Definitiv liquidierte nachrichtenlose Vermögen spülten vergangenes Jahr 7,1 Millionen Franken in die Bundeskasse. De facto fliesst ein Grossteil der ruhenden Guthaben in die Bundeskassen, weil die Anspruchsberechtigten nicht ausfindig gemacht oder die Berechtigung der Gesuchsteller nicht überprüft werden konnte.
Immer wieder kommt es vor, dass Schweizer Banken den Kundenkontakt verlieren, zum Beispiel durch einen Umzug ins Ausland oder einen Todesfall. In solchen Fällen müssen die Finanzinstitute ein Verfahren einhalten, das auf den 1995 in Kraft getretenen «Narilo-Richtlinien» beruht: Hat die Bank über einen längeren Zeitraum keinen Kontakt mehr zum Kunden, muss sie «im Rahmen des Zumutbaren» Nachforschungen anstellen.
Nach 60 Jahren geht das Geld an den Bund
Kann die betroffene Person nicht ausfindig gemacht werden, so sind die Angaben über die Vermögenswerte, sofern sie 500 Franken übersteigen, an eine zentrale Datenbank zu übermitteln, auf die nur der Schweizerische Bankenombudsman Zugriff hat. Dieser ist dann für die Suche nach den Berechtigten zuständig.
Können diese nicht ausfindig gemacht werden, werden die Guthaben auf dem kontaktlosen Konto 60 Jahre nach dem letzten Kundenkontakt auf www.dormantaccounts.ch publiziert. Meldet sich ein Jahr nach der Publikation keine anspruchsberechtigte Person, werden die Guthaben von den Banken an die Eidgenössische Finanzverwaltung (EFV) überwiesen.
Seit Einführung des Systems im Jahr 2001 konnte der Schweizer Bankenombudsmann 710 kontaktlose Bankbeziehungen identifizieren und so den Berechtigten Guthaben im Gesamtwert von 139,4 Millionen Franken überweisen sowie den Inhalt von 73 Tresoren zugänglich machen.
Von 477 Anfragen wurden 18 erfolgreich abgeschlossen
Der Bankenombudsmann kümmert sich auch um die Anfragen von Privatpersonen, die kontaktlose Vermögenswerte vermuten, auf die sie ein Anrecht haben. Im Jahr 2023 wurden 477 Anfragen behandelt, aber nur 18 erfolgreich abgeschlossen.
«Die durchschnittliche Erfolgsquote seit 2001 liegt bei rund 6,5 Prozent», erklärt Andreas Barfuss, Ombudsman der Schweizer Banken. Der tiefe Prozentsatz lasse sich damit erklären, dass ein Antragsteller in der Regel nicht nach Konten suche, die er selbst eröffnet habe, sondern nach Konten, die ein Verwandter bei einer ihm unbekannten Bank eröffnet hat. Oftmals handle es sich also um eine «reine Vermutung».
Schweiz unter Top 3 mit herrenlosen Konten
Im Jahr 2023 stammte die Mehrheit der bearbeiteten Anträge aus Deutschland (151), gefolgt von Frankreich (66). Die Schweiz steht mit 49 Anträgen an dritter Stelle.
«Es kann sein, dass die Erben von Personen mit Wohnsitz in der Schweiz über bessere Informationen verfügen und daher nur wenige Suchanfragen aus der Schweiz eingehen», sagt Barfuss. Ausserhalb Europas kamen die meisten Anträge aus Asien (32) und Nordamerika (31).
Insgesamt beliefen sich die zurückgegebenen Guthaben im letzten Jahr auf 1,1 Millionen Franken, gegenüber 14,1 Millionen im Jahr 2022, 5,4 Millionen im Jahr 2021 und 3,6 Millionen im Jahr 2020, wie aus dem Jahresbericht des Schweizer Bankenombudsman hervorgeht.
Gelder sind nicht zweckgebunden
Dies ist jedoch nur ein kleiner Teil der insgesamt bearbeiteten gesperrten Vermögenswerte. Mit 7,1 Millionen Franken entfällt der Löwenanteil im Jahr 2023 auf den Bund. Die Gelder fliessen in die Bundeskasse und sind nicht zweckgebunden.
Seit 2017 erhält Bern den Erlös aus der Liquidation der eingezogenen Vermögenswerte. Innerhalb von sechs Jahren flossen dem Bund insgesamt 96,6 Millionen Franken zu. In den Corona-Jahren war dieser Gewinn besonders hoch, wie aus den Finanzberichten zur Staatsrechnung hervorgeht: 2020 betrug er 17,4 Millionen Franken.
(sda/dob)