Man musste nicht lange auf die ersten Forderungen warten. Am Dienstag vermeldete das Bundesamt für Sozialversicherungen, dass ihnen ein Milliardenverrechner beim erwarteten Defizit im Jahr 2033 passiert ist: «Nur» 4 statt 7,3 Milliarden solle es betragen. Vor allem die Linke nutzte die Panne sogleich, um die Rentenpolitik der letzten Jahre infrage zu stellen: Das Ja zur Rentenreform vom September 2022 wäre unter diesen Voraussetzungen nicht zustande gekommen, so die Argumentation. Die hauchdünne Annahme mit 50,6 Prozent Ja-Stimmen betitelte die unterlegene Linke damals als «Ohrfeige für die Frauen», weil die Angleichung des Rentenalters für beide Geschlechter daraus resultierte.

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Die Panne des BSV ist unentschuldbar, doch die Entscheidung damals war und bleibt richtig. Eine Rückkehr zu unterschiedlichen Rentenaltern nach Geschlecht entspräche einem Schritt zurück in eine ungleiche Schweiz. Würde die Abstimmung auf Basis des aktuellen Rechenfehlers annulliert, würde dies das Anliegen der Frauen insgesamt schwächen. Denn wer Gleichstellung will, muss auch bereit sein, gleich lange zu arbeiten.

Teilzeit verringert Karrieremöglichkeiten und dämpft den Lohn

Ja, es gibt Elemente, die in der Diskussion dazugehören. Frauen verdienen im Schnitt noch immer weniger als Männer, und da, wo diese Differenzen nicht erklärt werden können, sind sie auch klar illegal. Doch der Einkommensunterschied basiert – gut erklärbar – auch auf gesellschaftlichen Gründen, die sich nicht wegreglementieren lassen. Schweizer Firmen bevorzugen Vollzeitarbeitende und fordern für eine Karriere die volle Präsenz am Arbeitsplatz ein. Dieses überholte Weltbild ist nur schwerlich vereinbar mit einer Schwangerschaft und der Kinderbetreuung. Die Folge: In vielen Partnerschaften bleibt weiterhin die Frau zu Hause, und der Mann arbeitet. Diese Teilzeitarbeit verringert die Karrieremöglichkeiten und damit auch den Lohn, was sich nicht zuletzt auch auf die Renten auswirkt. Das ist ein Teufelskreis, aus dem die Schweiz nur langsam herausfindet.

Und trotzdem wäre es falsch, über das Rentenalter gegensteuern zu wollen. Denn das Rentensystem an sich ist nicht unfair. Bei gleicher Einzahlung folgt auch die gleiche Auszahlung, unabhängig vom Geschlecht. Kommt hinzu, dass Frauen eine höhere Lebenserwartung aufweisen und entsprechend im Schnitt länger AHV beziehen – womit in der AHV sogar eine Umverteilung von den Männern zu den Frauen stattfindet.

Die Ungleichheiten verschwinden bei Rente und Militär

Die Angleichung des Rentenalters war einer der wichtigsten Schritte, die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen vor dem Gesetz zu reduzieren. Diese äusserte sich zuvor in zwei grossen Bereichen: bei der Rente und beim Militärdienst, der lediglich für Männer obligatorisch ist. Während die erste Ungleichheit mit der AHV-Reform beseitigt wurde, wird der zweite Bereich zumindest diskutiert. Dank der Service-Citoyen-Initiative von Noémie Roten steht ein Dienst an der Gesellschaft für alle im Raum.

Militärdienst in der Schweiz ist für Frauen seit jeher freiwillig.

Militärdienst in der Schweiz ist für Frauen seit jeher freiwillig.

Quelle: Keystone

Der Milliardenverrechner des Bundes ist ein Fehler, wie es ihn nicht geben darf, und das zuständige Departement von Elisabeth Baume-Schneider muss zwingend über die Bücher. Immerhin erlaubt der Verrechner aber eine kurze Verschnaufpause – und hilft bei einer anderen Diskussion: bei jener rund um die Finanzierung des Rentenzustupfs, den sich vor allem die älteren Semester am 3. März 2024 mit der Annahme der 13. AHV-Rente gönnen würden.