die Firmensteuersätze von rekordhohen 35 auf 21 Prozent. Auch alle Schweizer Firmen mit starker Präsenz in den USA profitierten von Trumps Steuerdeal, und zwar mit bis zu 50 Millionen Dollar. Darunter sind Konzerne wie ABB, Credit Suisse, Glencore, Landis+Gyr oder UBS. Weiter erfreuen sie sich einer grosszügigen Abschreibungspolitik.

Joe Biden nun will die Unternehmenssteuern markant anheben, nämlich auf 28 Prozent. Das wäre weit über den Schweizer Sätzen (18 Prozent) und ungefähr auf dem Niveau Belgiens oder Deutschlands. Die Mehreinnahmen will er in die Infrastruktur und in die CO2-Reduktion stecken. Via Tax-Code-Anreize sollen (ausländische) Firmen ermuntert werden, im amerikanischen Ödland neue Arbeitsplätze zu schaffen, wie Deloitte in einer neuen Studie schreibt.

Pharma: Viel Lärm um wenig

Der US-Markt ist auch nach vier Jahren Donald Trump noch immer eine Goldgrube für die Pharmabranche. Ein Grossteil der milliardenschweren Investitionen, die für die Entwicklung neuer Medikamente anfallen, wird durch die Verkäufe in den USA finanziert.

Auch Donald Trump hatte zwar gegen die Arzneimittelpreise gewettert, getan hat er wenig. Das selbst nach Obamacare noch immer stark privatwirtschaftlich orientierte US-Versicherungssystem garantiert satte Margen und hohe Gewinne. Doch es hat auch Nachteile: Konzerne wie Roche und Novartis springen alljährlich mit Milliarden ein, um ihre Medikamente Patientinnen und Patienten zugänglich zu machen, die ungenügend oder nicht versichert sind. Das ist nicht nur teuer, sondern auch eine Gratwanderung.

Für die Pharmaindustrie ist die Wahl von Joe Biden deshalb womöglich gar nicht so kritisch, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Der Demokrat steht für mehr Preisdruck und ein tragfähigeres Versicherungssystem. Und auch seine Administration wird sich hüten, etwas zu tun, was die Stellung der USA als weltweit führenden Innovationsstandort infrage stellen würde.

USA versus China: Exportieren in einem Kalten Krieg

Wie kühl wird das Verhältnis zwischen den USA und China? Für viele Schweizer Unternehmen ist diese Frage wichtiger als Zins- oder Steuerentscheide. Im schlimmsten Fall droht ihnen eine fatale Wahl: «Them or us?» Auf welchem Markt bist du, wo produzierst du: Beim reichen, grossen Amerika oder beim bevölkerungsreichen, grossen China?

Donald Trump erscheint auf den ersten Blick als besonders Kalter Krieger: Seit zwei Jahren baute er massiv Druck auf gegen das Reich der Mitte – erst durch den Handelsstreit, in dem er Zölle auf die meisten chinesischen Güter erhob, dann durch den Bann von Technologien und durch laute verbale Attacken. Joe Biden indes pflegte als Vizepräsident unter Obama ein enges Verhältnis zu Xi Jinping: Annäherung durch Handel, so lautete die Devise – wie unter allen Präsidenten seit Richard Nixon.

«Der neue Mann wird gewiss stärker versuchen, China über internationale Organisationen zu bändigen. Und er wird andere Staaten ins Boot holen.»

Ob Biden als Präsident daran anschliessen würde, ist zweifelhaft. Ihm missfällt, dass das Regime in Peking zunehmend autoritär geworden ist. Es ist nicht sicher, dass er Trumps China-Zölle streichen würde: Er hat nur eine «Überprüfung» angekündigt. Auch unter dem neuen Präsidenten dürfte das chinesisch-amerikanische Verhältnis also gespannt bleiben.

Doch es gibt einen Unterschied aus Sicht der Schweizer Wirtschaft: Der neue Mann wird gewiss stärker versuchen, China über internationale Organisationen zu bändigen. Und er wird andere Staaten ins Boot holen, anstatt sie, wie Trump, ebenfalls als Konkurrenten und wirtschaftspolitische Gegner zu betrachten.

Freihandel: Eine Idee hat an Wert verloren

Freier Handel ist gut, sowohl für die USA als auch für den Rest der Welt: Jahrzehntelang lebten die Regierungen in Washington diese Idee intensiv und trugen deren Botschaft nach aussen.

Mit diesem Verständnis war Schluss, nachdem Donald Trump ins Weissen Haus einzog. Der Immobilien-Unternehmer setzte stark auf Zölle und Konfrontation und wandte sich gegen multilaterale Abkommen. Mit seiner «America First»-Ideologie schuf sich Trump auch viele Anhänger im Land. Und so setzte auch Joe Biden im Wahlkampf auf diese Karte – das Programm heisst nur wenig abgewandelt «Buy American».

Zwar sucht Biden im Vergleich zu Trump weniger Eskalationen und tendiert eigentlich stärker Richtung Freihandel. Doch auch er schenkt dem Thema kaum noch Beachtung. Das ist umso bemerkenswerter, als dieses für demokratisch geführte Regierungen in den USA bisher immer sehr wichtig gewesen ist. Doch neben Covid-19, Rassenkonflikten und der miesen heimischen Wirtschaftslage hat der Freihandel derzeit nur noch eine untergeordnete Rolle.

(sai, thö, bar, rap)

Teile dieses Beitrags erschienen in der Vorschau «Trump oder Biden: Die Perspektiven für die Schweizer Wirtschaft» und wurden inzwischen aktualisiert.