Die Energiewende und eine stabile Versorgungssicherheit sind nur mit einem deutlich höheren Ausbautempo bei den Erneuerbaren sowie mit einer Verschuldung im Netzzuschlagsfonds erreichbar. Technisch wäre der Ausbau laut dem Energiekonzern Axpo machbar.

Die grösste Stromproduzentin der Schweiz hat am Donnerstag einen Diskussionsbeitrag präsentiert, wie die Energiewende und die Versorgungssicherheit gleichzeitig möglich gemacht werden könnten. Voraussetzung dafür seien «mutige Entscheide der Politik», teilte Axpo in einem Communiqué mit.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

CEO Christoph Brand betonte an einem virtuellen Mediengespräch, beim Szenario handle es sich nicht um die richtige und einzige Lösung. Bei Prognosen bis zum Jahr 2050 gebe es zu viele Unwägbarkeiten. Aber es sei «ein konkreter Vorschlag, wie man die Quadratur des Kreises hinkriegen könnte».

Die gute Nachricht sei, dass der Umbau technisch machbar sei. «Aber wir müssen dürfen und wir müssen können.» Die Schweiz müsse so schnell wie möglich Massnahmen treffen, dass Anlagen schneller gebaut und finanziert werden könnten. Wenn die Schweiz das Ausbautempo bei den erneuerbaren Energien nicht massiv erhöht, müsste gemäss dem präsentierten Szenario bereits ab 2035 fast ein Drittel des Stromes importiert werden.

Das Szenario geht von zwei Annahmen aus: Die Nachfrage nach Energie steigt in der Schweiz bis 2050 um über 35 Prozent und die Schweiz ist im Winter in jedem Fall auf Importe angewiesen, um den Strombedarf in einzelnen Momenten effizient zu decken. Denn, so die Axpo in der Mitteilung: «Das Ziel einer vollständig autarken Schweiz wäre mit viel zu hohen Kosten und gesellschaftlichen Widerständen verbunden.»

Solaranlagen auf Dächern, Freiflächen und in den Alpen

Auf Produktionsseite geht das Szenario von einem starken Ausbau der Nutzung von Photovoltaikanlagen auf Dächern, Freiflächen und in den Alpen aus. Dazu kommt die vermehrte Nutzung von Windkraft, Geothermie und Biomasse. Es gebe keine einzelne Technologie oder Massnahme, die das Problem integral lösen könne, so das Fazit.

Brand gab zudem zu bedenken, dass in der Schweiz die relevanten Plätze der Wasserkraft bebaut seien. «Es geht gar nicht, dass gross neu gebaut wird.» Die Wasserkraft sei aus seiner Sicht deshalb nicht die Lösung für den Mehrverbrauch. Die Axpo geht in ihrem Szenario sogar von einem leichten Rückgang des Anteils am Strommix bis 2050 aus.

Ein am gleichen Anlass präsentiertes neues, öffentlich zugängliches Berechnungstool zeigt, dass in jedem diesem zugrunde liegenden Szenario der Ausbau der Fotovoltaik ein entscheidender Faktor ist. GLP- und Swissolar-Präsident Jürg Grossen betonte deshalb, in diesem Bereich gelte es, alles abzuholen, was möglich sei und möglichst schnell vorwärts zu machen.

Wie genau dies geschehen soll, dazu herrschte am Mediengespräch eine gewisse Ratlosigkeit. Es gebe beim «Akzeptanzthema» keine Patentlösung, sagte Brand. Aber es führe kein Weg daran vorbei, dass die Diskussionen schneller geführt werden müssten, sprich die Bewilligungsverfahren kürzer werden müssten. Frankreich zum Beispiel habe die unterste von drei Rekursstufen gestrichen.

Gas zur Absicherung und Notreserve

Wenn die Kernkraftwerke ab 2040 nach spätestens 60 Jahren Laufzeit zu ersetzen sind, geht es gemäss Axpo-Szenario in den Wintermonaten wohl nicht ohne den Einsatz von zusätzlichen Gaskraftwerken, basierend auf CO2-neutralem Gas wie Bio- oder Synthesegas, wenn man die drohenden Engpässe auffangen will.

Gleichzeitig betonte Brand aber auch, Gas wäre nur eine Absicherung und Notreserve und «kein fundamentaler Bestandteil der Bandenergie». Die vordringliche Diskussion, die man führen müsse, sei, wie man die Fotovoltaik rasch voranbringe.

Der Kraftakt fürs Gleichgewicht zwischen Energiewende und Versorgungssicherheit würde gemäss Szenario des Stromkonzerns einiges kosten: Der Netzzuschlagfonds müsste sich im Jahr 2046 mit maximal elf Milliarden Franken verschulden können, was derzeit aus gesetzlichen Gründen nicht möglich ist. In jedem Fall aber gelte: Die Finanzierungskosten seien im Vergleich zu den Kosten bei einem massiven, länger andauernden Stromausfall letztlich vernachlässigbar.

Bundesrat diskutiert Stromversorgung

Laut einem jüngst veröffentlichten Bericht zur Versorgungssicherheit mit Strom könnte der Schweiz im schlimmsten Fall schon ab 2025 zu wenig elektrische Energie zur Verfügung stehen. Wirtschaftsminister Guy Parmelin rief in der Folge Unternehmen in einer Kampagne dazu auf, sich auf Mangellagen vorzubereiten.

Der Bundesrat wiederum führte am Mittwoch eine mehrstündige Klausursitzung zum Thema Stromversorgung durch. Dabei diskutierte er mit mehreren Vertretern der Branche. Entscheide wurden keine gefällt. Laut Bundesratssprecher André Simonazzi will die Regierung Anfang 2022 die Diskussion wiederaufnehmen. Bis Ende Jahr haben die Eidgenössische eidgenössische Elektrizitätskommission (Elcom) und das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) Aufträge für Entscheidungsgrundlagen erhalten.

(sda/gku)

HZ-Musterportfolios
Aktuelle Markteinschätzungen und Wissensbeiträge rund ums Investieren